Erste Aussaat in der Antarktis
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
22. Februar 2018
In einem autarken Gewächshaus in der Antarktis soll Gemüse
für die deutsche Antarktis-Station Neumayer III gezüchtet werden. Denn wenn dies
hier, im ewigen Eis und fern jeder Zivilisation, gelingt, könnte es auch im
Weltraum und auf anderen Planeten oder dem Mond funktionieren. Jetzt wurden die
ersten Keimlinge im EDEN-ISS-Labor gesetzt. Die Überwinterung hat begonnen.
Das aufgebaute DLR-Gewächshaus EDEN ISS steht
rund 400 Meter von der Neumayer-Station entfernt.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Ab jetzt wird es ernst: Das EDEN ISS-Labor in der Antarktis ist aufgebaut,
die ersten Keimlinge werden in die Wachstumsschränke gesetzt, und der Großteil
des Teams des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist nach acht
Wochen wieder zurück nach Deutschland gereist. Für DLR-Wissenschaftler Paul
Zabel, der als Einziger des EDEN ISS-Teams bis Ende 2018 in der Antarktis
bleiben wird, bedeutet dies: Die Überwinterung in der Neumayer-Station III des
Alfred-Wegener-Instituts (AWI) beginnt.
Den Anfang der ersten selbstgezüchteten Pflanzen am südlichen Ende der Welt
werden Gurken, Tomaten und Paprika machen. "Unser Ziel ist es dabei auch, dass
es in den nächsten Monaten immer wieder etwas zu ernten gibt", erläutert
DLR-Projektleiter Daniel Schubert. Mit den Erträgen soll schließlich der
Speiseplan der zehnköpfigen Überwinterungscrew aufgefrischt werden.
Die letzten Wochen waren anstrengend für die Wissenschaftler und Ingenieure,
die aus den angelieferten Containerteilen ein funktionierendes Gewächshaus für
das ewige Eis der Antarktis montierten. Minus fünf bis minus 10 Grad Celsius und
dazu ein ordentlicher Wind machten das Arbeiten deutlich anstrengender als im
heimischen Bremen, wo das EDEN ISS-Labor zum ersten Mal getestet wurde. Und
diese Temperaturen werden in den nächsten Wochen noch deutlich sinken. Neben den
widrigen Wetterbedingungen rückt aber auch der isolierte Standort, der eine
Anlieferung von frischen Nahrungsmitteln unmöglich macht, das Szenario in die
Nähe beispielsweise einer Mission zum Mars.
Mit Paul Zabel werden gerade einmal neun Überwinterer in den nächsten Monaten
in der Antarktisstation leben - auch bei einer Weltraum-Mission wäre das Team
ähnlich klein. "Aber das ist genau das, was wir testen wollten - wir wollen mit
unserem Labor ja unter realistischen Umweltbedingungen in so einer Umgebung
unter anderem Weltraumtomaten und Salat produzieren", sagt Schubert vom
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.
Neben Tomaten, Gurken und Erdbeeren pflanzen die Wissenschaftler Blattsalate,
Rucola, Radieschen, Paprika, Basilikum, Schnittlauch, Petersilie,
Zitronenmelisse und Minze an. Dabei werden die Pflanzen mit künstlichem Licht
bestrahlt. Statt Erde, die beispielsweise bei einer Langzeitmission in einem
Raumschiff nichts zu suchen hätte, kräftigt eine Nährlösung die gezüchteten
Gemüse und Kräuter. Das Wasser in diesem geschlossenen Lebenserhaltungssystem
wird recycelt - und verlässt den Container nur in den geernteten Lebensmitteln.
"Alle Subsysteme wie Licht, Bewässerung, Luftumwälzsystem und Kameras sind
getestet und funktionieren einwandfrei". Die harsche Umgebung, in der das
Gewächshaus steht, hat aber auch einige Probleme verursacht: So mussten die
Forscher nach einer Lösung suchen, als sich in ihren Containern Kondenswasser
niederschlug. "Es macht halt einen Unterschied, ob der Container in der Stadt
steht oder in der Antarktis", betont Schubert. Alleine der Aufbau war aufwendig.
Fehlte beispielsweise ein Werkzeug, ging es 400 Meter weit zurück zur
Neumayer-Station. All dies sorgte nicht nur für eine anstrengende Zeit für die
Mannschaft des DLR - sondern bringt vor allem viele Erfahrungen, die für eine
spätere Mission in den Weltraum notwendig sind.
Abends, sagt Schubert, fühle man sich schon sehr erschöpft. Die Arbeit am
Labor, die extrem trockene und eisige Luft der Antarktis, das Leben auf engem
Raum in der Station mit insgesamt 50 Wissenschaftlern und Stationsmitgliedern,
die Vier-Bett-Zimmer mit Gemeinschaftsbad auf dem Gang - daran mussten sich die
DLR-Forscher erst einmal gewöhnen. Zurzeit kratzt die Sonne nur kurz den
Horizont, bevor sie nach einer Stunde Abendröte wieder aufgeht. "Das Zeitgefühl
geht verloren, die Wochentage erkennen wir am besten am Mittagessen", sagt
Ingenieur Schubert. "Freitags gibt es Fisch, montags ist Pizza-Tag." Immer
wieder erhalten die Wissenschaftler auch Besuch von Pinguinen, die sich
neugierig an die Container heranwagen und die Arbeiten beobachten.
Bevor Paul Zabel als "Gärtner" mit dem Gewächshaus zurückblieb, standen noch
einige Trainingskurse und letzte Instruktionen für ihn an: Wie laufen die
verschiedenen Subsysteme? Welche Pflanze benötigt welche Pflege? Nun ist er in
der Antarktis alleine verantwortlich für die Gemüsezucht: "Es ist spannend, sich
dieser Herausforderung zu stellen", sagt Zabel. "Mir geht es ähnlich, wie es
später wohl auch einmal Astronauten auf anderen Planeten gehen wird: Ich werde
viel an Zuhause denken. Zumindest habe ich aber hier in der Antarktis im
Gewächshaus etwas Grünes vor Augen. Etwas Wehmut, dass ich für Monate Familie
und Freunde nicht sehen kann, ist natürlich auch dabei."
Das übrige Team bleibt aber immerhin über ein Videosystem und Telefon mit ihm
in Kontakt. Während in der Antarktis unter Paul Zabels Obhut jetzt die ersten
Pflanzen wachsen, gucken die DLR-Kollegen aus dem Bremer Missionskontrollzentrum
zu. Von dort werden beteiligte Forscher live dabei sein und den Überwinterer vor
Ort unterstützen.
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