|
Die dynamische Umgebung des Schwarzen Lochs von M 87
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
23. September 2025
Neue Bilder des Event Horizon Telescope des
supermassereichen Schwarzen Lochs in M 87 zeigen unerwartete Umkehrungen im
polarisierten Licht zwischen 2017 und 2021. Das deutet darauf hin, dass die
Magnetfelder in der Nähe des Schwarzen Lochs dynamisch sind. Außerdem wurden
erstmals schwache Jet-Emissionen in der Nähe der Basis des relativistischen Jets
von M 87 sichtbar.

Neue Bilder der EHT-Kollaboration zeigen
eine dynamische Umgebung mit sich verändernden
Polarisationsmustern, die durch die Magnetfelder
des supermassereichen Schwarzen Lochs M 87*
verursacht werden.
Bild: EHT-Kollaboration [Großansicht] |
Die Event-Horizon-Telescope-(EHT)-Kollaboration hat mit maßgeblicher
Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) neue,
detaillierte Bilder des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie
M 87 veröffentlicht. Diese zeigen eine dynamische Umgebung mit sich verändernden
Polarisationsmustern in der Nähe des Schwarzen Lochs. Zum ersten Mal haben die
Forscherinnen und Forscher in den EHT-Daten auch Anzeichen für eine ausgedehnte
Emission in der Nähe der Jet-Basis entdeckt, wo der Jet mit dem Ring um das
Schwarze Loch verbunden ist. Die aktuellen Beobachtungen bieten neue Einblicke
in das Verhalten von Materie und Energie in den extremen Umgebungen um Schwarze
Löcher.
M 87 liegt etwa 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und beherbergt
ein supermassereiches Schwarzes Loch, mit einer Masse, die mehr als sechs
Milliarden Mal größer ist als die der Sonne. Das EHT – ein globales Netzwerk von
Radioteleskopen, das ein virtuelles Observatorium von der Größe der Erde
darstellt – hat 2019 erstmals das ikonische Bild vom Schattens des Schwarzen
Lochs von M 87 aufgenommen und 2021 Karten der polarisierten Radiostrahlung
hinzugefügt.
In der Astronomie bezieht sich Polarisation auf die Ausrichtung von
Lichtwellen, die Aufschluss über die Struktur und Stärke von Magnetfeldern im
Weltraum ermöglicht Durch den Vergleich der Beobachtungen aus den Jahren 2017,
2018 und 2021 sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun einen
wichtigen Schritt weiter gekommen, und können zeigen, wie sich die Magnetfelder
in der Nähe des Schwarzen Lochs im Laufe der Zeit verändern: Zwischen 2017 und
2021 kehrte sich das Muster der polarisierten Radiostrahlung unerwartet um. Im
Jahr 2017 schienen sich die Magnetfelder in eine Richtung zu drehen. Bis 2018
hatten sie sich stabilisiert. Im Jahr 2021 erfolgte eine Umkehrung, worauf sie
sich in entgegengesetzter Richtung drehten. Solche Veränderungen können sowohl
auf die magnetische Struktur des Schwarzen Lochs selbst als auch auf
dazwischenliegende Materie zurückzuführen sein, die die Polarisation des Lichts
auf seinem Weg zur Erde verzerrt.
Zusammengenommen deuten diese Schwankungen auf eine sich entwickelnde,
turbulente Umgebung hin, in der Magnetfelder eine entscheidende Rolle dabei
spielen, wie Materie in das Schwarze Loch fällt und wie Energie in den nach
außen gerichteten Jet geleitet wird. Dieses überraschende Verhalten stellt
bestehende Modelle infrage und unterstreicht, wie viel über die Prozesse in der
Nähe des Ereignishorizonts noch aufzuklären bleibt. "Bemerkenswert ist, dass die
Ringgröße über die Jahre hinweg konstant geblieben ist – was den von Einsteins
Theorie vorhergesagten Schatten des Schwarzen Lochs bestätigt –, während sich
das Polarisationsmuster erheblich verändert hat", sagt Paul Tiede, Astronom am
Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian und einer der Leiter
der neuen Studie. "Dies zeigt uns, dass das magnetisierte Plasma, das in der
Nähe des Ereignishorizonts wirbelt, alles andere als statisch ist. Es ist
dynamisch und komplex und bringt unsere theoretischen Modelle an ihre Grenzen."
"Jahr für Jahr verbessern wir das EHT – mit zusätzlichen Teleskopen und
verbesserten Instrumenten, neuen Ideen für wissenschaftliche Erkundungen und
neuartigen Algorithmen, um mehr aus den Daten herauszuholen", fügt ein weiterer
Leiter der Studie, Michael Janssen hinzu. Er ist Assistenzprofessor an der
Radboud-Universität in Nimwegen und hat eine zusätzliche Affiliation mit dem
MPIfR. "In der Studie haben all diese Faktoren zu neuen wissenschaftlichen
Ergebnissen und neuen Fragen geführt, die uns sicherlich noch viele Jahre
beschäftigen werden."
"Jets wie in M 87 spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung ihrer
Wirtsgalaxien. Indem sie die Sternentstehung regulieren und Energie über große
Entfernungen verteilen, beeinflussen sie den Lebenszyklus von Materie auf
kosmischer Ebene", erklärt Eduardo Ros vom MPIfR. "Da der Jet von M 87 über das
gesamte Spektrum hinweg strahlt – von Radiowellen bis hin zu Gammastrahlen und
Neutrinos – bietet er ein einzigartiges Labor, um zu untersuchen, wie solche
extremen kosmischen Phänomene entstehen und ausgelöst werden."
Entscheidend war, dass bei den EHT-Beobachtungen 2021 zwei neue Teleskope zum
Einsatz kamen – Kitt Peak in Arizona und NOEMA in Frankreich –, die die
Empfindlichkeit und Bildschärfe des Teleskop-Netzwerks nochmals verbesserten.
Dadurch konnten Wissenschaftler zum ersten Mal mit dem EHT die Emissionsrichtung
der Basis des relativistischen Jets von M 87 eingrenzen – einem schmalen Strahl
energiereicher Teilchen, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aus dem Schwarzen
Loch austritt. Technische Leistungsverbesserungen am Grönland-Teleskop und am
James-Clerk-Maxwell-Teleskop haben die Datenqualität im Jahr 2021 weiter
verbessert.
"Die verbesserte Kalibrierung hat zu einer bemerkenswerten Steigerung der
Datenqualität und der Leistung des Netzwerks geführt, wobei neue kurze
Basislinien – zwischen NOEMA und den IRAM-30-m-Teleskopen sowie zwischen
Kitt Peak und SMT – erste einschränkende Bedingungen für die schwache
Emission an der Basis des Jets liefern", sagt Sebastiano von Fellenberg, ehemals
MPIfR und jetzt Humboldt-Lynen-Stipendiat am CITA (Universität Toronto), der
sich auf die Kalibrierung für das Projekt konzentrierte. "Dieser Sprung in der
Empfindlichkeit verbessert auch unsere Fähigkeit, Details in den
Polarisationssignalen zu erkennen." Thomas Krichbaum vom MPIfR kommentiert:
"Diese mehrjährigen Beobachtungen zeigen, wie turbulent und dynamisch die
Umgebung in der Nähe des Ereignishorizonts ist. Der nächste Schritt wird darin
bestehen, die Schwankungen des Rings und des Jets mit häufigeren Beobachtungen
zu erfassen, idealerweise in Form eines Films, der die noch immer wenig
verstandene Kinematik auf Ereignishorizontskalen thematisiert."
Diese mehrjährigen Bilder vertiefen unser Verständnis einer der extremsten
Umgebungen des Universums. Sie bestätigen Einsteins Vorhersagen und decken
gleichzeitig eine neue Komplexität in Magnetfeldern und der Entstehung von Jets
auf, wodurch sie einen noch nicht gekannten Einblick in die unmittelbare
Umgebung des Schwarzen Lochs bieten.
J. Anton Zensus, Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration und Direktor am
MPIfR, fasst zusammen: "Diese neuesten Ergebnisse veranschaulichen die
bemerkenswerte Dynamik um ein supermassereiches Schwarzes Loch. Die sich
entwickelnden Polarisationsmuster und die ersten Einblicke in die Jet-Basis
bringen uns dem Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Magnetfeldern,
Akkretion und Jet-Ausstoß näher. Sie zeigen auch den Wert einer langfristigen
internationalen Zusammenarbeit und nachhaltiger technischer Innovationen in der
Radioastronomie, die völlig neue Fenster zum Universum öffnen."
Die Forschungsergebnisse wurden jetzt
in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
|