Materie wie kurz nach dem Urknall?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften astronews.com
30. Januar 2019
Wie sah die Materie unmittelbar nach dem Urknall aus und
welche Bedingungen herrschen im Inneren von Neutronensternen? Einem
internationalen Team könnte nun im japanischen Teilchenbeschleunigerzentrum
J-PARC ein wichtiger Schritt hin zu einer Antwort gelungen sein: Sie wiesen
erstmals eine neue Form von Materie mit Anti-Kaonen nach.
Grafische Visualisierung der neuen
Materieform, die aus einem Helium-3-Isotop mit
zwei Protonen (blau) und einem Neutron (grün)
entstanden ist.
Bild: ÖAW/Harald Ritsch [Großansicht] |
Weltweit erforschen Physikerinnen und Physiker mit Teilchenbeschleunigern,
wie kurz nach dem Urknall vor geschätzten 13,8 Milliarden Jahren Materie
entstanden ist. Einer internationalen Forschungsgruppe an einem Beschleuniger
des Japan Proton Accelerator Research Complex nahe Tokio ist es nun zum
ersten Mal gelungen, eine neue Form von äußerst dichter Kernmaterie mit
sogenannten Anti-Kaonen zu erzeugen. An dem erfolgreichen Experiment waren auch
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Stefan-Meyer-Institut für
subatomare Physik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
maßgeblich beteiligt.
Als Ausgangsmaterial des Experiments diente ein Helium-3-Isotop, das aus zwei
Protonen und einem Neutron besteht. Durch Beschuss des Isotops mit negativ
geladenen Kaonen wurde das Neutron herausgeschleudert. Das überraschende
Ergebnis: Das Anti-Kaon, ein sehr kurzlebiges Teilchen, konnte den Platz des
Neutrons einnehmen. Der auf diese Weise neu entstandene Kerncluster verfügte
aber nicht nur über eine enorme Bindungsenergie, er erwies sich auch als weitaus
stabiler als von den Forscherinnen und Forschern erwartet.
"Das Besondere ist, dass wir nachweisen konnten, dass ein Anti-Kaon
tatsächlich im Kern als eigenständiger Kernbaustein existieren kann. Auf diese
Weise können wir Kernmaterie mit hoher Dichte erzeugen", sagt Johann Zmeskal,
Vizedirektor des Stefan-Meyer-Instituts der ÖAW, der an den Untersuchungen
beteiligt war. "Wenn wir das Experiment erfolgreich mit höherer Präzision
wiederholen können und dies auch mit schwereren Kernen als Helium schaffen, wäre
das ein enormer Durchbruch – dann könnten wir extrem dichte Kernmaterie unter
Laborbedingungen und bei normaler Temperatur herstellen."
Das Team hofft, dass das Verständnis dieser Materie neue Antworten auf
grundlegende Fragen der modernen Physik eröffnet, wie etwa dem Zustandekommen
der Masse des sichtbaren Universums. Auch das Wissen über den Aufbau der extrem
dichten Neutronensterne, von denen es allein in der Milchstraße über hundert
Millionen gibt, könnte dadurch weiter verbessert werden.
Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachjournal Physics Letters B.
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