Wie maschinelles Lernen bei der Analyse von
Gravitationswellen helfen kann
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
7. März 2025
Verschmelzungen von zwei Neutronensternen zu beobachten,
steht ganz oben auf der Wunschliste der Astronomie, bieten sie doch die
einzigartige Möglichkeit, Schwerkraft und Materie unter Extrembedingungen zu
untersuchen. Allerdings ist dafür eine schnelle Datenauswertung erforderlich.
Ein Forschungsteam hat nun gezeigt, wie maschinelles Lernen dabei helfen kann.

Künstlerische Darstellung von zwei
verschmelzenden Neutronensternen und der dabei erzeugten
Gravitationswellen.
Bild: MPI-IS / A. Posada [Großansicht] |
Verschmelzungen von Doppelneutronensternen finden Millionen von Lichtjahren
von der Erde entfernt statt. Die dabei erzeugten Gravitationswellen zu
verstehen, stellt eine große Herausforderung für herkömmliche
Datenanalyse-Methoden dar. Diese Signale umfassen bei derzeitigen Detektoren
einige Minuten und bei zukünftigen Observatorien möglicherweise Stunden bis Tage
an Daten. Die Analyse solch umfangreicher Datensätze ist rechenintensiv und
zeitaufwändig. Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern hat einen Algorithmus für maschinelles Lernen mit der
Bezeichnung DINGO-BNS (Deep INference for Gravitational-wave Observations from
Binary Neutron Stars) entwickelt. Er spart kostbare Zeit bei der Interpretation
von Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne
entstehen. Die Forschenden trainierten ein neuronales Netz, um Systeme
verschmelzender Neutronensterne in rund einer Sekunde vollständig zu
charakterisieren. Die schnellsten herkömmlichen Methoden benötigen dafür etwa
eine Stunde.
Bei der Verschmelzung von Neutronensternen werden neben den
Gravitationswellen auch sichtbares Licht (bei der anschließenden Kilonova-Explosion)
und weitere elektromagnetische Strahlung ausgesandt. "Eine schnelle und genaue
Analyse der Gravitationswellen-Daten ist entscheidend, um die Quelle zu
lokalisieren und Teleskope so schnell wie möglich auszurichten, um alle
zugehörigen Begleitsignale zu beobachten", sagt Maximilian Dax, Doktorand in der
Abteilung Empirische Inferenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme
(MPI-IS). Die Echtzeit-Methode könnte einen neuen Standard für die Datenanalyse
von Neutronenstern-Verschmelzungen setzen und der Astronomie mehr Zeit geben,
ihre Teleskope auf die verschmelzenden Neutronensterne auszurichten, sobald die
großen Detektoren der LIGO-Virgo-KAGRA (LVK)-Kollaboration diese Signale
aufspüren.
"Die Algorithmen zur Echtzeit-Analyse, die die LVK-Kollaboration derzeit
verwendet, verwenden Näherungen, die auf Kosten der Genauigkeit gehen. Unsere
neue Studie behebt diese Schwächen", sagt Jonathan Gair, Gruppenleiter in der
Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik im Potsdam Science Park. Ganz ohne
solche Näherungsverfahren charakterisiert die maschinelle Lernmethode
Verschmelzungen von Neutronensternen (z. B. ihre Masse, ihre Rotation und ihre
Position) in nur einer Sekunde vollständig. Dies ermöglicht es unter anderem,
die Position am Himmel um 30 Prozent genauer zu bestimmen. Weil das neuronale
Netz so schnell und genau arbeitet, kann es wichtige Informationen für
gemeinsame Beobachtungen von Gravitationswellen-Detektoren und anderen
Teleskopen liefern. Es kann helfen, nach sichtbarem Licht und anderen
elektromagnetischen Signalen zu suchen, die bei der Verschmelzung entstehen.
"DINGO-BNS soll uns dabei helfen, die kostbare Beobachtungszeit der Teleskope
bestmöglich zu nutzen", erklärt Nihar Gupte, Doktorand in der Abteilung
Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am Max-Planck-Institut
für Gravitationsphysik.
"Die Analyse der Gravitationswellen von Doppelneutronensternen ist besonders
anspruchsvoll, sodass wir für DINGO-BNS verschiedene technische Innovationen
entwickeln mussten. Dazu gehört zum Beispiel eine Methode zur Datenkompression,
die sich den Ereignissen anpasst", sagt Stephen Green, UKRI Future Leaders
Fellow an der Universität Nottingham. Bernhard Schölkopf, Direktor der Abteilung
Empirische Inferenz am MPI-IS, ergänzt: "Unsere Studie zeigt, wie effektiv es
ist, moderne maschinelle Lernmethoden mit physikalischem Fachwissen zu
kombinieren."
DINGO-BNS könnte eines Tages helfen, elektromagnetische Signale vor und zum
Zeitpunkt der Kollision zweier Neutronensterne zu beobachten. "Solche frühen
Multi-Messenger-Beobachtungen könnten neue Erkenntnisse über den
Verschmelzungsprozess und die anschließende Kilonova liefern, die immer noch
nicht vollständig verstanden sind", sagt Alessandra Buonanno, Direktorin der
Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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