Zehn Milliarden für die Raumfahrt
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR
astronews.com
27. November 2008
In den letzten beiden Tagen tagte der Ministerrat der ESA im
niederländischen Den Haag. Dabei wurden von den Mitgliedsstaaten Programme im
Wert von gut zehn Milliarden Euro beschlossen. Allein für das wissenschaftliche
Programm sollen bis 2013 über zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Die
Bundesregierung sicherte für die kommenden Jahre insgesamt 2,7 Milliarden Euro
zu. Deutschland bleibt damit die größte Raumfahrtnation im europäischen Verbund.

Das europäische
Weltraumlabor Columbus soll auch weiterhin
intensiv zur Forschung genutzt werden.
Foto: NASA / ESA |
Bereits 2008 war Deutschland mit 603 Millionen Euro stärkster
ESA-Partner und trägt auch in Zukunft rund ein Viertel aller Beiträge.
Für die deutsche Bundesregierung führte Peter Hintze, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi),
die Verhandlungen. Er wurde dabei unterstützt von der deutschen
Delegation im ESA-Rat unter Vorsitz von Prof. Dr. Johann-Dietrich
Wörner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR).
Nach Abschluss der Konferenz betonte Hintze: "Der Klimawandel ist eine der
größten Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert. Deshalb bin ich
besonders stolz darauf, dass wir unsere Spitzenstellung in der Erdbeobachtung
weiter ausbauen konnten. Deutsche Hochtechnologie wird die zuverlässige,
nachhaltige Erforschung des Klimawandels gewährleisten. Die beschlossenen
Programme sind die Voraussetzung, dass Deutschland und Europa Wetter,
Naturkatastrophen und Klima in bislang unerreichter Präzision überwachen und
vorhersagen können. Mit seinem führenden Engagement sichert sich Deutschland
zudem herausragende Kompetenzen in Hightech-Branchen, wie dem Bau von Satelliten
und Forschungsinstrumenten."
Auch der DLR-Chef Wörner beurteilte den Ausgang der Konferenz positiv: "Ich
bin sehr erfreut, dass es trotz der unterschiedlichen und wohl begründeten
Interessen der einzelnen ESA-Mitgliedsstaaten zu einem guten und tragfähigen
Ausgleich der Positionen gekommen ist. Die Partner haben ihren Willen
demonstriert, auch weiterhin einen gemeinsamen Weg in der Raumfahrt zu gehen.
Damit wird Europa auch künftig ein starker Akteur in der internationalen
Raumfahrt sein. Die anspruchsvollen Forschungsaufgaben, Programme und Projekte,
denen wir uns im DLR stellen, werden durch die Ergebnisse der Konferenz
gestärkt."
Das Wissenschaftsprogramm der ESA wird ab 2009 jährlich um 3,5 Prozent
wachsen. Damit stellen die Minister sicher, dass die Weltraumforschung auch in
Zukunft das Flaggschiff der europäischen Raumfahrt bleibt. Bis 2013 investieren
die Partner 2.327 Millionen Euro in das Wissenschaftsprogramm, Deutschland
beteiligt sich mit 484 Millionen Euro, das entspricht 21 Prozent. Damit
behauptet Deutschland klar seine führende Position. In den vergangenen
Jahrzehnten hat nicht nur die deutsche Industrie, sondern auch die Wissenschaft
überproportional vom ESA-Wissenschaftsprogramm profitiert. Höhepunkte der
Weltraumforschung werden in den kommenden Jahren das Weltraumteleskop
Herschel/Planck (Start im Frühjahr 2009), die Mission Gaia zur
dreidimensionalen Vermessung unserer Milchstraße (2011) sowie die Reise der
Raumsonde BepiColombo zum sonnennächsten Planeten Merkur (2014) sein.
Von besonderer Bedeutung für Deutschland und Europa ist die Erdfernerkundung.
Deutschland führt mit 37 Prozent die gemeinsame Initiative von ESA und EU zur
Umwelt- und Sicherheitspolitik GMES (Global Monitoring for Environment and
Security). Dies entspricht 317 Millionen Euro für den Aufbau der
Weltraumsysteme. Damit ist Deutschland bei der Umweltbeobachtung, in der
Katastrophenvorhersage und in Sicherheitsfragen bestens aufgestellt. Deutschland
behält zudem die Führung in der wissenschaftlichen Erdfernerkundung. Für die
Wetterbeobachtung beschloss der Ministerrat die dritte Generation des
europäischen Satellitensystems Meteosat (MTG, Meteosat Third
Generation), die in den Jahren 2009 bis 2020 verwirklicht werden soll.
MTG besteht aus sechs geostationären Satelliten. Sie setzen die Datenreihe
der bisherigen Generationen mit besserer zeitlicher, räumlicher und spektraler
Auflösung fort. Zudem wird die Unwetterwarnung durch die Beobachtung von Blitzen
erweitert und die Verteilung von Temperaturen, Feuchtigkeit und Winden
dreidimensional erfasst. Deutschland beteiligt sich an dieser neuen
Satellitenserie mit 34 Prozent, entsprechend 292 Millionen Euro. Damit zieht
Deutschland gleich mit Frankreich, das drei Jahrzehnte lang die alleinige
Systemführung für Meteosat hielt.
Europa wird in Zukunft mit drei Trägern einen autonomen Zugang zum All haben.
