Turbulenzen im Sonnenwind
Redaktion /
Pressemitteilung des Ruhr-Universität Bochum astronews.com
25. Februar 2009
Vor über 30 Jahren wurden im Rahmen der Voyager-Mission
Partikel im Sonnenwind entdeckt, die deutlich heißer waren als man es nach den
bekannten Modellen erwarten würde. Mit einem neuen Computermodell konnten
Wissenschaftler aus Bochum und Huntsville diesen Befund nun erklären: Das Plasma
des Sonnenwinds verhält sich offenbar deutlich anderes als Flüssigkeiten oder
Gase.
Das neue Modell könnte die Messungen von
Voyager erklären.
Bild: NASA/JPL |
Mit einem neuen 3D-Modell zur Energiesimulation sind Wissenschaftler aus
Bochum und dem amerikanischen Huntsville dabei, hinter das Geheimnis einer
unerwarteten Beobachtung der Voyager-Sonden zu kommen. Bereits vor über
30 Jahren entdeckte man nämlich, dass Partikel in kleinen Wirbeln der
Sonnenwinde "heißer" waren, als sie nach der seit 1941 bestehenden Theorie des
Mathematikers Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow hätten sein dürfen. Jetzt konnten
der Bochumer Plasmaphysiker Prof. Dr. Padma Kant Shukla und Dr. Dastgeer Shaikh
von der University of Alabama erstmals durch Computersimulationen
nachweisen, dass sich Turbulenzen im Plasma der Sonnenwinde offenbar deutlich
anderes verhalten, also es bekannte Modell für dynamische Flüssigkeiten und Gase
vorhersagen. Über ihre Ergebnisse berichteten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift Physical Review Letters.
Nach Kolmogorows Theorie besteht ein Zusammenhang zwischen der Größe von
Windwirbeln und der Menge der Energie, die von den heißen Solarpartikeln
abgegeben wird. Je kleiner ein Wirbel wird, desto stärker wirken er und seine
Umgebung aufeinander ein, und desto größer wird der Verlust an Energie. Zu
beobachten ist das zum Beispiel an den Strudeln, die eine Brücke verursacht,
deren Pfeiler in einem Fluss stehen. Die Energie der Strudel wird nur an den
Rändern abgegeben, wo die kleinsten Wirbel und das ruhig fließende Wasser
aufeinander einwirken. Kolmogorow fand eine Gesetzmäßigkeit zwischen der
Wirbelgröße und der freigesetzten Energie: In einer dynamischen Flüssigkeit
sollte sich die Menge der freigesetzten Energie um den Faktor x hoch 5/3
erhöhen, wenn sich die Größe eines Wirbels um einen Faktor x verringert.
Beobachtungen von Voyager - aber auch von anderen Raumschiffen und
Satelliten - zeigten aber, dass der Energiefluss im Plasma nicht dem so
genannten 5/3-Gesetz von Kolmogorow folgt, sondern eher einem 7/3-Gesetz. Das
dynamische Spektrum der Wellenlängen in einem Plasma ist damit wesentlich größer
als in anderen hydrodynamischen Systemen. Das bedeutet, dass sich die
Leistungsfähigkeit der Energieübertragung zwischen den im Sonnenwind
befindlichen heißen Partikeln und kühleren Teilchen um 40 Prozent erhöht.
Das Computer-Modell, das Shukla und Shaikh entwickelten, erklärt diesen
plötzlichen Anstieg mit der Wechselwirkung zwischen Magnetfeldern und den nach
außen fließenden Strömen aus heißen Atomen, Ionen und Elektronen. Das Magnetfeld
ist verantwortlich für Energiekaskaden. Beeinflusst und "gedrängt" von
Magnetfeldern, dienen die kleinen Wirbel zur "Dämpfung" der in ihnen
befindlichen Energie.
"Dasselbe geschieht auch in einem Mikrowellenherd", vergleicht Shaikh. "Wenn
sich in diesem Gerät nichts befindet, treten die Mikrowellen aus, ohne ihre
Energie abzugeben. Doch die Wellen werden in den aufzuwärmenden Lebensmitteln
absorbiert, und hierdurch wird die Energie abgegeben, die die Speisen erhitzt."
Die Entwicklung der beiden Wissenschaftler hilft zu verstehen, wie die
Partikel in den Sonnenwinden enorme Mengen an Energie erhalten. "Damit könnten
wir eine Antwort auf die Frage finden, wo die schnellsten und leistungsfähigsten
kosmischen Strahlen mit Energie aufgeladen werden," so Shukla. Unter kosmischer
Strahlung verstehen die Forscher hochenergetische Partikel, die beispielsweise
auch von der Sonne ins All geblasen werden. Seit Jahrzehnten versucht man
herauszufinden, durch welche Prozesse einige der Partikel der kosmischen
Strahlung nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden können.
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