Monophosphan als Hinweis auf Leben?
von
Stefan Deiters astronews.com
14. September 2020
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA in Chile und des
James-Clerk-Maxwell-Teleskops auf Hawaii wurden Spuren von Monophosphan in der
Atmosphäre unseres Nachbarplaneten Venus nachgewiesen. Auf der Erde wird dieses
Molekül nur künstlich hergestellt oder von Mikroben erzeugt. Ist seine Existenz
also ein Hinweis auf Leben in der Venusatmosphäre?
In der Atmosphäre der Venus wurden das Molekül Monophosphan
entdeckt - ein Hinweis auf Leben in den Wolkenschichten?
Bild: ESO / M. Kornmesser / L. Calçada & NASA / JPL /
Caltech [Großansicht] |
Lange Zeit galt unser Nachbarplanet Mars als wahrscheinlichster Ort für die
Existenz von einfachen Lebensformen. Inzwischen hat er hier starke Konkurrenz
von einigen Monden um Jupiter und Saturn bekommen. Unser sonnennäherer Nachbar
Venus wird in Sachen Leben weit seltener genannt, was vermutlich an den auf
den ersten Blick recht lebensfeindlichen Bedingungen auf der Oberfläche des
Planeten liegen dürfte. Hier hat der extreme Treibhauseffekt nämlich für
Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius gesorgt, was uns vertrautes
Leben praktisch unmöglich macht.
Doch schon seit längerer Zeit spekulieren manche Astrobiologen über die
Möglichkeit von Leben in den Wolken der Venusatmosphäre. Insbesondere gibt es hier
Schichten, in denen die Umweltbedingungen etwas weniger lebensfeindlich sind
als auf der Oberfläche. Und genau hier hat ein Team von
Astronominnen und Astronomen nun das Molekül Monophosphan nachgewiesen. Es wird
auf der Erde industriell erzeugt und beispielsweise zur Schädlingsbekämpfung
eingesetzt, kann aber auch durch bestimmte Mikroben freigesetzt werden.
Das Team fand erste Spuren von Monophosphan bei Beobachtungen mit dem
James-Clerk-Maxwell-Teleskop auf Hawaii und hat dann weitere Beobachtungen mit
45 Teleskopen des Teleskopverbunds ALMA in der chilenischen Atacamawüste
durchgeführt, die den Nachweis bestätigten. Beide Beobachtungen fanden im
Wellenlängenbereich von etwa einem Millimeter statt, also nicht im sichtbaren
Bereich des elektromagnetischen Spektrums.
"Wir haben die Beobachtungen zunächst aus reiner Neugierde gemacht, die
Möglichkeiten des James-Clerk-Maxwell-Teleskops genutzt und über künftige
Instrumente nachgedacht", erinnert sich Professor Jane Greaves von der Cardiff
University an die Geschichte der Entdeckung. "Ich dachte mir, will wollen erst
einmal extreme Szenarien ausschließen, also etwa, dass die gesamten Venuswolken
voller Organismen sind. Als wir dann die ersten Hinweise auf Monophosphan im
Spektrum der Venus sahen, war das ein Schock."
Das Team machte sich dann daran, herauszufinden, woher das Monophosphan
kommen könnte: Natürliche Quellen, so ergaben Modellrechnungen, können nur für
einen winzigen Bruchteil der Mengen des Moleküls verantwortlich sein, die man
mit beiden Teleskopen gesehen hatte. So blieb als letzte möglich Erklärung die
Existenz von Mikroben in den Wolken der Venus, die diese Verbindung produzieren.
Allerdings birgt auch diese Erklärung noch jede Menge Probleme, müssten diese Lebensformen doch unter
immer noch extremen Umweltbedingungen existieren und sich vermehren können. Wie
genau dies funktionieren kann, ist bislang nicht geklärt.
Und auch an die Schlussfolgerung, dass nicht-biologische Prozesse die
Existenz von Monophosphan in den beobachteten Mengen nicht erzeugen können, ist
mit Vorsicht zu genießen: Man weiß nämlich bislang relativ wenig über die genaue
Zusammensetzung und die Prozesse in der Venusatmosphäre, um ausreichend sicher
sein zu können, dass die aktuellen Modellrechnungen hier tatsächlich die korrekten
Antworten liefern.
Darauf weißt auch das Team aus Astronominnen und Astronomen hin: Die
Entdeckung von Monophosphan sei, wenn sie sich weiter bestätigen sollte, kein
sicherer Beweis für Leben, sondern lediglich für ungewöhnliche und bislang
unerklärte chemische Vorgänge in der Venusatmosphäre. Die Idee von Leben in den
Wolken der Venus hätte, so das Team, noch gravierende konzeptionelle Probleme.
So handelt es sich bei der heute präsentierten Entdeckung zwar nicht um die
wissenschaftliche Sensation, von der mancherorts schon zu lesen war, aber doch
um einen wissenschaftlich spannenden Fund, der zeigt, wie wenig wir noch über
unseren Nachbarn im All wissen.
Über ihre Entdeckung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
Nature Astronomy erschienen ist.
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