Im Anschluss an die Entfaltung der Sonnenzellenflügel und der Radar- und
Funkantennen wurden die zehn Bordinstrumente eingeschaltet und nacheinander
überprüft. Alle zehn funktionieren einwandfrei. Der Satellit liefert planmäßig
seine Messdaten über die Atmosphäre, die Ozeane und die Land- und Eismassen und
trägt so zu einem besseren Verständnis der die globale Umwelt und den
Klimawandel betreffenden Fragen bei.
Envisat wird zudem die Informationen aus den Beobachtungen von ERS1 und
ERS2 ergänzen. Diese beiden ESA-Satelliten haben in den vergangenen zehn Jahren
wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen der Tätigkeit des Menschen auf die
Umwelt vermittelt und Probleme wie das Ozonloch und die zunehmende
Umweltverschmutzung in das Bewusstsein der Entscheidungsträger und - über die
Medien - der Öffentlichkeit gerückt.
Die anfänglichen Daten von Envisat wurden von der Bodenstation Kiruna in
Schweden empfangen und zur Verarbeitung an die ESA-Niederlassung ESRIN sowie an
Verarbeitungs- und Archivierungszentren in ganz Europa weitergeleitet. Das
Radarinstrument ASAR und das Instrument MERIS haben erste Bilder von Teilen der
Antarktis und Westafrikas aufgenommen. Diese Bilder sind von erstaunlich hoher
Qualität. Envisat wurde gerade rechtzeitig gestartet, um das dramatische
Auseinanderbrechen des Larsen B-Eisschelfs in Antarktika zu beobachten. Der in
der ASAR-Aufnahme erkennbare Einsturz des 3250 Quadratkilometer großen
Eisschelfs ist das neueste Drama in einer Region der Antarktis, die in den
letzten fünfzig Jahren eine außergewöhnliche Erwärmung erfahren hat.
Im letzten Monat zerbrach die 200 m dicke Eisdecke in kleine Eisberge und
Schollen, die als Streifen mittlerer bis starker Radarechos aus dem Gebiet
südlich von Seal Nunataks zum Weddellmeer wandern. Dies ist die größte in einer
Reihe von Rückzugsbewegungen, die im Eisschelf entlang der antarktischen
Halbinsel zu verzeichnen sind und auf die zunehmende Klimaerwärmung in dieser
Region zurückgeführt werden. Die durchschnittliche Erwärmung beträgt etwa 0,5
Grad Celsius pro Jahrzehnt und hat spätestens Ende der 40er Jahre eingesetzt.
Die nun mit ENVISAT gewonnenen Daten und die historischen Daten der
ERS-Satelliten seit 1992 zeigen den Rückzug von Larsen B und anderer Eisschelfe,
der wichtige Hinweise auf den Klimawandel in den Polregionen liefert. Diese
Beobachtungen sind für das Verständnis nicht nur der Eisdynamik und der
Wechselwirkungen zwischen dem Polareis und dem Klima, sondern auch der
weltweiten Meereszirkulation von Bedeutung, da Eisschelfe bei der Produktion von
Tiefenwasser eine maßgebliche Rolle spielen.
Von den zehn Instrumenten an Bord von Envisat hat das Abbildende
Spektrometer mittlerer Auflösung (MERIS) in den ersten Tagen nach seiner
Inbetriebnahme die Konzentration von Phytoplankton und Chlorophyll in der
westafrikanischen Region gemessen. Als weitere wichtige Eigenschaft gibt dieses
Instrument Auskunft über dynamische Aufwallungsgebiete und ihre
Primärproduktion. Diese Informationen erleichtern die Bewirtschaftung der
Fischbestände, da solche Aufwallungsgebiete zu den wichtigsten Fischfanggründen
gehören. Kommt der Aufwallungsprozeß zum Stillstand, wie dies bereits entlang
der peruanischen Küste während des Auftretens von El Niño der Fall war, bricht
die gesamte regionale Fischereiwirtschaft zusammen. Eine Klimaänderung wirkt
sich auf die Intensität und geographische Lage der Aufwallungsgebiete aus, was
für die Wirtschaft und Lebensqualität in den betreffenden Regionen gravierende
Folgen hat.
Darüber hinaus trägt MERIS mit Informationen über die Primärproduktion der
Weltmeere zu einem besseren Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs bei. Dank der
Beobachtungskapazität des MERIS-Instruments im Verbund mit dem synergetischen
Einsatz der anderen Instrumente an Bord von Envisat können äußerst genaue
Messungen der Temperaturen an der Meeresoberfläche angestellt und die
Wechselwirkungen zwischen Wind, Temperatur und Phytoplanktonwachstum genauer
untersucht werden.
Envisat ist bei einem Gewicht von 8000 kg so groß wie ein Bus und
umkreist die Erde auf einer polaren Umlaufbahn in 800 km Höhe. Er führt zehn
hochentwickelte Instrumente zur Beobachtung der Erde mit. Der Satellit wird eine
große Anzahl von Nutzern mit Datenprodukten für geowissenschaftliche Forschung,
die Entwicklung von Pilotanwendungen, öffentliche Dienste und kommerzielle
Zwecke versorgen. Mit einer geplanten Betriebsdauer von fünf Jahren ist Envisat
der wichtigste Satellit zur Unterstützung der europäischen Initiative für
globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES).