Maya-Geschichte 208 Jahre später?
Redaktion
/ Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
2. November 2009
Die Mayas hinterließen in Mittelamerika nicht nur eindrucksvolle Bauten,
sondern auch Aufzeichnungen von besonderen astronomischen Ereignissen. Diese
versuchte ein Berliner Wissenschaftler nun zu identifizieren und damit eine
Verbindung zwischen dem Kalender der Mayas und unserem Kalender
herzustellen. Das überraschende Ergebnis: Die Maya-Geschichte könnte sich
208 Jahre später ereignet haben als bislang angenommen.

Dr. Andreas Fuls, Forscher an der TU Berlin,
mit einem Nachdruck des Dresdner Maya-Kodex aus
dem 12. Jahrhundert nach Christus. Auf 39 eng mit
Hieroglyphen beschriebenen und mit Kalk
beschichteten Seiten führt das Faltbuch
Ereignisse aus der Maya-Zeit, beispielsweise
religiöse Kulte, sowie ihre astronomischen
Merkmale auf.
Foto: Pressestelle der TU-Pressestelle /
Dahl |
Glaubt man dem neuen Blockbuster "2012" von Regisseur Roland
Emmerich, der am 12. November in die Kinos kommt, so wird unsere
Zivilisation Weihnachten 2012 nicht mehr erleben. In zahlreichen
Internetforen, Büchern und TV-Dokumentationen orakeln Pessimisten einer
neuen Weltkatastrophe entgegen. Auslöser sind Kalenderberechnungen der
Maya – eine Hochkultur, die selbst längst untergegangen ist.
Mit den Mayas beschäftigt sich auch Andreas Fuls, Wissenschaftler des
Instituts für Geodäsie und Geoinformationswissenschaft der TU Berlin. Sein
verblüffendes Ergebnis: Die Maya-Kultur und ihre einzelnen Phasen datiert der
Archäoastronom völlig anders als die bisherige Maya-Forschung. Nach seinen
Berechnungen spielte sich die Geschichte der mittelamerikanischen Hochkultur 208
Jahre später ab als bislang angenommen. Das hat Folgen für die Interpretationen
der Maya-Prophezeiungen und ihre Datierung. So würde der angenommene
Weltuntergang nicht für den 21. 12. 2012 gelten, sondern für das Jahr 2220.
Bisher galt unter Maya-Historikern eine vor Jahrzehnten entwickelte
Standardchronologie als unumstößlich: Demnach lag etwa die "Klassik", in der die
Kultur ihre Blütezeit erreichte, ungefähr im dritten bis neunten Jahrhundert
unserer Zeitrechnung. Ab 900 nach Christus, so glaubte man, gaben die Maya immer
mehr Städte auf, die Bevölkerungszahlen sanken, schließlich kollabierte die
Gesellschaft. Diese Datierung stützte sich vor allem auf Dokumente der
Kolonialherrschaft aus dem 16. und 17. Jahrhundert, anhand derer Ereignisse der
Maya-Geschichte datiert wurden.
Seit Jahren versucht Fuls Einzelereignisse der Kultur in diese Chronologie
einzupassen – mit bislang ungenutzten Methoden: Kalender und Monumente, die
heute noch erhalten sind, geben nicht nur Auskunft über Daten der
Maya-Geschichte, beispielsweise Herrscherwechsel, religiöse Feste oder Kriege.
Sie enthalten auch Angaben zum Sonnenstand, zum Mondalter, zu Finsternissen
sowie zur Sichtbarkeit der Venus. "Doch bei den Stichproben ergaben sich immer
wieder Lücken", sagt Fuls.
Damit war die Forschungsfrage für seine Dissertation geboren: Auf welche
Daten unseres Kalenders passen die Angaben der Maya? Fuls’ Hauptquelle war der
"Dresdener Kodex", die Abschrift eines Maya-Kalenders, die heute in der
Sächsischen Staats- und Landesbibliothek lagert. Auf 39 eng mit Hieroglyphen
beschriebenen und mit Kalk beschichteten Seiten führt das Faltbuch Ereignisse
aus der Maya-Zeit, beispielsweise religiöse Kulte, sowie ihre astronomischen
Merkmale auf.
Fuls verglich die Angaben mit denen auf Maya-Monumenten in Mexiko, um
sicherzugehen, dass seine Interpretationen der astronomischen Kalenderdaten
richtig sind. Am Ende prüfte er die Kombinationen in den Einträgen mit einem
speziell entwickelten Computerprogramm. Damit kann er auf den Tag genau
berechnen, wann in den vergangenen Jahrhunderten Finsternisse eintraten oder wie
sich Mond- und Venuslaufbahn verhielten.
So wie die drei astronomischen Ereignisse, die am 19. Dezember des Jahres 830
nach Christus in Mittelamerika zusammen kamen: Es war Wintersonnenwende,
zugleich Neumond und die Venus zeigte sich das erste Mal in einem neuen Zyklus
als Morgenstern. Diese Kombination ist so selten, dass Maya-Gelehrte sie damals
in einem Kalender vermerkten – natürlich ohne die Datumsangabe nach unserer
Zeitrechnung. Dieses und die im Kodex aufgelisteten Ereignisse ließen sich mit
seiner Methode eindeutig in der unserer Zeitrechnung festmachen, allerdings 208
Jahre später als in der gängigen Datierung.
Die klassische Phase der Maya-Geschichte würde demnach im fünften Jahrhundert
beginnen und ihr Niedergang etwa ab dem Jahr 1100 nach Christus. Die Frage,
warum die Maya ihre Zentren aufgaben und ihre Kultur unterging, müsste folglich
neu aufgerollt werden. Die häufigste Reaktion anderer Maya-Forscher auf die neue
Datierung sei bisher jedoch "totale Ablehnung" berichtet Fuls.
Doch es gibt auch ihn bestärkende Reaktionen. Beispielsweise spricht die
Datierung von Obsidian, einem vulkanischen Gestein in Mexiko, für seine
Datierung. Außerdem hat sich ein spanischer Epigraphiker bei ihm gemeldet, der
bei seinen Untersuchungen der Maya-Schriften, wenn er der alten Zeitrechnung
folgte, immer auf eine Lücke von rund 200 Jahren stieß. Die wäre nach den neuen
Erkenntnissen geschlossen.
Und einige andere Forschungsergebnisse, auf die sich die Verfechter der
Standardchronologie beziehen, würden zumindest nicht gegen Fuls’ Datierung
sprechen. So beispielsweise die Radiokarbonmethode für die eine Ungenauigkeit
von etwa 150 Jahren gelte. "So taggenau wie die Astronomie ist einfach keine
andere Methode", betont der Wissenschaftler. Sein vorläufiges Fazit: "Ich habe
eben einen Status quo angegriffen, und die Diskussion hat gerade erst begonnen".
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