Mithilfe von Bettruhestudien wird versucht, den Einfluss von
Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper zu untersuchen - und dies unter
streng kontrollierten klinischen Bedingungen. Die Probanden müssen dazu mehrere
Wochen im Liegen verbringen. Die Resultate helfen nicht nur der
Raumfahrtmedizin, sondern können auch für irdische Patienten von Bedeutung sein.
Wie wirkt sich Bettlägerigkeit auf den Knorpel der Gelenke aus? Ein
interdisziplinäres Forschungsteam um Privatdozentin Dr. Dr. Anna-Maria
Liphardt vom Uniklinikum Erlangen hat durch die Teilnahme an einer von der
europäischen Raumfahrtorganisation ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt DLR geförderten Bettruhestudie dazu neue Erkenntnisse
gewonnen. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass eine Bettruhe mit einer
Dauer von 21 Tagen zum Abbau von Typ-II-Kollagen, einem wichtigen
Knorpelbestandteil, führen kann. Allerdings ist noch nicht klar, wie der
übermäßige Abbau von Typ-II-Kollagen die Funktion dieses Gewebes
beeinflusst.
Bettruhestudien sind ein wichtiges Instrument nicht nur für die
Raumfahrtforschung und die Frage, wie der Zustand der Schwerelosigkeit die
Gesundheit beeinflusst, sondern geben zum Beispiel auch Aufschluss darüber,
welche Auswirkungen körperliche Inaktivität auf den Zustand von Menschen mit
einer Erkrankung des Bewegungsapparats haben kann. Die Erkenntnisse aus
solchen Studien können zur Entwicklung von Behandlungen beitragen, die einer
Degeneration des Bewegungsapparats vorbeugen.
Die Forschungsgruppe um Liphardt, Arbeitsgruppenleiterin am Lehrstuhl für
Innere Medizin III, untersuchte in einer Cross-over-Studie mit zwölf
gesunden männlichen Probanden, wie sich die Konzentrationen von Markern für
Typ-II-Kollagen im Blut und die Ausscheidung dieses wichtigen
Strukturbestandteils des Knorpels durch den Urin während einer 21-tägigen
Bettruhe veränderte. Zunächst wurden die Daten der Teilnehmer während einer
Dauer von sechs Tagen vor der Bettruhe ermittelt, in der sie ganz normal
aktiv waren. Daran schlossen sich 21 Tage strikte Bettruhe an, mit einer um
sechs Grad gesenkten Kopfseite des Bettes. Nur fürs Essen und aus
Hygienegründen durften die Teilnehmer diese Position kurzzeitig leicht
verändern. Nach der Bettruhe wurden sie sechs Tage lang weiter überwacht,
während sie zu normaler Aktivität zurückkehrten. Während der drei
unterschiedlichen Studien-Kampagnen mit 21-tägiger Bettruhe erhielten die
Teilnehmer entweder keine weitere Intervention, ein sogenanntes resistives
Vibrationstraining über ein horizontales Vibrationstrainingsgerät oder
resistives Vibrationstraining in Kombination mit einer Nahrungsergänzung in
Form von Molkenprotein und Bikarbonat.
Schon nach wenigen Tagen Bettruhe stiegen die Konzentrationen der Marker
für den Abbau von Typ-II-Kollagen im Blut an. Das Gleiche galt für die
Ausscheidung von Typ-II-Kollagen über den Urin. Einige der Marker blieben
auch noch in den sechs Tagen nach der Bettruhe im Vergleich zum Ausgangswert
erhöht. Nahrungsergänzung und Vibrationstraining wirkten dem Abbau von
Typ-II-Kollagen nur minimal entgegen. Die Forschenden schließen daraus, dass
die Nichtnutzung des Bewegungsapparats – egal, ob durch Erkrankung oder
Verletzung – vermutlich zu einer Veränderung des Gleichgewichts im
Gelenkknorpelstoffwechsel führt. Dies könnte möglicherweise die
Belastungsfähigkeit des Knorpels verringern.
"Weitere Studien", erklärt Liphardt, "sollten daher die näheren
Auswirkungen auf den Knorpel im Blick haben und Gegenmaßnahmen entwickeln,
damit Patientinnen und Patienten bei längerer Inaktivität, zum Beispiel
durch wiederkehrende Krankenhausaufenthalte, keine weiteren Schäden
davontragen." Das FAU-Forschungsteam will diese Fragen im Rahmen einer
60-tägigen Bettruhestudie der ESA mit einer Besatzung der Internationalen
Raumstation ISS in Toulouse gemeinsam mit Prof. Dr. Anja Niehoff von der
Deutschen Sporthochschule Köln und internationalen Kooperationspartnern,
weiter untersuchen. Die Studie wird vom Institut für Raumfahrtmedizin und
Physiologie (MEDES) durchgeführt.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift
Osteoarthritis and Cartilage veröffentlicht.