RADIOASTRONOMIE
Staub im
entferntesten Quasar entdeckt
Redaktion
astronews.com
24. Juli 2003
Im bislang am weitesten entfernten Quasar J1148+5251 konnten
Astronomen jetzt eine gigantische Ansammlung von Gas und Staub nachweisen.
Vor allem der Fund von Kohlenstoff und Sauerstoff nur 850 Millionen Jahre
nach dem Urknall hat die Forscher überrascht. Die Entdeckung erlaubt einen
faszinierenden Einblick in das Endphase der "dunklen Zeitalters" des
Weltalls.
Der Quasar J1148+5251 aufgenommen mit dem
10-Meter Keck-Teleskop. Wegen seiner großen Entfernung ist das
Quasarlicht stark (um einen Faktor 7.42) zu röteren Farben
verschoben, sodass es im Vergleich zu den umliegenden (viel
näheren) Vordergrundgalaxien als ungewöhnlich roter Punkt
erscheint. Bild: S.G. Djorgovski, A. Mahabal, und M.
Bogosavljevic, Caltech |
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn
haben gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich und den USA in dem am weitesten
entfernten Quasar J1148+5251 eine gigantische Ansammlung von Gas nachgewiesen.
Die Strahlung von Kohlenmonoxid (CO) und Staub kommt aus einer Zeit, als das
Universum nur ein Sechzehntel seines heutigen Alters erreicht hatte, also etwa
850 Millionen Jahre nach dem Urknall. Diese Beobachtungen ermöglichen es,
erstmals die Bedingungen genauer zu untersuchen, unter denen sich die ersten
Sterne und massereichen Schwarzen Löcher im Universum gebildet haben. Die
Wissenschaftler berichten über die Entdeckung des Kohlenmonoxids in der heutigen
Ausgabe der Fachzeitschriften Nature und Astronomy and Astrophysics.
"Wir waren sehr überrascht, in diesem so frühen Objekt so kurz nach dem
Urknall einen so hohen Anteil an schweren Elementen zu finden," freut sich Frank
Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Da Kohlenstoff,
Sauerstoff und die Elemente, aus denen sich der kosmische Staub zusammensetzt,
erst durch Kernfusionen im Inneren der Sterne entstehen, muss die Anreicherung
des interstellaren Gases mit schweren Elementen ungewöhnlich schnell erfolgt
sein, vermutlich durch gigantische Explosionen der ersten sehr massereichen
Sterne.
Das Kohlenmonoxid-Gas (CO) wurde durch Beobachtungen am IRAM-Interferometer
auf dem Plateau de Bure in Frankreich und dem Very Large Array (VLA) in
New Mexico (USA) nachgewiesen. Die Strahlung des kosmischen Staubs war vorab mit
dem MAMBO-Wärmedetektor am 30-Meter-Radioteleskop von IRAM auf dem Pico Veleta
bei Granada/Spanien entdeckt worden (astronews.com berichtete).
Der bislang am weitesten entfernte Quasar J1148+5251 (benannt nach seinen
Himmelskoordinaten) wurde Anfang 2003 in optischen Aufnahmen des Sloan
Digital Sky Survey von Xiaohui Fan (University of Arizona) und seinen
Mitarbeitern entdeckt. Dabei handelt es sich vermutlich um eine junge Galaxie,
in deren Zentrum sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch befindet. Das
Schwarze Loch ist mehrere Milliarden mal so schwer wie unsere Sonne und strahlt
hell im sichtbaren Licht, da große Mengen heißen Gases auf es "herabfallen". Der
Quasar J1148+5251 ist eine der ersten massiven Strukturen im noch jungen
Universum und ermöglicht den Wissenschaftlern einen Blick auf die physikalischen
und chemischen Bedingungen in der Frühzeit unseres Universums.