Hierdurch kann Europa ungehindert und unabhängig von anderen Raumfahrtnationen
das All in so wichtigen Bereichen wie der Erdbeobachtung, Meteorologie,
Aufklärung, Kommunikation und Navigation nutzen. Um dieses Ziel zu erreichen,
beteiligt sich Deutschland mit etwa 25 Prozent am Programm der Ariane 5
sowie deren Fortentwicklung. Dies entspricht rund 293 Millionen Euro. Als
Kernziele der Weiterentwicklung der Ariane 5 soll zum einen die
Nutzlastkapazität um etwa 1,5 Tonnen gesteigert werden, um mittelfristig
Doppelstarts für die kommerzielle Vermarktung des Trägers garantieren zu können.
Zum anderen soll das System durch eine wiederzündbare, kryogene Oberstufe aus
Deutschland flexibler werden, um unterschiedliche Zielorbits zu erreichen.
Deutschland unterstützt zudem die künftigen Starts der Sojus-Raketen
von Kourou in Französisch Guayana sowie den Einsatz der kleinen, neuen
europäischen Trägerrakete Vega für Lasten bis zu 1.500 Kilogramm ab
2009.
In Den Haag konnte Deutschland seine Partner dafür gewinnen, die ISS auch
künftig anspruchsvoll zu nutzen. Der Start des europäischen Labors Columbus
im Februar 2008 und die erfolgreiche Mission des Automatischen Transfer-Vehikels
(ATV) im Frühjahr und Sommer dieses Jahres haben die hervorragende Kompetenz
Europas auf diesem Gebiet der Raumfahrt weltweit sichtbar gemacht. Im Rahmen des
ESA-Programms für den Betrieb der Raumstation ist Deutschland zu 38 Prozent an
den Festkosten sowie mit 25 Prozent an den variablen Betriebskosten beteiligt.
Dies entspricht von 2008 bis 2012 rund 562 Millionen Euro. Finanziert wird
hiermit der Betrieb von Columbus, Bau, Start und Betrieb der künftigen
ATVs, Integration und Betrieb von Nutzlasten sowie Ausbildung und Unterstützung
der europäischen Astronauten.
An den Kosten für die dritte Periode des Programms ELIPS (European
Programme for Life and Physical Sciences in Space) zur Forschung unter
Weltraumbedingungen beteiligt sich die Bundesrepublik mit 37 Prozent oder 146
Millionen Euro. ELIPS bildet das Rückgrat der europäischen ISS-Nutzung. Mit
einem Anteil von weit mehr als 90 Prozent ist es das mit Abstand wichtigste
Nutzerprogramm. Es zielt zunächst ab auf wissenschaftliche Erkenntnisse in
Medizin, Biologie, Materialwissenschaften und Physik. Darüber hinaus strebt es
nach neuen Anwendungen auf der Erde, etwa in den Bereichen Werkstoffe und
Medizin.
Mit ihrem überdurchschnittlich hohen Beitrag unterstreicht die
Bundesregierung die weltweite Spitzenposition Deutschlands in der
Mikrogravitationsforschung: Mehr als 40 Prozent der europäischen ISS-Experimente
stammen von deutschen Wissenschaftlern. Dabei hat Deutschland einen hohen
finanziellen Rückfluss: 40 Prozent mehr Gelder fließen an deutsche
Forschungseinrichtungen, als Deutschland in das ESA-Programm einzahlt.
Weiterhin beschlossen die Minister eine Studie zur Fortentwicklung des ATV
für den sicheren Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sowie eine Studie für eine
robotische Landemission auf dem Mond. Zusammen mit weiteren kleineren Studien
wird sich Deutschland in diesem Bereich mit 25 Millionen Euro beteiligen. Die
Kosten für die Mars-Mission ExoMars waren von ursprünglich geplanten
593 Millionen (deutscher Anteil: 14,5 Prozent) auf 1,2 Milliarden Euro
angestiegen. Für das maßgeblich von Italien unterstützte Programm wurde eine
Neukonzipierung bei maximal einer Milliarde Euro beschlossen. Der Start ist nun
für das Jahr 2016 vorgesehen. ExoMars soll die Marsoberfläche nach
Spuren von Leben untersuchen und die geophysikalischen Eigenschaften des
Planeten erkunden. Deutsche Wissenschaftler sind an 19 der geplanten 23
Forschungsinstrumente beteiligt.
Ein weiterer Beschluss betraf die ARTES-Programme. Diese tragen nachhaltig
zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Satellitenindustrie bei, die sich seit
langem als feste Größe auf dem Weltmarkt etabliert hat. ARTES (Advanced
Research in Telecommunication Systems) umfasst fortschrittliche
Funkdienste, Rundfunk-, Datenrelais-, Such- und Rettungssysteme, um die
Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Deutschland verpflichtete sich mit rund
220 Millionen Euro für die gemeinsamen Programme der Satellitenkommunikation,
dies entspricht 22 Prozent.
Von strategischer Bedeutung ist der Ministerbeschluss für ein europäisches
Daten-Relais-Satellitensystem im geostationären Orbit. Durch die bessere
Datenanbindung an Bodenstationen und Rechenzentren werden unter anderem die
GMES-Daten rascher genutzt und notwendige Entscheidungen zur Umwelt- und
Sicherheitslage schneller gefällt werden können. Deutschland wird hier mit 49
Prozent, entsprechend 113 Millionen Euro, die Systemführung übernehmen. In Den
Haag wurde zudem die deutsche Programmführung bei neuen, kleinen
Nachrichtensatelliten mit einer maximalen Nutzlastmasse von 300 Kilogramm und
einer elektrischen Leistung von drei Kilowatt bestätigt. Dieser Markt wird
zurzeit neben den USA nun auch von Indien bedient und stellt damit für Europa
eine ganz besondere Herausforderung dar.
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