Forschung für den Shuttle-Nachfolger
Redaktion
/ Pressemitteilung der Technischen Universität München
astronews.com
18. November 2008
Die amerikanischen Raumfähren sind ein Auslaufmodell. Für
den Nachfolger der Space Shuttle wird nicht nur in den USA sondern auch
in Deutschland geforscht. An der Technischen Universität München interessiert
man sich besonders für den Hitzeschutzschild. Durch gezielte Grundlagenforschung
soll das lebenswichtige Schild leichter werden.

Auslaufmodell
Shuttle - die amerikanischen Raumfähren sollen im
nächsten Jahrzehnt nicht mehr fliegen.
Foto: NASA |
Das Space Shuttle Endeavour hat gerade wieder ein
Logistikmodul zur Internationalen Raumstation transportiert. Doch seit
US-Präsident Bush 2004 das neue Raumfahrtprogramm der USA angekündigt
hat, ist klar, dass das Shuttle ein Auslaufmodell ist, und dass
ab 2010 ein Nachfolger ins All starten muss. Daher wird mit Nachdruck an
einer Alternative geforscht, und das nicht nur bei der NASA. Ein Team
der International Graduate School of Science and Engineering
(IGSSE) der TU München, das in Kooperation mit der Stanford
University der NASA zur Hand geht, beteiligt sich an der
Forschungsarbeit. Im Projekt, welches Dr. Christian Stemmer vom
Lehrstuhl für Aerodynamik leitet, werden die physikalischen
Rahmenbedingungen für ein neues Hitzeschutzschild für das Raumfahrzeug
der nächsten Generation geschaffen.
Das Gewicht ist eine der wichtigen Faktoren, die bei der Entwicklung eines
Raumfahrzeuges berücksichtigt werden müssen. Es spielt eine große Rolle, denn
jedes überschüssige Gramm muss in den Weltraum transportiert werden. Steigt das
Gewicht, vervielfacht sich auch der Treibstoffbedarf. Doch stößt man hier an
eine physikalische Grenze. Denn auch der Treibstoff hat ein Eigengewicht, das es
zu transportieren gilt. Um genug Personen und Versorgungsgüter mitnehmen zu
können, kommt es demnach auf jedes Gramm an, das eingespart werden kann. Ist ein
Raumfahrzeug zu schwer, bekommt man plötzlich nur noch zwei, statt der
eigentlich gewollten vier Astronauten unter.
Beim Hitzeschild, das das Raumfahrzeug ummantelt, sehen die Forscher eine
Möglichkeit Gewicht zu sparen. Die Aufgabe eines solchen Schildes ist, das
Raumfahrzeug beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor den dabei entstehenden
hohen Temperaturen zu schützen. Hier werden extreme Geschwindigkeiten über
30.000 Kilometer pro Stunde erreicht. Diese Energie kann nur durch Reibung des
Raumfahrzeugs an der Lufthülle abgebaut werden. Dabei werden an den Vorderseiten
Lufttemperaturen um das Raumfahrzeug von mehreren Tausend Grad erreicht. Die
Oberfläche, also das Hitzeschutzschild, heizt sich mit der Zeit auf Temperaturen
bis zu 2.000 Grad auf, ohne dass die tragende Struktur darunter in
Mitleidenschaft gezogen werden darf. Ein Loch im Hitzeschutzschild hatte 2003
zum Absturz des Space Shuttles Columbia geführt.
Viele Projekte in der Raumfahrt starteten in den 1960er und 1970er Jahren und
wurden durch den Kalten Krieg schnell vorangetrieben. "Damals hatte man,
aufgrund des Wettlaufs zum Mond zwischen USA und Russland, weder die Zeit alles
vorher genau zu testen, noch die Berechnungsmöglichkeiten, die wir heute haben.
Das Ziel, vor den Russen auf dem Mond zu sein war wichtiger als ein
Sicherheitsniveau, wie es heute gewährleistet werden kann," erklärt Stemmer.
Seit 2001 forscht er an dem Thema, das seit Bewilligung der International
Graduate School of Science and Engineering (IGSSE) in der
Exzellenzinitiative zusätzlich gefördert wird. Ziel der Graduiertenschule ist es
unter anderen auch, Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen
zusammenzubringen und eine Plattform für interdisziplinäre Forschung zu
schaffen.
So ist das auch in der Arbeitsgruppe von Herrn Stemmer. "Neben der
Aerodynamik, spielt auch die Chemie eine ganz entscheidende Rolle," so Stemmer,
"denn die aufgeheizten Moleküle reagieren miteinander und verbrauchen dadurch
zusätzliche Energie. Auf diesem Weg können wir die Temperaturen genauer
simulieren und das Hitzeschild damit verbessern."
Eine ganz entscheidende Rolle spielen bei der Optimierung auch Hindernisse
auf der Oberfläche, denn jedes führt dazu, dass sich die Luft aufstaut und
aufheizt, das können überstehende Befestigungselemente oder aufstehende
Dichtungen sein. Experimente sind bei solchen Geschwindigkeiten kaum möglich, da
hilft nur der Rechner. Bei früheren Missionen hat man festgestellt, dass an
Befestigungselementen das Hitzeschild nach dem Wiedereintritt stark abgebrannt
war, an anderen Stellen aber kaum in Mitleidenschaft gezogen wurde. "Jetzt
wissen wir auch warum, und können in Zukunft an manchen Stellen die Dicke des
Schildes erhöhen und an manchen verringern - je nach Bedarf," sagt Stemmer.
Das Team um Stemmer betreibt auf dem Gebiet Grundlagenforschung, die nicht
nur in Hinblick auf den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nutzbringend ist.
Denn ist die Zusammensetzung der Atmosphäre eines beliebigen Planeten bekannt,
kann mit den Ergebnissen der atmosphärische Eintritt für diesen simuliert und
berechnet werden. Der Grund dafür ist, dass die physikalischen Gesetze überall
gleich sind, nur die Molekülzusammensetzung und die Dichte unterscheiden sich
von den Bedingungen auf der Erde. Schon seit längerer Zeit sind bemannte
Missionen zum Mars geplant. Hier müssen ebenfalls neue Raumfahrzeuge entwickelt
werden, die genau auf die Bedürfnisse der Mission abgestimmt sind. Die
Entwickler profitieren von der Forschung der TU München, denn auch hier gilt die
goldene Regel: je weniger Masse, desto besser.
Die International Graduate School of Science and Engineering (IGSSE)
ist eine Einrichtung der Technischen Universität München. Gegründet wurde sie im
Rahmen der Exzellenz-initiative des Bundes und der Ländern im Jahr 2006. Ziel
der Graduate School ist die Förderung von interdisziplinärer Spitzenforschung im
Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin. Neben der
Finanzierung von Nachwuchsgruppen setzt die IGSSE auf die individuelle Förderung
von Doktorandinnen und Doktoranden. Inzwischen haben 30 interdisziplinäre
Projektteams mit insgesamt 132 Doktoranden (davon 50 Stipendiaten), 27
Projektteam-Leiter und 60 "Principal Investigator" ihre Arbeit unter dem Dach
der IGSSE aufgenommen.
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