VLTI
Blick auf
Staubring um ein Schwarzes Loch
Redaktion
astronews.com
1. Juli 2003
Die Kerne
aktiver Galaxien stellen eines der energiereichsten und rätselhaftesten
Phänomene im Kosmos dar. Sie erhalten ihre Energie vermutlich durch gewaltige
Schwarze Löcher, die von einer dicken, ringförmigen Struktur aus Gas und Staub
umgeben sind. Jetzt gelang es einer Gruppe europäischer Astronomen erstmals,
Strukturen im Bereich des Staubtorus einer nahen aktiven Galaxie nachzuweisen.
Künstlerische Darstellung einer Aktiven Galaxie. Im Zentrum
liegt ein massereiche Schwarze Loch, umgeben von einer schnell
rotierenden Akkretionsscheibe und eingebettet in eine
torusförmige dichte Staubhülle. Von diesem Zentralbereich gehen
nach beiden Seiten in Polrichtung Jets aus. Bild: ESO /
Aurore Simonnet, Sonoma State Univ. |
Aktive Galaxien zählen zu den spektakulärsten Objekten am Himmel. Ihre
kompakten Kerne sind so leuchtkräftig, dass sie eine ganze Galaxie überstrahlen
können. Ihre Eigenschaften lassen sich in allen Wellenlängenbereichen studieren,
von der Radiostrahlung über das infrarote und sichtbare Licht bis zur
Röntgenstrahlung. Es häufen sich mittlerweile die Hinweise, dass die enorme
Energie, die in den Kernen umgesetzt wird, letztlich von einem zentralen
Schwarzen Loch erzeugt wird, dessen Masse bis zum Milliardenfachen der Masse
unserer Sonne betragen kann. Das Schwarze Loch wird über eine so genannte
Akkretionsscheibe gefüttert, die es eng umschließt. Das Material in dieser
Scheibe steht unter hohem Druck und wird auf extrem hohe Temperaturen
aufgeheizt. Die Strahlung dieses heißen Gases liefert die enorme Leuchtkraft der
Kerne Aktiver Galaxien.
Nach heutiger Auffassung ist das zentrale Schwarze Loch mit seiner
Akkretionsscheibe von einem dichten torusförmigen Gebilde aus Gas und Staub
umgeben. Die gesamte Struktur ist nur einige zehn Lichtjahre groß – in der
Entfernung der nächsten aktiven Galaxien entspricht diese Strecke einem
Winkeldurchmesser von weniger als 0.05 Bogensekunden. So groß erscheint eine
Münze in 40 Kilometer Entfernung – nicht einmal die Bildschärfe der neuen
Großteleskope der 10-Meter-Klasse ist ausreichend, um so kleine Strukturen
aufzulösen. Die Modellvorstellungen von dieser Struktur beruhen bisher auf
indirekten Hinweisen und sind entsprechend vage. Die torusförmigen
Staubverteilungen können sehr dicht und kompakt sein, oder auch sehr ausgedehnt
und von geringer Dichte. Um das zu entscheiden sind direkte Bilder solcher Tori
erforderlich.
Hier kommt die Interferometrie mit großen Teleskopen zum Einsatz. Mit dieser
Technik erreicht man durch die Kombination der Strahlengänge von zwei oder
mehreren Teleskopen eine Bildschärfe, die der Bildschärfe eines Teleskops mit
einer Öffnung entspricht, die dem Abstand zwischen den Einzelteleskopen gleicht.
Mit dem kürzlich in Betrieb genommenen Very Large Telescope Interferometer
(VLTI) der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Cerro Paranal in Chile ist
erstmals ein solcher Zusammenschluss von Großteleskopen möglich geworden. Vor
wenigen Monaten wurde das erste leistungsfähige Zusatzgerät am VLTI in Betrieb
genommen, die unter Leitung des Heidelberger MPI für Astronomie gebaute Kamera
MIDI zur interferometrischen Kombination der Lichtstrahlen von zwei
Großteleskopen bei Wellenlängen um 10 Mikrometer, im so genannten mittleren oder
thermischen Infrarot. In MIDI werden die Strahlengänge von zwei bis zu 200
Metern voneinander entfernten 8.2-Meter-Teleskopen zusammengeführt. Das damit
erreichte Auflösungsvermögen beträgt etwa 0.01 Bogensekunden.
