Ursprung am Rand des Asteroidengürtels?
von Stefan Deiters astronews.com
4. August 2015
Mithilfe von Beobachtungen des
NASA-Infrarotweltraumteleskops WISE glauben Astronomen den Ursprung einer Gruppe
von erdnahen Asteroiden ermittelt zu haben. Die auffällig dunklen Brocken
dürften einmal Teil der Euphrosyne-Asteroidenfamilie gewesen sein. Deren
Mitglieder kreisen auf ungewöhnlichen Bahnen am Rand des Asteroidengürtels um
die Sonne.
Der Asteroid Euphrosyne. Vier
Infrarotbeobachtungen von WISE über einen
Zeitraum von etwa 24 Stunden sind hier auf einem
Bild zusammengefasst. Der Asteroid hat sich - vor
dem Hintergrund der Sterne - deutlich am Himmel
fortbewegt.
Bild: NASA /JPL-Caltech [Großansicht] |
Am Rand des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter kreist eine ganze
besondere Familie von Asteroiden um die Sonne. Sie scheinen vergleichsweise
dunkel zu sein und haben eine Bahn, die sie deutlich aus der Ebene, in der sich
die großen Planeten bewegen, herausführt. Benannt ist diese Gruppe nach dem
Asteroiden Euphrosyne, der mit einem Durchmesser von rund 260 Kilometern zu den
zehn größten Objekten im Asteroidengürtel zählt.
Früher dürfte Euphrosyne allerdings deutlich größer gewesen sein. Die Astronomen
vermuten nämlich, dass der Asteroid vor rund 700 Millionen Jahren in eine
gewaltige Kollision verwickelt war, in der die heutigen Mitglieder der
Euphrosyne-Familie entstanden sind. Es dürfte sich dabei um eine der letzten
größeren Kollisionen im Sonnensystem gehandelt haben.
Mithilfe des Weltraumteleskops Wide-field Infrared Survey Explorer
(WISE) haben Astronomen nun die Asteroidenfamilie von Euphrosyne untersucht.
WISE hatte während seiner Hauptmission ab 2009 eine umfassende Durchmusterung
des Infrarothimmels vorgenommen und wird inzwischen - unter dem Namen NEOWISE - zur
Erforschung von erdnahen Objekten - kurz NEOs, für Near-Earth Objects -
eingesetzt.
Als erdnahe Asteroiden bezeichnet man Brocken, die sich regelmäßig unserer
Heimatwelt annähern. Es handelt sich um eine vergleichsweise variable Gruppe von
Objekten, zu denen sich immer wieder neue Asteroiden hinzugesellen, die entweder
aus dem Asteroidengürtel stammen oder aus noch weiter entfernten Regionen des
Sonnensystems. Man nimmt an, dass die heutigen NEOs etwa durch Wechselwirkungen
mit den größeren Planeten auf ihre aktuelle Bahn gelenkt wurden.
Die Untersuchung ergab nun, dass es sich bei einer Gruppe von erdnahen
Asteroiden, die ungewöhnlich dunkel sind und sehr langgestreckte Bahnen
aufweisen, um ehemalige Mitglieder der Euphrosyne-Familie handeln könnte. Diese
wurden durch den Einfluss des Ringplaneten Saturn über einen Zeitraum von
einigen Millionen Jahren zu erdnahen Asteroiden abgelenkt.
"Die Euphrosynen weisen eine moderate Resonanz mit der Saturnbahn auf", erklärt
Joseph Masiero, der die Untersuchung am Jet Propulsion Laboratory der
NASA leitete. "Dadurch verändert sich allmählich die Bahn der Asteroiden und sie
werden zu NEOs. Diese spezielle Resonanz lenkt insbesondere einige der größeren
Fragmente in den erdnahen Weltraum ab."
Insgesamt haben Masiero und seine Kollegen rund 1.400 Asteroiden der
Euphrosyne-Familie untersucht. Ihre mit WISE ermittelten Eigenschaften machten
sie zu einer vielversprechenden Quelle für eine bestimmte Gruppe von sehr
dunklen NEOs.
Dabei ist die Ermittlung der Herkunft eines erdnahen Asteroiden in
der Regel alles andere als einfach: "Die meisten erdnahen Objekte kommen aus
verschiedenen Quellbereichen im inneren Asteroidengürtel. Sie vermischen sich
schnell", erklärt Masiero. "Bei den Objekten dieser Familie ist es allerdings
anders. Sie liegen in einer ganz besonderen Region. Wir können so für einige
dieser ungewöhnlich dunklen NEOs ihren vermutlichen Weg bis zur Kollision, in der
sie entstanden sind, zurückverfolgen."
Die Beobachtung und Erforschung von erdnahen Asteroiden ist alles andere als nur
eine akademische Aufgabe: Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass ein solcher
Brocken auch einmal auf Kollisionskurs mit der Erde gerät. Um einen Einschlag zu
verhindern, müssten dann möglichst frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, durch
die etwa die Bahn des Asteroiden abgelenkt wird. Aus diesem Grund ist auch eine
Erfassung möglichst aller Objekte von großer Bedeutung. Auch hier liefert WISE im
Rahmen von NEOWISE wichtige Daten.
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal.
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