Auf der Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union
(IAU) in Manchester unterstrich der Planetenforscher Dr. Alan Stern die
Bedeutung der wohlmöglich bedrohten NASA-Mission Pluto-Kuiper-Express
und stellte gleichzeitig die jüngsten Erkenntnisse über den
Kuiper-Gürtel vor. Diese seien so gravierend, dass man
Astronomielehrbücher wird umschreiben müssen.
Mitte dieses Jahrhunderts wurde der Kuiper-Gürtel, eine Ansammlung von
Asteroiden und Kometenkerne, erstmals diskutiert und zwar von dem
niederländisch-amerikanischen Astronomen Gerad Kuiper und dem Briten
Kenneth Edgeworth. Die Zone hinter der Neptunbahn blieb Theorie bis 1992
tatsächlich das erste Objekts des Gürtels mit einem Teleskop entdeckt wurde. Seither
haben Astronomen mehr als 300 Kuiper-Gürtel-Objekte ausfindig gemacht und
schätzen ihre Anzahl auf über 100.000 Kleinplaneten und über eine
Milliarde Kometenkerne.
Wegen der tiefen Temperaturen in den äußeren Regionen des
Sonnensystems sehen die Astronomen diese Region auch als eine Art
"Zeitkapsel", aus der man lernen kann wie das frühe
Sonnensystem einmal aussah. "Dieser Bereich ist für Planetenforscher
vergleichbar mit dem, was eine historische Ausgrabungsstätte für
Archäologen ist - ein Tor in die Vergangenheit", erläutert Stern,
der Direktor des Southwest Research Instituts ist.
Dank der Beobachtungen des Kuiper-Gürtels konnten in den letzten
Jahren deutliche Fortschritte bei der Erforschung dieser Region gemacht
werden: So konnte man zunächst einmal bestätigen, dass unser
Sonnensystem wie auch andere Systeme die beobachtet werden, von einem
Gürtel oder einer Scheibe aus kleinen Planeten und Überresten aus der
Entstehungsphase umgeben ist. Und Pluto, der immer als ein ungewöhnlicher
Planet angesehen wurde, hat seine besondere Rolle verloren und ist nach
heutiger Einschätzung selbst eher ein Kleinplanet. Unter dieses
allerdings hat er wieder eine herausragende Stellung und ist quasi der "König des Kuiper-Belts".
Außerdem, so fasste Stern die aktuellen Erkenntnisse weiter zusammen,
wären die kurzperiodischen Kometen - im Gegensatz zu bisherigen Theorien
- erst vor kurzer Zeit durch Kollisionen innerhalb des Gürtels entstanden
und nicht schon in der Anfangsphase des Sonnensystems. Zudem muss in der Frühphase
unseres Planetensystem der
Kuiper-Gürtel über rund hundert mal mehr Masse verfügt
haben als heute. "Diese neuen Erkenntnisse waren vor einem Jahrzehnt
noch gar nicht abzusehen und sind so fundamental, dass Astronomiebücher
umgeschrieben werden müssen", so Stern.
Doch natürlich bleiben Fragen offen: Wie weit beispielsweise reicht
der Kuiper-Gürtel hinaus, gibt es weitere unentdeckte Objekte von der
Größe des Pluto und ist das System Pluto-Charon vielleicht aus einer
gewaltigen Kollision entstanden. "Antworten und weitere Entdeckungen,
die wir nicht vorhersagen können, liegen vor uns", so Stern.
"Zum einen durch große neue Teleskope, zum anderen durch die
NASA-Mission Pluto-Kuiper Express, die derzeit für 2004 geplant
ist." Während der Mission sollen die chemische Zusammensetzung von
Pluto und Charon vermessen werden und auch andere Regionen des
Kuiper-Gürtels erkundet werden.