Zuwachs für Asteroidenfamilien
von Stefan Deiters astronews.com
4. Juni 2013
Mithilfe von Infrarotbildern des NASA-Teleskops WISE haben
Astronomen jetzt 28 neue Asteroidenfamilien identifiziert und Tausende bislang
familienlose Asteroiden zwischen Mars und Jupiter einer Familie zuordnen können.
Da die Mitglieder einer Familie alle den gleichen Ursprung haben, verrät ihre
Erfassung auch etwas über die Entstehung und Entwicklung des Asteroidengürtels.

So stellen sich
Astronomen die Entstehung von Asteroidenfamilien
vor.
Bild: NASA / JPL-Caltech |
"NEOWISE hat Daten geliefert, die uns einen deutlich detaillierteren
Blick auf die Entwicklung von Asteroiden im Sonnensystem erlauben", erklärt
Lindley Johnson, der am NASA-Hauptquartier in Washington für das
Beobachtungsprogramm für erdnahe Asteroiden zuständig ist. "Das wird uns helfen,
erdnahe Objekte zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und zu verstehen, warum
einige auf einen Orbit gelangt sind, auf dem sie der Erde gefährlich werden
könnten."
Als erdnahe Objekte bezeichnen Astronomen Asteroiden und Kometen, die sich auf
ihrer Bahn um die Sonne der Erde auf mindestens 45 Millionen Kilometer nähern.
Viele dieser Objekte stammen aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.
Sie zogen dort ihre Bahnen um die Sonne, wurden aber durch eine Kollision oder
eine andersartige Wechselwirkung auf einen neuen Orbit gebracht, auf dem sie
sich nun regelmäßig der Erde nähern.
Mit dem Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) wurde im Jahr 2010
der gesamte Himmel zweimal im infraroten Wellenlängenbereich erfasst. Im Rahmen
des Projektes NEOWISE nutzte man dieses Datenmaterial auch für die
Suche und Erforschung von Asteroiden. Das NEOWISE-Team hat von den rund
600.000 bekannten Asteroiden des Asteroidengürtels etwa 120.000 näher untersucht
und konnte 38.000 davon einer von insgesamt 76 Asteroidenfamilien zuordnen. 28
Familien waren den Wissenschaftlern zuvor nicht bekannt. Einige Asteroiden wurde
zudem eine neuen Familie zugewiesen.
Asteroidenfamilien entstehen, wenn durch eine Kollision ein großer Asteroid in
zahlreiche Brocken ganz unterschiedlicher Größe zerbricht. So wird die
Südhalbkugel des gewaltigen Asteroiden Vesta von zwei riesigen Einschlagkratern
dominiert. Als diese entstanden, wurden zahlreiche kleinere Brocken ins All
geschleudert. Bei anderen Kollisionen blieben keine größeren Überreste zurück,
sondern lediglich ein Schwarm von kleineren Asteroiden, die zunächst auf relativ
ähnlichen Bahnen um die Sonne kreisen, im Laufe der Zeit aber mehr und mehr
auseinanderdriften.
Bislang hatte man einzelne Asteroiden aufgrund ihrer Bahnen bestimmten Familien
zugeordnet. Das NEOWISE-Team betrachtete jetzt das Reflexionsvermögen der
einzelnen Brocken. Asteroiden, die zu einer Familie gehören, sollten nämlich in
etwa die gleiche mineralogische Zusammensetzung haben und daher ein ähnliches
Reflexionsverhalten zeigen.
Die Unterscheidung, ob man einen großen, nur schwach reflektierenden Asteroiden
oder aber einen kleinen sehr gut reflektierenden Brocken vor sich hat, kann im
sichtbaren Bereich des Lichts sehr schwierig sein. Mithilfe von Infrarotdaten
aber, die etwas über die Wärmeabstrahlung eines Asteroiden verraten, lässt sich
auf die Größe der Objekte und damit auch auf ihr tatsächliches
Reflexionsverhalten schließen. So konnten einige Asteroiden, die man zuvor der
gleichen Familie zugeordnet hatte, nun in verschiedene Familien eingeordnet
werden.
"Wir trennen hier die Zebras von den Gazellen", vergleicht Joseph Masiero vom
Jet Propulsion Laboratory der NASA, der auch Hauptautor eines
Fachartikels über die Studie ist, der in der Zeitschrift Astrophysical
Journal erscheint. "Zuvor waren die einzelnen Familienmitglieder schwerer
zu unterschieden, weil sie sich in sehr engen Gruppen bewegten. Jetzt aber haben
wir eine bessere Vorstellung davon, welcher Asteroid zu welcher Familie gehört."
Als nächstes will das Team versuchen, mehr über die Ursprungsobjekte
herauszufinden, aus denen die einzelnen Familien entstanden sind. "Das ist so,
als wenn man die Scherben einer zerbrochenen Vase vor sich hat und sie wieder
zusammensetzen will, um herauszufinden, was passiert ist", vergleicht Amy
Mainzer, die verantwortliche Wissenschaftlerin für NEOWISE am Jet
Propulsion Laboratory. "Wir setzen hier die Geschichte unserer Asteroiden
wieder zusammen."
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