|
Staubteufel und Winde sind schneller als angenommen
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. Oktober 2025
Mars-Winde wehen mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit
als bislang angenommen - mit bis zu 160 Kilometern pro Stunde. Das ist das
Ergebnis der Auswertung von Kamerabildern der Sonden Mars Express und
ExoMars Trace Gas Orbiter der europäischen Raumfahrtorganisation ESA.
Bei der Auswertung halfen Verfahren des maschinellen Lernens.

Zahllose Staubteufel sind an dieser Stelle
über die Marsoberfläche gezogen und haben den rötlichen Staub
auf ihrem Weg entfernt. Ein einzelner aktiver Staubteufel mit
seinem Schatten ist in der Mitte dieses CaSSIS-Bildes zu
sehen. Bild:
ESA / TGO / CaSSIS [Großansicht] |
Auf dem Mars erreichen sogenannte Staubteufel und andere Winde
Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometer pro Stunde und wehen damit stärker
als bisher angenommen: Dies zeigt eine neue Studie eines internationalen
Forscherteams unter der Leitung der Universität Bern, an der auch
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des DLR-Instituts für Weltraumforschung
maßgeblich beteiligt waren. Die Forschenden verwendeten Bilder der Schweizer
Marskamera CaSSIS (Color and Stereo Surface Imaging System) und der
HRSC-Stereokamera des DLR, die sie mithilfe von "maschinellem Lernen"
analysierten.
"Die Studie liefert eine wertvolle Datengrundlage für ein besseres
Verständnis der atmosphärischen Dynamik auf unserem Nachbarplaneten" freut sich
Dr. Daniela Tirsch. Sie leitet das Experiment HRSC (High Resolution Stero Camera)
auf der ESA-Mission Mars Express und hat an der Studie mitgearbeitet.
"Damit können wir bessere Klimamodelle erstellen, die auch für zukünftige
robotische und sogar vielleicht auch für astronautische Marsmissionen hilfreich
sind".
Trotz der sehr dünnen Atmosphäre gibt es auf dem Mars auch Winde, die für das
Klima und Verteilung von Staub von zentraler Bedeutung sind. Windbewegungen und
Aufwirbelung von Staub erzeugen häufig sogenannte Staubteufel (im Englischen "dust
devils"), rotierende Säulen aus aufgewirbeltem Staub und Luft, die sich in
Richtung der vorherrschenden Windrichtung über die Oberfläche bewegen. Auf
Bildern ist Wind selbst unsichtbar, aber Staubteufel sind deutlich zu erkennen.
Aufgrund ihrer Vorwärtsbewegung sind sie daher wertvolle Indikatoren für die
Forschung, um ansonsten unsichtbare Winde zu bestimmen. Staubteufel gibt es auch
auf der Erde, aber auf dem Mars sind sie viel größer und können mehrere
Kilometer Höhe erreichen.
Die Studie unter der Leitung von Dr. Valentin Bickel vom Center for Space
and Habitability der Universität Bern zeigt, dass Staubteufel und Winde,
die sie umgeben, deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als bisher
angenommen. Stärkere Winde könnten für einen großen Teil der Staubaufwirbelung
verantwortlich sein, welche großen Einfluss auf das Wetter und das Klima des
Mars hat. An der jetzt veröffentlichten Studie beteiligten sich neben
Forschenden des Physikalischen Instituts der Universität Bern auch
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Open University in
Großbritannien und des DLR-Instituts für Weltraumforschung in Berlin-Adlershof.
"Die Kombination von Daten der beiden Kameras auf den beiden europäischen
Satelliten eröffnet eine Menge neuer Forschungsmöglichkeiten: HRSC und CaSSIS
ergänzen sich ideal und liefern zusammen ein deutlich umfassenderes Bild des
Mars, als es ein einzelnes Instrument könnte – ein großartiges Beispiel für die
Stärke internationaler Zusammenarbeit im All", erklärt DLR-Planetengeologe Ernst
Hauber, der an beiden Kamera-Experimenten wissenschaftlich beteiligt ist. "Die
Auflösung beider Kameras ist gut genug, um selbst Staubteufel mit nur wenigen
Zehnermetern Durchmesser in Bildern festzuhalten".
"Mithilfe eines hochmodernen Deep-Learning-Ansatzes konnten wir Staubteufel
in über 50.000 Satellitenbildern identifizieren", erklärt Bickel. CaSSIS
befindet sich an Bord des ExoMars Trace Gas Orbiters der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA), während sich die HRSC (High Resolution Stereo Camera)
an Bord des ESA-Orbiters Mars Express befindet. In einem nächsten
Schritt untersuchte das Forschungsteam Stereobilder von rund 300 der
identifizierten Staubteufel, um deren Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten
abzuleiten. Die Ergebnisse zeigen, dass Staubteufel und die umgebende Winde auf
dem Mars Geschwindigkeiten von bis zu 44 Meter pro Sekunde, also rund 160
Kilometer pro Stunde auf dem gesamten Planeten erreichen können. Frühere
Messungen auf der Oberfläche hatten gezeigt, dass Winde meist unter 50 Kilometer
pro Stunde bleiben und in seltenen Fällen maximal 100 Kilometer pro Stunde
erreichen können.
"Die Identifikation und Vermessung all der Staubteufel in den HRSC-Daten zum
Training des Algorithmus war eine ziemlich aufwendige Arbeit", blickt
DLR-Kartografin Antonia Schriever auf die Untersuchung zurück. "Aber dann als
Ergebnis zu sehen, wie groß und schnell Windhosen tatsächlich sind, machte jede
Mühe mehr als wett!" Tirsch fasst den DLR-Beitrag zur Studie zusammen: "Dank der
einzigartigen Fähigkeit der HRSC, die Marsoberfläche leicht zeitversetzt mit
verschiedenen Bildkanälen zu beobachten, ist es erst möglich geworden,
Geschwindigkeit und Richtung der Staubteufel zu analysieren."
Deren hohe Geschwindigkeit beeinflusst wiederum den Staubkreislauf auf dem
Roten Planeten: "Starke, nicht wirbelartigen Winde tragen sehr wahrscheinlich
eine beträchtliche Menge Staub in die Marsatmosphäre ein – viel mehr als bisher
angenommen", erläutert Bickel. Ferner: "Unsere Daten zeigen, wo und wann diese
Winde stark genug sind, um Staub von der Oberfläche zu heben. Dies ist das erste
Mal, dass solche Erkenntnisse für einen Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten
vorliegen."
Die HRSC ist seit Januar 2004 im Einsatz, auch CaSSIS liefert schon seit mehr
als acht Jahren Bilddaten vom Mars. Die Eregbnisse der Studie wurden jetzt in
der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
|
Mission Mars, die astronews.com-Berichterstattung über die Erforschung des roten Planeten |
|