Studien zu den Folgen von Schwerelosigkeit auf den menschlichen
Körper haben angesichts der immer größer werdenden Internationalen
Raumstation ISS Hochkonjunktur. Jetzt startete auch die europäische
Weltraumagentur ESA in Toulouse eine entsprechende Versuchsreihe, bei der
die Probanden 90 Tage strenge Bettruhe einhalten müssen.
In Toulouse soll durch Bettruhe die Auswirkungen der
Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper simuliert
werden.
Foto: ESA / CNES/ MEDES, A.L.Huet |
Lange Aufenthalte in einer schwerelosen Umgebung gehen am menschlichen
Körper nicht spurlos vorüber - so wurden bei Astronauten, die an
Langzeitraumflügen teilgenommen haben, Anzeichen von Knochen- und
Muskelschwund festgestellt. Um den Anforderungen langer Einsätze auf der
Internationalen Raumstation gerecht zu werden, bemüht sich die Europäische
Weltraumorganisation in Zusammenarbeit mit der französischen
Raumfahrtagentur CNES und der japanischen NASDA, in einer
präventivmedizinischen Bodensimulation unter Verwendung des
Bettruhemodells geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Die Untersuchung gliedert sich in zwei Abschnitte von je vier Monaten,
wovon der erste im August dieses Jahres begonnen hat und der zweite im
Februar nächsten Jahres beginnt. In beiden Abschnitten sollen vierzehn
Versuchspersonen jeweils drei Monate lang das Bett hüten, damit genügend
wissenschaftliche Daten gesammelt werden können. Die Gesamtdauer jeder
Versuchskampagne beträgt 120 Tage: 90 Tage strenge Bettruhe mit dem Kopf
in -6° Tieflage, denen 15 Tage Vorbereitungszeit vorausgehen und 15 Tage
Erholung folgen. Frühere Studien, in denen die Kopflage gezielt zwischen 0
und -15° verändert wurde, haben gezeigt, dass eine Tieflage von -6° sich
am besten zur Simulation der Schwerelosigkeit im Weltraum eignet.
Die geplante Untersuchung ist die erste Langzeit-Bettruhestudie dieser
Komplexität und Dauer, die in Europa durchgeführt wird. Ihr Hauptziel
besteht darin, die bei langen Raumflügen auftretenden typischen
Veränderungen in Muskeln und Knochen zu ermitteln und Methoden zu
erproben, um diesen Veränderungen entgegenzuwirken. Weitere Experimente
sollen die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und auf die
Regulierung der Urinerzeugung, das psychologische Verhalten und
Veränderungen des Schlaf-Wach-Zyklus untersuchen. Im übrigen soll die
Studie allgemein zur Verbesserung der Pflege von Patienten mit Muskel- und
Knochenschwund bewirkenden Krankheiten beitragen.
Die Experimente wurden von europäischen Wissenschaftlern auf eine
Bekanntmachung der ESA hin sowie von NASDA-Wissenschaftlern für
knochenphysiologische Forschung vorgeschlagen. Ein Dutzend
wissenschaftliche Gruppen mit insgesamt rund 80 Forschern sind an den
Experimenten beteiligt. Während der Studie müssen sich die Testpersonen
zahlreichen Untersuchungen wie Belastungstests, Messungen der
Knochendichte und Magnetresonanzaufnahmen unterziehen. Ferner werden
Analysen und Muskelbiopsien sowie umfassende biochemische Analysen
biologischer Proben durchgeführt.
In ihrer Freizeit können die Testpersonen lesen, Spiele machen, fernsehen
und Computer benutzen. Die Mahlzeiten werden im Bett serviert, doch dürfen
die Testpersonen den Oberkörper nicht aufrichten. Sie können mit ihren
Familienangehörigen telefonieren, haben während der drei Monate sonst aber
sehr wenig Kontakt mit der Außenwelt. Der Verlauf der Untersuchung kann im
Internet verfolgt werden.
Im Anschluss an die Studie werden die Testpersonen nach 45 Tagen, drei
Monaten, sechs Monaten und einem Jahr gezielten ärztlichen
Kontrolluntersuchungen unterzogen und müssen nach drei Jahren einen
abschließenden Fragebogen beantworten. Ein Team aus medizinischen und
psychologischen Sachverständigen des französischen Instituts für
Raumfahrtmedizin und -physiologie (MEDES) wählte die Kandidaten in der
ersten Hälfte dieses Jahres aus und ist mit der Durchführung der Studie
betraut. Das in Toulouse ansässige Institut hat über zehn Jahre Erfahrung
in der Abwicklung von Bettruheexperimenten. Seit 1996 haben Mitarbeiter
der "Raumfahrtklinik" an sechs verschiedenen Bettruhestudien teilgenommen.
Da die Studie möglichst einheitlich sein soll, wurden nur männliche
Kandidaten im Alter von 25 bis 45 Jahren ausgewählt. Die aus insgesamt 450
Bewerbern letztlich ausgewählten vierzehn Versuchspersonen sind zwischen
29 und 41 Jahre alt und alle französische Staatsangehörige. Unter ihnen
sind sowohl Geschichts- und Erdkundelehrern als auch Bauunternehmer,
Psychiater, Briefträger, Gärtner und Buchhalter.
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MEDES, The French Institute
for Space Medicine and Physiology
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