Unter Federführung des Forschungszentrums Karlsruhe wurde nun ein erstes Etappenziel
beim Bau des Pierre Auger-Observatoriums erreicht: Mit einem großflächigen Spiegelsystem konnten "Leuchtspuren" der kosmischen Strahlung nachgewiesen und damit die
Funktionsfähigkeit der Anordnung unter Beweis gestellt werden. Kosmische Strahlung besteht aus Atomkernen, die aus allen Richtungen auf die
Erdatmosphäre treffen. Bereits in großer Höhe lösen diese Atomkerne Schauer von Elementarteilchen aus, die bis zum Erdboden vordringen und dort nachgewiesen werden
können. Einige der in die Atmosphäre eindringenden Atome aus dem All haben
unvorstellbar hohe Energien: mehr 100 Millionen mal mehr, als in den größten irdischen Elementarteilchenbeschleunigern erreicht werden kann.
Bis heute konnten die Forscher weder aufklären, wie die Atomkerne im Weltall so
große Energien erreichen können, noch wie sie ungebremst zur Erde gelangen.
Teilchen so hoher Energie sind allerdings extrem selten: Die Wissenschaftler erwarten weniger als ein messbares Ereignis pro 100 Jahre und Quadratkilometer. Um diese Teilchen trotzdem in ausreichender Zahl (etwa
30 pro Jahr) zu messen, wird derzeit in der argentinischen Pampa, einer weiten,
fast menschenleeren Grassteppe, in internationaler Kooperation ein 3000
Quadratkilometer großes Messfeld - das entspricht etwa der Größe des Saarlandes - errichtet. An dem Projekt, benannt nach dem
französischen Physiker Pierre Auger, der die hochenergetischen kosmischen Luftschauer erstmals nachwies und richtig interpretierte, arbeiten 54 Forschungseinrichtungen aus 19 Nationen mit.
Die deutschen Beiträge werden von den Instituten für Kernphysik und für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik des Forschungszentrums Karlsruhe sowie dem Institut
für Experimentelle Kernphysik der Universität Karlsruhe geleistet.
Das Pierre Auger-Experiment besteht aus zwei aufeinander abgestimmten
Teilen: Ein Detektorfeld auf dem Erdboden besteht aus 1600 Wassertanks, die in
Abständen von 1,5 km aufgestellt werden. In der hochreinen Wasserfüllung wird mit lichtempfindlichen Photomultipliern die so genannte Cherenkov-Strahlung nachgewiesen, die beim Eindringen der Teilchenschauer in das Wasser entsteht. Die Schauer bestehen -
abhängig von der Energie des einfallenden Primärteilchens - aus hundert Milliarden Teilchen, die in etwa zehn Tanks gleichzeitig Signale erzeugen. Den zweiten Teil des Pierre Auger-Observatoriums bilden
vier Fluoreszenzdetektorstationen, drei am Rand und einer in der Mitte der
Beobachtungsfläche, die in die Atmosphäre über dem Messfeld gerichtet sind und dort die "Leuchtspur" der Teilchenschauer verfolgen.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass diese Leuchtspuren sehr schwach sind und nur einige
Millionstel Sekunden lang dauern. Die Leuchtspur entspricht dem Vorbeiflug einer 40 Watt Birne mit Lichtgeschwindigkeit in einigen Kilometern Entfernung und ist mit
bloßem Auge nicht wahrnehmbar.
Die Fluoreszenzdetektoren sind sphärische Spiegelteleskope von jeweils 11
Quadratmeter Fläche aus diamantgefrästen Aluminiumsegmenten und haben dank ihrer Optik ein weites Gesichtsfeld. Im Fokus befindet sich eine elektronische Kamera aus 20
mal 22 Photomultipliern, die die einfallende Strahlung nachweisen. Die Leuchtspur wird in einem digitalen Film von 10 Millionen Bildern pro Sekunde aufgenommen und zum zentralen Rechner
übermittelt.
Jeweils 6 dieser Fluoreszenzdetektoren werden in drei eigens errichteten
Beobachtungsgebäuden am Rand des Messfeldes untergebracht und nach innen blicken. Das zentrale "Auge" wird 12 Teleskope enthalten und eine Rundumsicht erlauben.
Zwei dieser Spiegelteleskope wurden nun auf einem Hügel in der Nähe der argentinischen Stadt Malarguee in Betrieb genommen und konnten dort die ersten Leuchtspuren der kosmischen Strahlung am Nachthimmel
über der Pampa detektieren. Mit Hilfe von Lasern, die in 26 km Entfernung in die
Atmosphäre schossen, konnte außerdem die Sensitivität der Teleskope bestimmt werden. "Damit haben wir einen sehr wichtigen Meilenstein erreicht",
erklärt Professor Dr. Hartmut Gemmeke, Leiter des Instituts für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik im Forschungszentrum Karlsruhe. "Die
präzise Optik und die hochempfindliche Elektronik zur Erkennung von Teilchenspuren in der
Atmosphäre haben ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Die dazu notwendige Rechenleistung von 90 PCs pro Teleskop ist in
dafür speziell entwickelten Chips untergebracht und beansprucht insgesamt nicht mehr Platz als ein PC."
Auch mehrere der Wasserdetektoren konnten inzwischen eindeutige Signale kosmischer Schauer registrieren. Die Anstrengungen der Wissenschaftler und Techniker konzentrieren sich nun darauf, die Erfahrungen mit den Prototypen auszuwerten und die Installation der 30 Teleskope und 1600 Wasserdetektoren in den
nächsten drei Jahren zu schaffen. Bereits ab Mitte 2003 soll das Observatorium so
groß sein, dass aussagekräftige Messungen möglich sind.
Am Aufbau der Fluoreszenzdetektoren sind neben Deutschland auch Italien und Argentinien beteiligt. Die Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
unterstützt das Vorhaben als Strategiefondsprojekt mit knapp zehn Millionen DM.
Universitätsgruppen steht ein neu eingerichteter Foerderbereich "Astroteilchenphysik" des
Bundesforschungsministeriums offen.