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Erster Blick auf polares Magnetfeld der Sonne in Bewegung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
6. November 2025
Im März hatte die ESA-Raumsonde Solar Orbiter
erstmals gute Sicht auf den Südpol der Sonne. Nun wurden erste Auswertungen der
damaligen Beobachtungen vorgestellt: So konnten die Eigenschaften riesiger
Strömungszellen auch in Polnähe bestimmt werden. Sie driften offenbar mit
höheren Geschwindigkeiten polwärts als erwartet.

Das magnetische Netzwerk auf der
Sonnenoberfläche hinterlässt Spuren in der
darüber liegenden Chromosphäre. Auf den Bildern
dieser Region, die vom Extreme Ultraviolet Imager
(EUI) des Solar Orbiter aufgenommen wurden,
erscheinen diese Spuren als helle Flecken. Dieses
bearbeitete EUI-Bild des Südpols der Sonne (durch
den weißen Punkt gekennzeichnet) wurde aus den
Beobachtungen von acht Tagen im März dieses
Jahres zusammengesetzt. Aufgrund der
Sonnenrotation erscheinen die hellen Flecken als
längliche, helle Bögen.
Bild: ESA & NASA / Solar Orbiter / EUI-Team [Großansicht] |
Die Sonne unterliegt einem strengen Rhythmus. Ihre Aktivität schwankt
zyklisch und erreicht etwa alle elf Jahre ein Maximum. Taktgeber sind gewaltige
Plasma-Umwälzungen, die sich im Laufe eines Zyklus auf jeder der beiden
Halbkugeln der Sonne vollziehen: Oberflächennahe Plasmaströme reißen die
Magnetfeldlinien vom Äquator mit und spülen sie bis zum Pol; in der Tiefe fließt
das Plasma in einem riesigen, die gesamte Halbkugel überspannenden Kreislauf
zurück zum Äquator. Wichtige Einzelheiten dieses solaren
"Magnetfeld-Förderbandes" sind noch unverstanden. Entscheidend dürften die
genauen Vorgänge an den Sonnenpolen sein. Von der Erde aus lassen sich diese
Regionen nur streifend beobachten, Eigenschaften des Magnetfeldes so nicht
bestimmen. Die meisten Raumsonden haben eine ähnlich eingeschränkte Perspektive.
"Zum Verständnis des magnetischen Sonnenzyklus fehlt uns bisher das Wissen,
was an den Polen der Sonne geschieht. Dieses fehlende Puzzlestück kann Solar
Orbiter jetzt liefern", freut sich Sami Solanki, Direktor am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Seit Februar 2020 fliegt
die ESA-Raumsonde Solar Orbiter auf langgezogenen Ellipsen um die
Sonne. Im März dieses Jahres hat sie erstmals die Ebene verlassen, in der sich
die Planeten – und fast alle anderen Raumsonden – bewegen. Aus einer um 17 Grad
gekippten Flugbahn hat Solar Orbiter nun erstmals einen besseren Blick
auf die Pole der Sonne.
In einer jetzt vorgestellten Studie werten Forschende unter Leitung des MPS
Daten der Messinstrumente Polarimetric and Helioseismic Imager (PHI)
und Extreme-Ultraviolet Imager (EUI) von Solar Orbiter aus.
Die PHI-Daten stammen vom 21. März dieses Jahres; die EUI-Daten bilden den
Zeitraum vom 16. bis zum 24. März ab. Die Messungen geben Aufschluss über
Bewegungsrichtung des Plasmas und das Magnetfeld an der Sonnenoberfläche in der
Nähe des Südpols.
Die Daten liefern erstmals ein detailliertes Bild der Supergranulation und
des magnetischen Netzwerks der Sonne am Südpol. Supergranulen sind
Strömungszellen, etwa doppelt bis dreifach so groß wie die Erde, welche die
Oberfläche der Sonne dicht an dicht überziehen. Ihre horizontalen
Oberflächenströmungen schwemmen Magnetfeldlinien an ihre Ränder und erzeugen so
das magnetische Netzwerk der Sonne: ein Gespinst aus starken Magnetfeldern.
Zur Überraschung der Forschenden driftet das Magnetfeld mit im Durchschnitt
etwa zehn bis 20 Metern pro Sekunde fast genauso schnell polwärts wie in
niedrigeren Breiten. Frühere Studien basierend auf Beobachtungsdaten aus der
Bahnebene der Planeten hatten in Polnähe viel langsamere Bewegungen des
Magnetfelds festgestellt. Dabei geht es den Forschenden nicht nur um die
Supergranulen und das magnetische Netzwerk selbst. "Die Supergranulen an den
Polen sind eine Art Tracer-Partikel. Sie machen dort erstmals die globale,
elfjährige Umwälzströmung der Sonne sichtbar", unterstreicht Lakshmi Pradeep
Chitta, Forschungsgruppenleiter am MPS.
Ob das globale "Magnetfeld-Förderband" der Sonne tatsächlich in Polnähe nicht
abbremst, ist noch unklar. Die jetzt veröffentlichten Messdaten zeigen nur eine
kurze Momentaufnahme aus dem gesamten Sonnenzyklus. Weitere und vor allem
längere Beobachtungsdaten sind nötig.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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