Neuer Entfernungsrekord
von Stefan Deiters astronews.com
30. Juni 2011
Ein Team europäischer Astronomen hat in mühsamer Arbeit und
mithilfe mehrerer Teleskope einen neuen Quasar in Rekordentfernung entdeckt und
untersucht. Es handelt sich um das mit Abstand hellste bislang aufgespürte
Objekt im jungen Universum. Im Inneren des Quasars verbirgt sich ein
supermassereiches Schwarzes Loch mit der zweimilliardenfachen Masse unserer
Sonne.

So stellt sich ein Künstler den Quasar ULAS
J1120+0641 vor. Ein wirkliche Aufnahme des
Quasars heute als unser
Bild des Tages.
Bild: ESO / M. Kornmesser |
Quasare sind helle, weit entfernte Objekte, bei denen es sich nach
Ansicht der Astronomen um die hellen Zentren von Galaxien handelt, in deren
Inneren sich ein supermassereiches aktives Schwarzes Loch verbirgt. Dank ihrer
Helligkeit lassen sie sich auch noch in extremen Entfernungen aufspüren. Da dann
aber ausschließlich das helle Zentrum zu erkennen ist und nicht mehr die
restliche Galaxie, erscheinen sie am Himmel punktförmig wie ein Stern und haben
daher die Bezeichnung "quasistellare Objekte", kurz Quasare, erhalten. Die
Analyse des Lichts des jetzt in Rekordentfernung aufgespürten Quasars könnte den
Astronomen etwas über eine frühe Phase unseres Universums verraten. Über ihre
Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in der heute erscheinenden Ausgabe
des Magazins Nature.
"Dieser Quasar liefert wichtige Hinweise über das frühe Universum", so
Stephan Warren vom Imperial College in London, der Leiter der
Untersuchung. "Es ist ein sehr seltenes Objekt. Sein Studium wird uns ein
besseres Verständnis darüber erlauben, wie supermassereiche Schwarze Löcher
einige Hundertmillionen Jahre nach dem Urknall gewachsen sind." Die
Neuentdeckung trägt den Namen ULAS J1120+0641. Wir sehen sie zu einer Zeit, in
der das Universum gerade einmal 770 Millionen Jahre alt war. Das Licht des
Quasars benötigte 12,9 Milliarden Jahre, um uns zu erreichen.
Zwar haben Astronomen schon weiter entfernte Objekte entdeckt, doch hatten
diese mit Abstand nicht die Helligkeit des jetzt aufgespürten Quasars. Das
bislang entfernteste vergleichbare Objekt ist so weit entfernt, dass wir es zu
einer Zeit sehen, in der das Universum 870 Millionen Jahre alt war. Ab diesen
Entfernungen lassen sich Objekte allerdings nicht mehr im sichtbaren Bereich des
Lichts aufspüren, da sich die Wellenlänge ihres Lichts durch die Expansion des
Weltalls überwiegend ins Infrarote verschoben hat. Im Rahmen einer speziellen
Himmelsdurchmusterung, die das United Kingdom Infrared Telescope auf
Hawaii nutzt, wird nach solchen entfernten Objekten gesucht.
Nach der Durchsicht von vielen Millionen Objekten stießen die Astronomen
schließlich auf einen vielversprechenden Kandidaten: "Es hat fünf Jahre
gedauert, dieses Objekt zu finden", erläutert Teammitglied Bram Venemans von der
Europäischen Südsternwarte (ESO). Dabei suchten die Astronomen nach Quasaren,
die etwas weiter entfernt waren, als der bisherige Rekordhalter. Einen so
deutlich entfernteren Quasar aufzuspüren, war allerdings für sie eine
"aufregende Überraschung". Die Untersuchung dieses Quasars gewährt den
Astronomen einen Einblick in eine als Reionisations-Ära bezeichnete Phase in der
Entwicklung des Universums. "Er bietet eine einmalige Möglichkeit, ein etwa 100
Millionen Jahre großes Fenster in der Geschichte des Universum zu untersuchen,
das wir bislang nicht erreichen konnten."
Die Entfernung des Quasars ermittelten das Team mit Hilfe des Instrumentes
FORS2 am Very Large Telescope (VLT) der ESO und Instrumenten am
Teleskop Gemini North auf Hawaii. Aus der Auswertung des Spektrums des
Quasars konnten sie zahlreiche Informationen über das entfernte Objekt ableiten:
So dürfte dessen zentrales supermassereiches Schwarzes Loch die etwa
zweimilliardenfache Masse unserer Sonne haben - eine für das junge Universum
ungewöhnlich hohe Masse. Bislang waren die Forscher davon ausgegangen, dass die
Masse der Schwarzen Löcher im Zentrum von Quasaren nur langsam wächst.
In diesem Entfernungsbereich sollte es nach Ansicht von Daniel Mortlock vom
Imperial College nur etwa 100 helle Quasare geben. "Dem Aufspüren
dieses Objektes ist eine sehr mühsame Suche vorausgegangen. Doch der Aufwand hat
sich gelohnt, da wir so mehr über die Geheimnisse des frühen Universums
erfahren."
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