Woher stammt
der Staub im frühen Universum?
Redaktion
astronews.bom
17. Dezember 2004
Im
letzten Jahr schien alles klar zu sein: Die großen Mengen Staub, welche die
frühesten Quasare umgeben, haben sich bei den Supernova-Explosionen der ersten
Sterngenerationen nach dem Urknall gebildet. Beobachtungen des
Supernova-Überrests Cassiopeia A sollten dies belegen. Doch nun sieht es so aus,
als hätten sich die Astronomen von einer interstellaren Wolke im Vordergrund
täuschen lassen.

Der Supernova-Überrest Cassiopeia A, aufgenommen mit dem
Weltraum-Observatorium Spitzer bei einer Wellenlänge von 24
Mikrometern. Dieses Infrarotbild zeigt die Emission des von der
Supernova erzeugten warmen Staubes, der eine Gesamtmasse von nur
0,002 Sonnenmassen aufweist. Bild: Max-Planck-Institut
für Astronomie |
Manche Astronomen glaubten seit vergangenem Jahr zu wissen, wie die großen
Mengen Staub entstanden sind, welche die frühesten Quasare umgeben: Sie sollten
sich bei den Supernova-Explosionen der ersten Sterngenerationen nach dem Urknall
gebildet haben. Das wurde aus Beobachtungen des angeblich "stark rauchenden"
Supernova-Überrests Cassiopeia A geschlossen.
Nun zeigen neue, von
Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astronomie, der University of
Arizona sowie des Space Science Institute in Boulder (beide USA) mit den
Infrarot-Satelliten ISO und Spitzer gewonnene Beobachtungen, dass dieser
wichtige Befund nicht zu halten ist. Der Staub gehört vielmehr zu einer
interstellaren Wolke, die weiter im Vordergrund steht und Cassiopeia A
überdeckt.
Die Frage nach dem Ursprung der ersten Staubkörner im Kosmos hat grundlegende
Bedeutung. Bekanntlich gab es am Anfang unseres Universums nur Wasserstoff, also
ein Gas aus den einfachsten Atomen. Schwerere Elemente wie Kohlenstoff,
Sauerstoff, Silizium usw. bis hin zum Eisen wurden erst im Inneren der Sterne
der ersten Generation synthetisiert. Alle noch schwereren Elemente entstanden
sogar erst bei Supernova-Explosionen.
Die schwereren Elemente stehen also erst für den Aufbau der Sterne späterer
Generationen zur Verfügung. Staubkörner, die ersten Festkörper im Kosmos,
bestehen aus diesen schwereren Elementen und bilden sich in den kühlen Winden
aus, die von mehrere Milliarden Jahre alten, sonnenähnlichen Sternen ausgehen -
oder aber auch, bereits nach wenigen Millionen Jahren - in
Supernova-Explosionen. Erst dann steht der Staub zur Verfügung für den Aufbau
von Sternen späterer Generationen und - aus menschlicher Sicht besonders wichtig
- ihrer eventuellen Planetensystemen.
In den letzten Jahren haben Astronomen in der Umgebung der fernsten Quasare,
die wir im jungen Universum, nur etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall,
beobachten, große Mengen interstellaren Staub entdeckt. Damit stellte sich das
Problem: Wie konnte all dieser Staub so schnell entstehen? Offenbar kommen dafür
nur die Supernova-Explosionen in Frage, da das Universum damals zur Ausbildung
kühler Winde alter sonnenähnlicher Sterne noch viel zu jung war. Aber waren die
Supernovae tatsächlich so ergiebig?
Eine erste Antwort auf diese Frage gab ein 2003 erschienene, viel zitierte
wissenschaftliche Arbeit: Zwar galten bisher Supernova-Überreste als staubarm,
da sich in ihnen im kurzwelligen Infrarotbereich nur wenig warmer Staub
nachweisen ließ. Die Autoren beobachteten aber in Richtung auf den
Supernova-Überrest Cassiopeia A (kurz: Cas A) starke thermische Emission im
Submillimeterbereich, wie sie für große Mengen kalten interstellaren Staubes
charakteristisch ist.
Sie ordneten diesen Staub der Umgebung von Cas A zu und
glaubten, damit auch eine Erklärung für das Rätsel der großen Staubmengen im
frühen Universum gefunden zu haben: Anscheinend produzierten Supernovae vom Typ
II (zu denen die Supernova in Cas A gehört) tatsächlich genügend viel Staub.
Eine Supernova-Explosion vom Typ II ereignet sich, wenn der Kernbereich eines
extrem kurzlebigen, massereichen Sterns am Ende seiner Entwicklung in sich
zusammenstürzt und dabei große Mengen an Gravitationsenergie freisetzt, die den
größten Teil des Sterns explosionsartig auseinander fliegen lässt.
Doch der Supernova-Überrest Cassiopeia A wurde auch vom Infrarotsatelliten
ISO im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung im fernen Infraroten - der so
genannten ISO- Zufallsdurchmusterung bei einer Wellenlänge von 170 Mikrometern
beobachtet. Bei dieser Wellenlänge emittiert sehr kalter Staub (mit Temperaturen
von unter -250 Grad Celsius) seine "Wärmestrahlung".
Auf diese Weise haben die
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg gemeinsam
mit ihren amerikanischen Kollegen eine kalte interstellare Wolke entdeckt, die Cas A überdeckt. Sie vermuten daher, die 2003 gemessene Submillimeter-Strahlung
könnte eigentlich nur von dieser Wolke stammen, die zwar in Richtung des
Supernova-Überrests, aber weit im Vordergrund steht und nicht mit der Supernova
assoziiert ist. Diese Vermutung haben die Astronomen noch durch Beobachtungen
mit dem weltraumgestützten Infrarotteleskop Spitzer erhärtet und
inzwischen in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Cas A ist der jüngste bekannte Supernova-Überrest in unserer Milchstraße. Er
steht etwa 11.000 Lichtjahre entfernt, jenseits des staubreichen
Perseus-Spiralarms. Die Forscher vermuten, dass eben diese im Vordergrund
gelegenen Staubwolken verhindert haben, dass die Astronomen des späten 17.
Jahrhunderts die Supernova-Explosion beobachten konnten, deren Überrest Cas A
heute ist. Cas A steht der Erde so nahe, dass die Supernova für einige Zeit als
der hellste Stern am ganzen Himmel hätte erscheinen müssen, doch die Staubwolke
im Perseus-Arm hat sie verdeckt.
Das deutsch-amerikanische Team kartierte Cas A bei 160 Mikrometern
Wellenlänge unter Einsatz des Weltraumteleskops Spitzer und seines abbildenden
Photometers und verglich diese Ergebnisse mit einer im Radiobereich erstellten
Karte derselben Himmelsregion. Aus diesem Vergleich ergibt sich, dass der Staub
in den interstellaren Wolken praktisch für die gesamte Infrarotstrahlung
verantwortlich ist. Damit kann man keine wesentlichen Mengen Staub mit dem
Supernova-Überrest Cas A assoziieren.
Daher müssen sich die Astronomen erneut auf die Suche machen, um die ersten
Staubquellen im Kosmos zu identifizieren. Gelingt das, so werden wir wissen, wie
und wo die allerersten Sterne entstanden sind, oder ob es außer den stellaren
noch andere, bisher unbekannte Mechanismen gibt, Sternenstaub zu erzeugen. Die
Antwort wird unser Verständnis der frühesten Entwicklung der Galaxien wesentlich
vertiefen.
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