J1148+5251 ist einer von nur fünf Quasaren, die im so genannten "Dunklen
Zeitalter" des sehr frühen Universums gefunden wurden. Der Nachweis von Staub
und molekularem Gas machen J1148+5251 zum ersten Objekt, in dem die Entstehung
von Sternen und Schwarzen Löchern in einer Schlüsselepoche des Universums
untersucht werden kann. In dieser Zeit wandelte sich das Universum aus einer
nebulösen Dunkelheit in einen Raum voller leuchtender Galaxien, Sterne und
Schwarzer Löcher. Da J1148+5152 eine intensive Quelle ultravioletter Strahlung
ist, trägt der Quasar merklich zur Re-Ionisation des Gases zwischen den Galaxien
bei. Diese Lichtung des "kosmischen Nebels" können Astronomen jetzt erstmals
direkt beobachten.
Die Entdeckung von J1148+5251 gelang seinerzeit auf Grund der optischen
Helligkeit des heißen Gases, dass auf das Schwarze Loch fällt. Der Nachweis von
molekularem Gas und Staub ermöglicht den Astronomen jetzt einen indirekten Blick
auf die weitere Umgebung des Schwarzen Lochs, also auf die umliegende Galaxie,
die jedoch selber zu schwach ist, um in optischen Aufnahmen sichtbar zu werden.
Die Kohlenmonoxid-Strahlung macht eine Abschätzung von Dichte, Temperatur und
Größe der Sternentstehungsregion um das Schwarze Loch möglich. Dort entsteht
durchschnittlich alle fünf Stunden ein neuer Stern, womit die
Sternentstehungsrate sehr viel höher ist als in jeder bisher bekannten Galaxie
im jetzigen Universum.
Obwohl CO und Staub nur ungefähr ein Prozent der Masse des überwiegend aus
Wasserstoff bestehenden Gases ausmachen, weist der relativ hohe Anteil dieser
Komponenten in J1148+5251 darauf hin, dass dort schwere Elemente sehr schnell
und effizient entstanden sein müssen. Kohlenstoff und Sauerstoff, die beiden
Bestandteile von Kohlenmonoxid, entstehen durch Kernfusionen im Inneren der
Sterne. "Vor nur zehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass sich große Massen von
Staub und schweren Elementen so schnell nach dem Urknall bilden könnten,"
erinnert sich Dr. Bertoldi. Weil diese Elemente noch nicht in der ursprünglichen
kosmischen Materie enthalten waren, müssen diese durch die allerersten Sterne,
die sich im Universum gebildet haben, erst "erbrütet" und dann mit hoher
Effizienz in das interstellare Gas "entsorgt" worden sein. Die Verbreitung
könnten die Winde der massereichen Sterne übernommen haben, aber auch gewaltige
Supernova-Explosionen, die das Leben solcher Sterne beenden. Doch dass diese
Anreicherung mit schwereren Elementen auf ein Niveau vergleichbar dem in
heutigen Galaxien so stark und so schnell geschah, erstaunt die Astronomen sehr.
Aus den aufgenommenen Spektren konnten die Forscher eine Ausdehnung dieser
Gas- und Staubansammlung von einigen tausend Lichtjahre bestimmen. "Das mag groß
klingen," erläutert Professor Karl Menten, Direktor am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie, "das ist aber immer noch zu klein, um es mit unseren Teleskopen
erkennen zu können. Diese Messung gibt uns somit eine einmalige, wenn auch
indirekte Methode, die Struktur, Dichte oder Temperatur in dieser sehr aktiven
Sternentstehungsregion zu untersuchen."
Die Forscher haben berechnet, dass dieser Gasvorrat von ca. 20 Milliarden
Sonnenmassen in J1148+5251 in weniger als 10 Millionen Jahren komplett in Sterne
umgesetzt wird, wenn die Sternentstehung in dem gleichen Tempo weitergeht. Sie
vermuten, dass weniger dichtes atomares Gas aus der größeren Umgebung auf die
Sternentstehungsregion einfällt. Sollte jedoch dieser Nachschub versiegen, würde
auch die Sternentstehung zum erliegen kommen und das Schwarze Loch würde sich
mangels Nahrung verdunkeln. "Wer weiß, was als nächstes geschieht," rätselt Dr.
Bertoldi, "wir sehen nur eine kurze Momentaufnahme des Quasars. Um Ursache und
Entwicklung der Entstehung der Sterne und Schwarzen Löcher im frühen Universum
zu verstehen, müssen wir noch mehr solche Objekte finden, um sie systematisch
miteinander vergleichen zu können."
|