Kollidierende Galaxien wecken Schwarze
Löcher
Redaktion
astronews.com
10. Februar 2005
In nahezu jeder Galaxie verbirgt sich im Zentrum ein extrem massereiches
Schwarzes Loch. Doch wie sind diese gewaltigen Schwerkraftfallen entstanden und
wie
beeinflussen sie die Entwicklung der Galaxie und umgekehrt? Ein Forscherteam
konnte jetzt mit aufwendigen Computersimulationen erstmals zeigen, welcher Zusammenhang
zwischen Quasaren, Schwarzen Löchern und der Entwicklung von Galaxien besteht.

Phasen der Verschmelzung zweier Galaxien mit zentralen Schwarzen
Löchern. Von oben nach unten zeigen die Bilder der Sequenz das
Gas zweier kollidierender Spiralgalaxien. Nach der ersten
Begegnung entfernen sich diese zunächst wieder, um dann bei
einer zweiten Begegnung und anschließenden Verschmelzung
zusammenzufallen. Die Schwerkraft treibt dabei Gas ins Zentrum
der Galaxienkerne und führt zur Bildung ausgedehnter
Gezeitenarme. In der Quasar-Phase gewinnen die Schwarzen Löcher
stark an Masse. Diese Phase dauert bis zu 100 Millionen Jahre
und setzt genügend Energie frei, um das Gas aufzuheizen und in
den Raum zu schleudern. Zurück bleibt eine elliptische Galaxie
(deren Sterne nicht gezeigt sind), die kaum noch Gas enthält und
in deren Zentrum die beiden Schwarzen Löcher verschmolzen sind.
Der gesamte Prozess der Galaxienverschmelzung dauert etwa 2
Milliarden Jahre. Bild: Max-Planck-Institut für
Astrophysik [Großansicht] |
In der Frühphase des Universums besaßen viele Galaxien extrem leuchtkräftige
Kerne, so genannte Quasare. Seit längerem hatte man bereits vermutet, dass die
Leuchtkraft der Quasare durch supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum der
Galaxien erzeugt wird. Zudem steht die Masse dieser Schwarzen Löcher in enger
Beziehung zur Geschwindigkeitsverteilung der Sterne in der kugelförmigen
Zentralregion der jeweiligen Wirtsgalaxie. Auch das legt einen gemeinsamen
Entstehungsprozess nahe.
Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik und der Harvard
Universität, USA, ist es nun gelungen, sowohl die Sternentstehung als auch das
Wachstum von Schwarzen Löchern in Computersimulationen miteinander
kollidierender Galaxien direkt zu verfolgen. Sie zeigen, dass die
Quasaraktivität so viel Energie freisetzt, dass große Mengen Gas aus dem
Galaxienzentrum herausgeschleudert werden, was sowohl die Sternentstehung als
auch das weitere Wachstum der Schwarzen Löcher begrenzt.
Damit konnten die
Forscher klären, wodurch die Lebensdauer von Quasaren begrenzt wird und welch
enger Zusammenhang zwischen der Masse eines Schwarzen Lochs und der
Geschwindigkeit der Sterne im Zentrum einer Galaxie besteht. Die Wissenschaftler
veröffentlichten ihre Ergebnisse in der heutigen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
In den aktuellen Vorstellungen über die Entstehung von galaktischen
Sternsystemen spielen Kollisionen und Verschmelzungen von Galaxien eine
entscheidende Rolle. Dadurch sind im Laufe der Zeit immer größere Galaxien mit
veränderter Gestalt entstanden - aus verschmelzenden Spiralgalaxien entwickelten
sich elliptische Galaxien.
Doch die jüngste Entdeckung supermassereicher
Schwarzer Löcher im Zentrum von Galaxien gibt den Forschern neue Rätsel auf. So
ist nicht klar, wieso die Masse Schwarzer Löcher mit der Größe der kugelförmigen
Zentralregion einer Galaxie korreliert ist. Sind Schwarze Löcher also nur eine
interessante Randerscheinung bei der Entstehung von Galaxien oder bestimmen sie
diesen Prozess gar in ganz entscheidender Weise?
Antworten auf diese Fragen können komplexe Computersimulationen liefern, die
sowohl die gravitative Dynamik einzelner Galaxien, als auch wesentliche Aspekte
der Physik der Sternentstehung und des Wachstums von Schwarzen Löchern
berücksichtigen. Tiziana Di Matteo und Volker Springel vom Max-Planck-Institut
für Astrophysik und Lars Hernquist von der Harvard Universität haben dazu neue
Wege der numerischen Modellierung beschritten: Sie repräsentieren das
superschwere Schwarze Loch erstmals mit einem Simulationsteilchen, das aus
seiner Umgebung Gas aufsaugen kann, und zwar mit einer Rate, die aus einer
einfachen theoretischen Modellbildung abgeleitet ist. Auf diese Weise ist es
möglich, ganze Galaxien gleichzeitig mit den darin enthaltenen und wachsenden
Schwarzen Löchern zu simulieren.
