Früherer Marsozean wird wahrscheinlicher
von Stefan Deiters astronews.com
14. Juni 2007
Amerikanische Wissenschaftler haben jetzt eines der
stärksten Argumente gegen einen großen urzeitlichen Ozean auf dem Mars widerlegen
können
und damit - nach eigenen Angaben - die Existenz eines Ozeans auf dem Mars
bewiesen. Bislang unerklärliche Höhenunterschiede im Küstenverlauf des
vermuteten Ozeans konnten sie durch zwei Polwanderungen klären. Einmal
verschob sich der Pol gar um 3.000 Kilometer.

So könnte der
Ozean auf dem Mars vor über zwei Milliarden
Jahren ausgesehen haben. Bild: Taylor Perron / UC Berkeley
[Großansicht] |
Schon beim Blick durch ein Teleskop ist eines nicht zu übersehen: Die große, den Nordpol des Mars umgebende Ebene sieht dem Boden
eines ausgetrockneten Ozeans verdammt ähnlich. Und als die Viking-Sonden in den
1970er-Jahren gar an zwei Stellen Strukturen fotografierten, die Küstenlinie
ähnelten, war die Sachlage für viele klar: Der Mars muss einmal einen riesigen
Ozean gehabt haben.
Doch die neuen Sonden, die Ende des vergangenen Jahrhunderts zum Mars
gestartet wurden, brachten nicht nur Indizien für einmal vorhandenes Wasser,
sondern erschütterten auch den Glauben an einen riesigen Marsozean: Mars Global Surveyor untersuchte nämlich die Topographie des
Roten
Planeten mit bis dahin unerreichter Genauigkeit und stellte fest, dass die
vermeintlichen Küstenlinien Höhenschwankungen von mehreren Kilometern aufweisen.
Für Experten ein gewichtiges Argument gegen die Ozeantheorie.
Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Berkeley könnten jetzt
aber den urzeitlichen Marsozean gerettet haben: Sie konnten nachweisen, dass
die wellenförmigen Küstenlinien auf dem Mars durch eine Verschiebung der
Drehachse - und damit der Pole - des Planeten zu erklären wären. Diese hätte sich
innerhalb der letzten zwei bis drei Milliarden Jahre um rund 3.000 Kilometer
verschoben. Da sich drehende Körper am Äquator aber ausbeulen, könnte diese
"Polwanderung" auch zu einer Veränderung in der Höhe der Küstenlinien
geführt haben.
Berechnungen von Taylor Perron, einem früheren Doktoranden in Berkeley, der
auch Erstautor eines jetzt erschienenen Fachartikels in der Zeitschrift Nature
ist, zeigen, dass durch die Eigenschaften der Marskruste bei einer
Polverschiebung Höhenunterschiede von mehreren Kilometern entstehen könnten -
beispielsweise bei Strukturen wie Küstenlinien. "Taylors Ergebnisse sind einfach
wunderbar", findet auch Mark Richards, Professor für Erd- und
Planetenwissenschaften in Berkeley. "Es ist faszinierend, dass man einen so
großen Teil der Daten über die Küstenlinien mit einem so einfachen Modell
erklären kann. Das hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten. Damit ist die
Existenz eines früheren
Ozeans auf dem Mars wirklich bestätigt."
Normalerweise, so erläutert Richards, bleibt die Neigung der Rotationsachse
eines Planeten bezogen auf die Sonne konstant, allerdings kann sich die Kruste
relativ zu dieser Achse verschieben. Die Frage ist nur: Warum hat sich die
Rotationsachse relativ zur Kruste verschoben? Als Ursache kommt hier jegliche
Verlagerung von Masse, etwa innerhalb des Mantels oder zwischen Mantel und Kruste
(etwa bei einem Vulkan) in Frage oder auch ein gewaltiger Einschlag aus dem All.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die beiden Küstenlinien in ihrer heutigen
Form mit einer Wanderung der Pole um 50 Grad (entsprechend 3.000 Kilometern) und
einer späteren Verschiebung um 20 Grad (entsprechend 800 Kilometern) zu erklären
wären. Interessanterweise liegen die beiden historischen Pole sowie der heutige
Pol auf einer geraden Linie und sind alle gleich weit von der größten
Oberflächenstruktur des Mars entfernt, der Tharsis-Region mit dem größten Vulkan
des Sonnensystems, dem Olympus Mons.
Tharsis ist gleichzeitig eine gewaltige Aufwölbung der Marskruste und die
gefundenen relativen Polpositionen sind exakt das, was man für jede
Massenverschiebung auf dem Mars, die kleiner ist als die Tharsis-Aufwölbung
erwarten würde.
Dann nämlich würde sich der Planet aus dynamischen Gründen neu orientieren, damit
Tharsis weiterhin in Äquatornähe bleibt. "Dass die drei Pole so auf einer Linie
liegen, kann kein Zufall sein", so die Wissenschaftler.
Das Wandern der Pole könnte auch - so glaubt jedenfalls Michael Manga, ein
Kollege von Richards in Berkeley - direkt mit dem
Auftauchen und Verschwinden von Wasser zu tun gehabt haben, das auch zur
Entstehung der beiden beobachteten Küstenlinien führte: Das vielleicht
mehrere Kilometer tiefe Wasser, das für die ältere Küstenlinie verantwortlich
ist, könnte so eine große Masse gehabt haben, dass es für die Polverschiebung um 50
Grad nach Süden verantwortlich war. Als es verschwand, bewegte sich der Pol
zurück.
Nach einer gewaltigen Regenzeit entstand ein weniger tiefer Ozean, der
für die jüngere Küstenlinie verantwortlich ist und der Pol wanderte erneut -
diesmal um 20 Grad. Als auch dieser Ozean verschwand kehrte der Pol in seine
heutige Position zurück. Unklar ist, ob die beiden Küstenlinien tatsächlich zwei verschiedene Ozeane
repräsentieren oder aber der größere Ozean irgendwann bis auf die Küstenlinie
des jüngeren Ozeans zurückgefallen ist.
Richards ist allerdings nicht überzeugt, dass das Szenario seines Kollegen der Grund für
die Wanderung der Marspole ist. Er favorisiert Massenbewegungen im heißen
Marsinneren, sogenannte thermische Konvektion, als Ursache für die
Polverschiebungen. "Solche thermische Konvektion muss es noch heute geben, da
es bei Olympus Mons vor nicht einmal 100 Millionen Jahren noch Lavaausflüsse
gab", so Richards. "Aber noch ist nicht entschieden, welches Modell richtig
ist."
Die Fluten auf dem Mars jedenfalls, so die Forscher, müssen gewaltig gewesen
sein und alles übertroffen haben, was man von der Erde her kennt. Dazu müsse man
sich nur die gewaltigen eingeschnittenen Täler in der Tharsis-Region anschauen.
Das Wasser könnte verdunstet oder aber im Untergrund versunken sein. Dort ist es
vielleicht noch heute - gefroren nahe der Oberfläche, aber vielleicht noch
flüssig in größerer Tiefe.
|