Rechenzeit für kosmische Kollisionen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
8. November 2011
Realistische Simulationen astrophysikalischer Phänomene
benötigen extrem leistungsstarke Computer und in der Regel eine lange
Rechenzeit. Ein internationales Forschungsprojekt, das sich mit Neutronensternen
und Schwarzen Löchern beschäftigt, bekam nun fast 20 Millionen Stunden
Computerzeit bewilligt. Sie sollen genutzt werden, um mehr über die Kollision
von Schwarzen Löchern zu erfahren.
Kollision zweier
Schwarzer Löcher: In dieser Grafik wurden die
Daten einer Simulation visualisiert. Der
zeitliche Ablauf der Kollision ist von unten nach
oben durch die spiralförmigen Bewegungsspuren von
zwei Schwarzen Löchern dargestellt, die zu einem
Schwarzen Loch verschmelzen (in Rot statt Schwarz
zur besseren Sichtbarkeit).
Bild: Thierfelder / Brügmann (SFB/TR7) |
Spitzenforschung hängt zunehmend von der Verfügbarkeit enormer Rechenleistung
ab. In Europa entsteht deshalb derzeit ein Netzwerk von Supercomputern, um
Rechenprobleme immenser Größe lösen zu können. Verschiedene Supercomputerzentren
haben sich zur Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE)
zusammengeschlossen und vergeben Rechenzeit an ausgewählte Forschungsvorhaben.
An einem von nur 24 europäischen Großprojekten, die dieses Jahr bewilligt
wurden, sind maßgeblich Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena
beteiligt.
Gemeinsam mit Kollegen aus anderen Ländern bekamen sie für umfangreiche
Forschungen zu Schwarzen Löchern und Neutronensternen insgesamt 19,7 Millionen
Stunden an Computerzeit zugesprochen. Ab dem 1. November 2011 stehen ihnen dafür
Supercomputer in Jülich und im französischen Bruyères-le-Châtel zur Verfügung.
Die Rechenzeit entspricht 2.250 Prozessoren, die ein Jahr lang ohne
Unterbrechung rechnen.
Allein die Kosten für Strom und Kühlung würden den Etat einer einzelnen
Forschergruppe bei Weitem übersteigen. "Zu den großen Herausforderungen der
Physik gehören die Einsteingleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie",
erläutert Prof. Dr. Bernd Brügmann, Lehrstuhlinhaber für Gravitationstheorie der
Universität Jena und Leiter der Jenaer Forschungsgruppe.
"Relativistische Doppelsternsysteme bewegen sich nicht auf den klassischen
Keplerellipsen, sondern folgen Spiralen, die unweigerlich in einer Kollision
enden", erklärt Brügmann, der das Jenaer Projekt im Rahmen des
Sonderforschungsbereichs/Transregio 7 "Gravitationswellenastronomie" leitet.
Dabei sollten enorme Energie in Form von Gravitationswellen freigesetzt werden,
die man allerdings bislang - trotz intensiver Bemühungen - noch nicht nachweisen
konnte.
Die genaue Vorhersage der Gravitationswellen durch Computersimulationen kann
den Forschern jedoch helfen, das Signal von zwei Schwarzen Löchern aus dem
Rauschen der Detektoren herauszufiltern und zu analysieren. "Schwarze Löcher
leuchten zwar nicht, aber in der Gravitationswellenastronomie wären auch die
finstersten Ecken des Universums aufgrund der Gravitationswellen sichtbar", so
Brügmann.
Das Forscherteam besteht aus mehr als 20 Physikern, die an den Universitäten
von Jena, Cardiff, Wien, den Balearischen Inseln und dem California
Institute of Technology arbeiten. Die Simulationen verwenden Software, die
von Brügmann und seiner Arbeitsgruppe in Jena im Rahmen des SFB und eines
Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft entwickelt wird. Die
Möglichkeit, seit Anfang des Monats die leistungsfähigsten Großrechner nutzen zu
können, ist für die Forscher eine große Chance: "Wir freuen uns sehr darauf, in
der obersten Liga der internationalen Supercomputer mitzurechnen", so Brügmann.
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