Aufgrund von Reibung in den Strömungen um Schwarze Löcher herum, wird das
einfallende Gas auf enorme Temperaturen aufgeheizt und gibt dadurch
energiereiche Strahlung ab. Tatsächlich werden etwa 10 Prozent der gesamten
Ruheenergie des Gases freigesetzt, bevor es selbst im Ereignishorizont des
Schwarzen Lochs verschwindet.
Hierbei handelt es sich um riesige Energiemengen,
die supermassereiche Schwarze Löcher zu wahren Monstern machen, den stärksten
bekannten Energiequellen im Universum überhaupt. Während ein Großteil der
energiereichen Strahlung aus dem Zentrum der Galaxie entkommt, heizt ein
kleinerer Teil das Gas in der größeren Umgebung des Schwarzen Lochs auf. Das
Team um Dr. Di Matteo nimmt an, dass etwa 5 Prozent der Strahlung zu dieser
Heizung beitragen.
Die Simulationen haben nun gezeigt, dass diese Energie das Verschmelzen von
Spiralgalaxien wesentlich beeinflusst. Kollidieren die Galaxien, so treiben
gravitative Gezeitenkräfte diffus verteiltes Gas in ihr Zentrum . Dort wird es
solange verdichtet, bis es zu einem intensiven Ausbruch der Sternbildung kommt,
einem so genannten Starburst. Dabei "füttert" das einströmende Gas auch das im
Zentrum sitzende supermassereiche Schwarze Loch, das dadurch rasch an Masse
gewinnt. Die dabei wiederum freigesetzte Energie heizt das umgebende Gas stark
auf.
Je schwerer das Schwarze Loch, desto schneller wächst es, sodass auch die
Rate, mit der Energie freigesetzt wird, rasch ansteigt. Das Zentrum der Galaxie
leuchtet dabei als Quasar. Doch schließlich wird der Druck in dem aufgeheizten
Gas zu groß - ein mächtiger Wind entsteht, der das noch in der Galaxie
vorhandene Gas aus ihrem Zentrum schleudert und damit die Quasar-Phase und die
Sternentstehung abrupt beendet.
Tiziana Di Matteo, Volker Springel und Lars Hernquist haben eine ganze Serie
von Kollisionen von unterschiedlich großen Galaxien untersucht. Sie zeigen, dass
in größeren Galaxien immer mehr Gas für die "Fütterung" eines Schwarzen Lochs
zur Verfügung steht und das Gravitationspotenzial, in dem das Gas gebunden ist,
tiefer wird, sodass die Schwarzen Löcher zu immer größeren Massen anwachsen
müssen, bevor ihre freigesetzte Energie ausreicht, um die Quasaraktivität durch
Herausschleudern des Gases zu stoppen.
Das Wachstum erweist sich somit als ein
sich selbst begrenzender Prozess, der zudem mit der gleichzeitigen Entstehung
der kugelförmigen Sternpopulation im Zentrum der Galaxie verknüpft ist: Zwischen
der Größe dieser Sternpopulation und der Masse des Schwarzen Lochs in dem
Verschmelzungsprodukt besteht also ein direkter Zusammenhang. Ein Vergleich mit
astronomischen Messdaten zeigt, dass diese ersten selbstkonsistenten
Simulationen für das Wachstum von Schwarzen Löchern die wichtigsten
Beobachtungsdaten bereits mit bemerkenswerter Übereinstimmung reproduzieren.
Diese Ergebnisse sind für das Standardmodell der hierarchischen
Galaxienentstehung sehr weitreichend: Die Aktivität eines Schwarzen Lochs hat
also große Auswirkungen auf seine Wirtsgalaxie, da es die Entstehung von Sternen
während der Galaxienverschmelzung beeinflusst und durch das Aufheizen des Gases
einer späteren Sternentstehung entgegenwirkt.
So sind die entstehenden
elliptischen Galaxien verhältnismäßig arm an Gas und bilden kaum noch Sterne;
ihre Sternpopulationen altern daher schnell und entwickeln jene roten
Spektralfarben, wie man sie in vielen massereichen elliptischen Galaxien heute
beobachten kann. Ohne den Einfluss der Schwarzen Löcher konnte man die Farben
dieser "toten" elliptischen Galaxien bisher nicht befriedigend erklären.
Galaxienentstehung und das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher
erscheinen also als ein eng verzahnter Vorgang, der in theoretischen Modellen
künftig als eine Einheit behandelt werden muss. Hydrodynamische
Computersimulationen sind eines der vielversprechendsten Mittel, um weitere
Einsichten in diese Verknüpfung zu gewinnen.
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