Sterne am Gummiband
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
28. Januar 2013
Bonner Astronomen haben am Beispiel des massereichen jungen
Sternhaufens R136 die Entstehung von Sternhaufen genauer untersucht. Durch
Computersimulationen konnten sie zeigen, dass diese Gebilde nicht einfach
auseinanderfliegen, wie man es zunächst erwartet, jedoch nicht beobachtet
hatte. Sie bestätigten so die aktuelle Theorie über die Entstehung von
Sternhaufen.

Der Sternhaufen
R136 im Sternentstehungsgebiet 30 Doradus.
Bild: NASA, ESA und F. Paresce
(INAF-IASF, Bologna, Italy), R. O'Connell (University of Virginia,
Charlottesville), und das Wide Field Camera 3 Science Oversight Committee [Großansicht
als Bild
des Tages vom 21. Januar 2010] |
Wie genau entstehen Sternhaufen? Mit dieser Frage beschäftigen sich
Astronomen schon seit Jahrzehnten. "Eine weithin akzeptierte Vorstellung besagt,
dass sich das Gas in einer Galaxie an einem Ort verdichten kann", erläutert Dr.
Sambaran Banerjee vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität
Bonn. Das Gas kühlt ab, bildet dabei Moleküle und kann unter der
Eigengravitation zusammenfallen. In einer solchen Wolke kommt es zu Schwankungen
in der Moleküldichte, wodurch Protosterne entstehen können.
Das Gesamtgebilde fügt sich zu einem Sternhaufen zusammen. Diese sind
typischerweise sehr kompakt und können bis zu mehrere Millionen Sterne
enthalten. Die vielen jungen Sterne aber heizen das Gas im Sternhaufen auf, bis
es diesen explosionsartig verlässt. "Der junge Sternhaufen stößt auf diese Weise
rund 70 Prozent der Gesamtmasse aus", erläutert Prof. Dr. Pavel Kroupa (AIfA)
vom Argelander-Institut für Astronomie. "Sehr junge Haufen müssten also
auseinanderfliegen."
Allerdings wird dieses Szenario durch neueste Beobachtungen infrage
gestellt. Ein internationales Team unter der Leitung von Vincent Henault-Brunet
von der University of Edinburgh hatte beispielsweise die Bewegungen der Sterne
in dem außerordentlich massereichen jungen Sternhaufen R136 vermessen. Der
Haufen ist etwa 150.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und weniger als drei
Millionen Jahre alt. Er befindet sich in der Großen Magellanschen Wolke, einer
Satellitengalaxie der Milchstraße, und hat eine Masse, die etwa der
100.000-fachen Masse unserer Sonne entspricht
"Die Messungen zeigen, dass die Sterne sich mit Geschwindigkeiten von rund
16.000 Kilometern pro Stunde bewegen - deutlich langsamer als die Theorie
vorhersagt", so Banerjee. R136 scheint also nicht auseinanderzufliegen. Ist dies
also ein Hinweis darauf, dass der Sternhaufen ganz anders entstanden ist als
bisher gedacht? "Wenn es so wäre, hätte dies bedeutende Auswirkungen auf große
Bereiche der Astrophysik, etwa darauf, wie Sterne sich von Geburt aus in eine
Galaxie hineinbewegen", gibt Kroupa zu bedenken.
Die Astronomen haben sich deswegen theoretisch mit der Entwicklung des
Sternhaufens R136 beschäftigt. Mithilfe von Computersimulationen verfolgten sie
die Bewegung jedes Sternes und berücksichtigten insbesondere die Reaktion der
Sterne auf den Ausfluss des aufgeheizten Gases aus dem jungen Sternhaufen.
"Die Berechnungen zeigen, dass der Sternhaufen deutlich auf den Gasauswurf
reagierte, indem er sich aufblähte", berichtet Banerjee. Allerdings zog sich ein
bedeutender Teil wieder schnell - binnen etwa einer Million Jahre - zusammen.
"Ursache war die Eigengravitation", sagt Kroupa. "Deswegen ist der Haufen heute
tatsächlich im Gleichgewicht, genau wie die Messungen zeigen." Obwohl sich die
Sterne in dem Haufen auf chaotischen Bahnen umeinander bewegen, verändert das
Gebilde nicht mehr seine Größe.
Bei einem massereichen Sternhaufen wirkt die Gravitation wie ein sehr steifes
Gummiband, welches sich sehr schnell wieder zusammenzieht, nachdem man es dehnt
und loslässt. Bei einem masseärmeren Sternhaufen, wie etwa dem nur etwa eine
Million Jahre alten Haufen NGC 3603 in unserer Milchstraße, hingegen wirkt die
Eigengravitation wie ein schwaches Gummiband. Ein solcher Haufen benötigt viel
länger, um wieder ins Gleichgewicht zurückzukehren. Viele der kleinen
Sternhaufen schaffen dies nie und lösen sich vollständig auf. "Wir konnten
zeigen, dass die Theorie, wie Sternhaufen entstehen, nach wie vor stimmt, und
zeigten dabei zum ersten Mal, wie schnell sich schwere Sternhaufen
zusammenziehen können", so Kroupa.
Über ihre Resultate berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
Kürze in der Zeitschrift Astrophysical Journal erscheint.
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