Gewaltiger Hangrutsch in Melas Chasma
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
11. Oktober 2010
Ein neues, jetzt vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt veröffentlichtes Bild der europäischen Marssonde Mars Express
zeigt mit Melas Chasma einen eindrucksvollen Teilbereich der Valles Marineris am Marsäquator. Zu
erkennen sind Hangrutschungen, Fließstrukturen und Ablagerungen
von Sulfaten.
Mit dem senkrecht auf die Marsoberfläche
gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen des
Kamerasystems HRSC (High Resolution Stereo Camera)
auf der ESA-Raumsonde Mars wurde diese
Farb-Draufsicht auf den Nordteil von Melas Chasma
erzeugt. Norden ist im Bild rechts.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
[vergrößerte
Gesamtansicht]
Höhenkodierte topographische HRSC-Bildkarte
von Melas Chasma.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
[Großansicht] |
An keiner anderen Stelle des Sonnensystems sind auf so kurzer Distanz derartig große Höhenunterschiede zu beobachten, wie an den Gräben der Valles Marineris, einem System von Tälern, das sich über fast viertausend Kilometer entlang des Marsäquators erstreckt. Im Gebiet Melas Chasma bricht dort die Ebene des Marshochlands jäh um mehr als neuntausend Meter ab. Die
jetzt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) veröffentlichten
Bilder der hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen riesige Hangrutschungen, Fließstrukturen und Ablagerungen von Sulfaten in Melas Chasma.
Der Talboden des hier vorgestellten Melas Chasma, der "schwarzen Schlucht", einem zentralen Abschnitt der Marineris-Gräben, ist eine der am tiefsten liegenden Regionen auf der Marsoberfläche. Lediglich im Einschlagsbecken Hellas gibt es auf dem Planeten noch tiefer gelegene Stellen. Das
Bild zeigt einen etwa 200 Kilometer mal 100 Kilometer großen Ausschnitt aus Melas Chasma, das entspricht etwa der Größe von Rheinland-Pfalz. Die Bildmitte befindet sich bei zehn Grad südlicher Breite und 290 Grad östlicher Länge. Die Auflösung beträgt etwa 23 Meter pro Bildpunkt.
Die Höhenunterschied dieses Grabens sind, wie die Höhenkarte verdeutlicht, gewaltig: Die tiefsten Stellen des Beckens liegen bei minus 5000 Metern, das umgebende Plateau erreicht eine Höhe von etwa plus 4000 Metern. Die angegebenen Höhenwerte beziehen sich auf einen Referenzkörper, den so genannten Areoid (nach Ares, griechisch für Mars), der in Ermangelung eines Meeresspiegels - der auf der Erde als Bezugsniveau für Höhenangaben dient - heran gezogen wird.
Im westlichen Teil des Beckens sind stellenweise Fließstrukturen und auf dem umgebenden Hochplateau alte Talsysteme zu erkennen. Im Südwesten der Szene sind helle, geschichtete Ablagerungen zu sehen: Dort hat sich vermutlich einmal ein stehendes Gewässer, ein See, befunden. Das französische Spektrometer OMEGA auf
Mars Express identifizierte diese Ablagerung als Sulfate wie Gips oder Kieserit. Das sind wasserhaltige Minerale, die deutliche Anzeiger für Wasser sind, das demnach einst im flüssigen Zustand in dieser Gegend des Mars vorhanden war. Mit den hoch aufgelösten HRSC-Stereobilddaten lassen sich die Sulfatvorkommen genau lokalisieren.
An der nördlichen, oberen Kante des Grabens ist eine riesige Hangrutschung zu
sehen (rechts unterhalb der Bildmitte in der Gesamtansicht). Dabei brachen viele Kubikkilometer Gesteinsmaterial aus dem Hang und wurden in den Talgrund von Melas Chasma geschoben, wo die Gesteinstrümmer als Schuttfächer zu erkennen sind. Die Oberflächenstruktur des rauen Fächermaterials unterscheidet sich von der eher glatten Oberfläche des weiter südlich im Becken abgelagerten Materials. Möglicherweise wirkte Wasser in den abgerutschten Gesteinsmassen als eine Art
"Schmiermittel", wie Fließstrukturen auf der Oberfläche des weit in die Talmitte geschobenen Materials andeuten (links
der Hangrutschung, Bildmitte).
Auf dem Hochplateau im Nordosten (rechts unten), sowie im Becken von Melas selbst sind vereinzelt die Reste von Talsystemen zu sehen. Sie sind durch Material, das wahrscheinlich vom Wind dorthin verfrachtet wurde, fast bis an ihren Rand aufgefüllt worden. Die Orientierung des größeren Talverlaufs parallel zur Abbruchkante lässt vermuten, dass dieser ursprünglich einer tektonischen Störung folgte, deren Hauptrichtung parallel zu den großen Störungszonen liegt, die auch die Valles Marineris und Melas Chasma einst aufbrechen ließen: Es ist denkbar, dass alte Störungszonen in diesem Gebiet zur Instabilität der Hänge beitragen und diese dann kollabieren konnte.
Im Becken von Melas und an höher gelegenen Stellen des Hanges sind helle Ablagerungen zu beobachten (obere
Bildhälfte über der Hangrutschung). Die meisten dieser Ablagerungen bestehen aus Sulfaten und wurden vermutlich in einem See gebildet. Die Höhenlage dieser Ablagerungen würde damit vermutlich die Mindesthöhe des Sees widerspiegeln. Bei dem dunklen Material etwas südlich der Sulfatschichten handelt es sich um Sicheldünen, deren Material vom Wind transportiert und später hier deponiert wurde. Da der See zu dieser Zeit bereits verschwunden war, sind die Dünen wesentlich jünger als die Sulfatablagerungen.
Die Bilder entstanden am 6. Juli 2006 während Orbit 3195 von Mars Express
aus einer Höhe von etwa 470 Kilometern über der Marsoberfläche. Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission
Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung Neukums
entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung
der Daten erfolgt am DLR. Die Bilder wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
|
|
Mars
Express - Missionsseite bei astronews.com
Mission Mars - die
astronews.com-Berichterstattung über die Erforschung des roten
Planeten
|
|