Neuer Entfernungsrekord für Quasare
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
7. Dezember 2017
Astronomen haben den entferntesten bekannten Quasar
entdeckt: Sein Licht benötigt mehr als 13
Milliarden Jahre, um uns zu erreichen. Wir sehen den Quasar somit zu einer
Zeit, in der der Urknall weniger als 700 Millionen Jahre zurücklag. Die
Entdeckung liefert wichtige Informationen über diese Epoche und ist gleichzeitig
eine Herausforderung für aktuelle Modelle der
Galaxienentwicklung.
Schematische Darstellung jenes Blicks in die
kosmische Geschichte, den die Entdeckung des
fernsten bisher bekannten Quasars ermöglicht. Die
Beobachtung mit einem der Magellan-Teleskope
(unten links) erlaubt es uns, Informationen über
die sogenannte Reionisierungsepoche ("Blasen"
oben rechts) zu gewinnen, die auf die
Urknallphase folgte.
Bild: Carnegie Institution for Science [Großansicht] |
Astronomen haben das fernste Schwarze Loch entdeckt, das wir kennen:
einen Quasar, dessen Licht 13 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu
erreichen. Entsprechend zeigt uns dieses Licht den Quasar, wie er vor 13
Milliarden Jahren aussah, nur 690 Millionen Jahre nach dem Urknall. Die
Entdeckung war das Ergebnis einer systematischen, mehrjährigen Suche nach fernen
Quasaren unter der Leitung von Fabian Walter und Bram Venemans vom
Max-Planck-Institut für Astronomie.
Der neue Rekordhalter wurde von Eduardo Bañados von der Carnegie
Institution for Science mit den 6,5-Meter-Magellan-Teleskopen der
Institution in Chile gefunden. Für den beachtlichen Energieausstoß eines Quasars
ist jeweils das supermassereiche zentrale Schwarze Loch der betreffenden Galaxie
verantwortlich – in diesem Fall ein Schwarzes Loch mit fast einer Milliarde Mal
der Masse der Sonne. Gas, welches auf das Schwarze Loch zu fällt, bildet vor dem
Hineinfallen eine ultraheiße Akkretionsscheibe. Diese heiße Scheibe macht die
Anordnung zu einem der hellsten Objekte im Universum: zu einem Quasar. Der jetzt
neu entdeckte Quasar leuchtet so hell wie 40 Billionen Sonnen.
Ferne Quasare liefern wertvolle Informationen über das frühe Universum. Zum
einen können sie dazu verwendet werden, das Universum über große Entfernungen
regelrecht zu durchleuchten: Das Spektrum des Quasar-Lichts enthält
Informationen über die Wasserstoffatome, denen das Licht auf seiner Milliarden
Jahre währenden Reise begegnet ist. Das Licht des neu entdeckten entferntesten
Quasars enthält sogar Informationen über eine der frühesten Phasen des
Universums, die sogenannte Reionisierungsphase.
Etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall hatte sich das Universum ausreichend
abgekühlt, um Wasserstoffatome zu bilden. Einige hundert Millionen Jahre später
reionisierten die Ultraviolett-Strahlung der ersten Sterne und der
Akkretionsscheiben der ersten Schwarzen Löcher fast den gesamten Wasserstoff im
Universum (trennten also die jeweiligen Elektronen von den Wasserstoffkernen,
den Protonen). Wann und wie die Reionisierung im Einzelnen stattfand ist eine
offene Frage der Forschung. "Die Reionisierung war der letzte große
Phasenübergang des Universums und zeigt uns auch die Grenzen unseres
astrophysikalischen Wissens auf," erklärt Bañados.
Der neu entdeckte Quasar liefert zur Reionisierung einen entscheidenden neuen
Datenpunkt: Sein Licht zeigt, dass ein beachtlicher Anteil des Wasserstoffs 690
Millionen Jahre nach dem Urknall noch neutral, also noch nicht ionisiert war.
Das spricht für Modelle, denen zufolge die Reionisierung erst relativ spät in
der Geschichte des Universums stattgefunden hat. Quasare, die so jung sind wie
der jetzt entdeckte, liefern außerdem wertvolle Informationen über die
Entwicklung von Galaxien. Mit fast einer Milliarde Sonnenmassen ist das zentrale
Schwarze Loch dieses Quasars bereits sehr massereich.
Die Erklärung, wie sich solch ein massives Schwarzes Loch in so kurzer Zeit
gebildet haben könnte, stellt die herkömmlichen Modelle für die Entstehung und
Entwicklung supermassiver Schwarzen Löcher vor eine Herausforderung – und
schließt einige dieser Modelle bereits aus. "Wie das Schwarze Loch innerhalb von
weniger als 690 Millionen Jahren eine so große Masse ansammeln konnte, stellt
für die Theorien zum Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher eine enorme
Herausforderung dar," so Bañados.
Unter der Leitung von Bram Venemans vom MPIA beobachteten die Astronomen den
Quasar außerdem mit dem Millimeter-Teleskop NOEMA, das in den französischen
Alpen vom Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) betrieben wird, sowie
mit dem VLA-Radioteleskop-Array in Socorro im US-Bundesstaat New Mexico. So
konnten die Astronomen die Wirtsgalaxie des Quasars identifizieren und
untersuchen. Obwohl diese Galaxie ebenfalls nicht älter als 690 Millionen Jahre
sein kann, hat sie bereits eine enorme Menge an Staub und schweren chemischen
Elementen gebildet. Daraus folgt direkt, dass sie auch bereits eine große Anzahl
von Sternen gebildet haben muss.
Eine weitere Herausforderung für Modelle, diesmal für Modelle der
Galaxienentwicklung. "Modelle der Galaxienentwicklung müssen jetzt
erklären, wie diese Galaxie in derart kurzer Zeit so viele Sterne bilden konnte,
wie uns die beobachteten Mengen an Staub und schwereren chemischen Elementen
anzeigen," so Venemans.
Über die Beobachtungen berichten die Wissenschaftler
in Fachartikeln, die in den Zeitschriften Nature und Astrophysical
Journal Letters erschienen sind.
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