Galaxie schießt auf galaktischen Nachbarn
von Stefan Deiters astronews.com
18. Dezember 2007
Mithilfe von Beobachtungen verschiedenster Teleskope
konnten Astronomen nun einen besonderen Fall von galaktischer Brutalität
aufdecken: Aus dem Zentrum einer Galaxie schießt ein gewaltiger Jet ins All und
trifft dabei auf eine Nachbargalaxie. Für diese dürfte dieser intergalaktische
Angriff, so die Ansicht der Wissenschaftler, erhebliche Folgen haben -
insbesondere für dort möglicherweise existierende Planeten.

Dieses Bild von
3C321 kombiniert Beobachtungen aus verschiedenen
Wellenlängenbereichen: Röntgendaten von Chandra
erscheinen violett, Optische/UV-Daten von Hubble
rot und orange, Radiodaten von VLA und MERLIN
blau. Links unten ist die größere Galaxie zu
sehen, der helle bläuliche Fleck links unterhalb der Mitte
markiert die Stelle, wo der Jet die andere
Galaxie trifft, der Jet (blau) ist danach
deutlich gestört. Bild:
NASA / CXC/ CfA / D.Evans et al. (Röntgen); NASA / STScI (Optisch/UV); : NSF / VLA / CfA / D.Evans
et al., STFC/JBO/MERLIN (Radio) [Großansicht]

Künstlerische
Darstellung des 3C321-Systems. Bild:
NASA / CXC / M. Weiss [Großansicht] |
Das beobachtete Galaxiensystem trägt den Namen 3C321 und besteht
aus zwei Galaxien, die einander umkreisen. Mit Hilfe des NASA-Röntgenteleskops
Chandra konnten Astronomen bereits feststellen, dass beide Galaxien in ihrem Zentrum
ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergen. Die größere der beiden
Galaxien verfügt zudem über einen gewaltigen kosmischen Jet, der seinen Ursprung
in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs hat. Bei Jets handelt es sich um eng gebündelte Teilchenstrahlen,
die mit hoher Geschwindigkeit ins All schießen. Die
kleinere Galaxie ist nun offenbar auf ihrem Orbit in den Jets
geraten und wird von diesem getroffen.
Die Astronomen haben die größere der beiden Galaxien inzwischen
"Todesstern-Galaxie" genannt, denn sicher ist, dass der Jet in der kleineren
Galaxie für erheblichen Wirbel sorgen dürfte. Der Nachweis
dieses brutalen Verhaltens unter Nachbarn gelang durch die Zusammenarbeit
verschiedener Teleskope, die das System in den unterschiedlichsten
Wellenlängenbereichen beobachtet haben. Dazu zählen neben Chandra auch das
Weltraumteleskop Hubble, das Infrarotteleskop Spitzer sowie zwei
Radioteleskope.
"Wir haben schon viele Jets gesehen, die von Schwarzen Löchern erzeugt
werden, doch dies ist das erste Mal, dass wir beobachten können, wie ein solcher
Jet eine andere Galaxie trifft", verdeutlicht der Leiter der Studie Dan Evans
vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics die Bedeutung der Beobachtung.
"Dieser Jet könnte jede Menge Probleme für die kleinere Galaxie verursachen."
Die gebündelten Teilchenstrahlen, die von supermassereichen Schwarzen Löchern
ausgehen, produzieren jede Menge an hochenergetischer Strahlung wie etwa
Röntgen- und Gammastrahlung. Kombiniert mit den schnellen Teilchen des Jets, die mit
nahezu Lichtgeschwindigkeit fliegen, könnte das zum Beispiel für Planeten in der
Bahn des Jets ernsthafte Probleme bedeuten: Deren Atmosphären dürften
beispielsweise stark in
Mitleidenschaft gezogen werden, in dem die schützende Ozonschicht
zerstört wird.
Jets von supermassereichen Schwarzen Löchern transportieren gewaltige
Energiemengen in Regionen, die weit entfernt vom zentralen Schwarzen Loch einer
Galaxie liegen. Auf diese Weise kann ein Schwarzes Loch auch noch in großer
Entfernung die Entwicklung einer Galaxie beeinflussen, was die Jets für
Astronomen so interessant macht. "Wir sehen diese Jets überall im Universum",
erklärt Martin Hardcastle von der englischen University of Hertfordshire,
"aber wir haben immer noch Mühe, einige zentrale Funktionsweisen zu verstehen.
3C321 gibt uns die Möglichkeit zu untersuchen, was passiert, wenn so ein Jet in
irgendetwas hineinrauscht - wie hier in eine Galaxie - und wie dies den Jet danach
beeinflusst."
Für die kleinere Galaxie dürfte der Angriff per kosmischen Jet dramatische
Folgen haben: Die beiden Galaxien von 3C321 sind sich mit nur 20.000 Lichtjahren
Entfernung sehr nahe. Dies ist in etwa derselbe Abstand, den die Erde vom
Zentrum der Milchstraße hat. Gut auf dem Bild zu erkennen ist die Stelle, wo der Jet
auf die andere Galaxie trifft und wie der Strahl danach abgelenkt wird. Begonnen
haben dürfte der Beschuss der kleinen Galaxie vor nicht einmal einer Millionen
Jahren. Die Astronomen können sich also glücklich schätzen, überhaupt Zeuge
dieses Ereignisses geworden zu sein.
Wie sooft im Universum könnten aber auch im Fall von 3C321 Zerstörung und
Neubeginn Hand in Hand gehen: Durch den Jet gelangen enorme Mengen an Energie in die
kleinere Galaxie, was irgendwann einmal für die Entstehung neuer Sterne und
Planeten sorgen könnte.
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Chandra, Seite an der
Harvard-Universität
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