Lichtstärke und Auflösungsvermögen dieser Anordnung sind damit erstmals
ausreichend, um die Struktur der Kerne Aktiver Galaxien weit außerhalb unseres
eigenen Milchstraßensystems direkt zu untersuchen. Die hohe Empfindlichkeit im
thermischen Infrarot eignet sich bestens zur Untersuchung des staubigen Torus,
der von der Strahlung der Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch auf wenige
Hundert Grad Kelvin (etwa Zimmertemperatur) erwärmt wird und die absorbierte
Energie im Bereich zwischen 5 und 200 Mikrometer Wellenlänge wieder abstrahlt.
Damit eröffnet MIDI der Forschung ein völlig neues, bisher unberührtes Feld.
Die ersten Beobachtungen nach Inbetriebnahme des Instruments fanden in den
Nächten vom 11. bis 16. Juni statt, unter anderem mit dem Ziel, die
Leistungsfähigkeit des Instruments und dieser Beobachtungstechnik zu
demonstrieren. Das Team der beteiligten europäischen Astronomen richtete sein
Augenmerk dabei im besonderen auf ein nicht einfach zu beobachtendes Objekt, die
60 Millionen Lichtjahre entfernte Aktive Galaxie NGC 1068. NGC 1068, auch als
Messier 77 bekannt, gehört zu den hellsten und nächsten Aktiven Galaxien. Sie
befindet sich im Sternbild Walfisch in einer Entfernung von etwa 60 Millionen
Lichtjahren. Sie ist eine der Größten in Messiers Katalog, ihre Spiralstruktur
wurde als eine der ersten erkannt. Ihr Kern ist extrem hell, nicht nur im
sichtbaren Licht, sondern auch im UV und im Röntgenlicht. Ein Schwarzes Loch mit
einer Masse von etwa hundert Millionen Sonnenmassen ist erforderlich, um die
hohe Aktivität und die starke Strahlung im Kernbereich zu erklären.
Für die interferometrischen Beobachtungen an NGC 1068 wurden die beiden
8.2-Meter-Teleskope Antu und Melipal verwendet, deren Abstand 102
Meter beträgt. Aufgrund der Projektionseffekte betrug die effektive Basislänge
bei den Beobachtungen 79 Meter. Eine vollständige Interpretation der ersten
Beobachtungen wird zwar erst auf der Grundlage weiterer Messungen bei
unterschiedlichen Basislinien möglich sein, die für den kommenden Herbst geplant
sind, wenn die Stellung der Galaxie am nächtlichen Himmel auch viel günstiger
sein wird als bei den ersten Messungen im Juni. Aber schon dieses erste Ergebnis
ist überzeugend: Die Messungen wurden unabhängig in zwei Nächten bei exzellenten
Wetterbedingungen durchgeführt. Sie zeigen in konsistenter Weise, dass im
Staubtorus von NGC 1068 ausgedehnte Strukturen von 0.03 Bogensekunden oder
kleiner vorhanden sind, entsprechend etwa 10 Lichtjahren am Ort der Galaxie.
Die Messung stellt zudem die erste jemals durchgeführte interferometrische
Beobachtung eines extragalaktischen Objektes im thermischen Infrarot dar. Dieser
Erfolg eröffnet den Zugang zu einem völlig neuen astronomischen
Forschungsgebiet: der Untersuchung der räumlichen Verteilung von Gas und Staub
in der Umgebung der gigantischen Schwarzen Löcher in fernen Galaxien. MIDI und
das VLTI werden in den kommenden Jahren für Astronomen aus aller Welt das beste
Instrumentarium zu diesen Untersuchungen bieten.
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ESO,
Europäische Südsternwarte |
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