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GRAVITATIONSWELLEN
Wenn sich Schwarze Löcher mit hoher Geschwindigkeit begegnen
Redaktion / idw / Pressemitteilung der Humboldt-Universität zu Berlin
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23. Mai 2025

Ein internationales Forschungsteam hat mit einer neuen Studie Maßstäbe bei der Modellierung von Hochgeschwindigkeitsbegegnungen Schwarzer Löcher gesetzt. Die möglichst präzise Vorhersage der von den Systemen abgestrahlten Gravitationswellen ist entscheidend für die Analyse von Signalen, die von Gravitationswellendetektoren aufgefangen werden.

Gravitationswellen

Visualisierung der berechneten Gravitationswellen ausgelöst durch die Streuung zweier Schwarzer Löcher. Bild: Arbeitsgruppe "Quantenfeld- und Stringtheorie" / Humboldt-Universität zu Berlin [Großansicht]

Schwarze Löcher sind einzigartige Objekte in unserem Universum. Sie krümmen Raum und Zeit derart, dass kein Licht aus ihrem Nahbereich dringen kann. Wenn sich zwei Schwarze Löcher einander nähern, kreisen sie Milliarden Jahre umeinander. Dabei strahlen sie kontinuierlich Gravitationswellen ab – ein Phänomen, das erstmals an Gravitationswellendetektoren wie dem Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, kurz LIGO, beobachtet wurde. Albert Einstein hatte es hundert Jahre zuvor in Berlin bereits in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt.

Eine Forschungsgruppe unter der Leitung des theoretischen Physikers Prof. Dr. Jan Plefka von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat nun die Streuung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen berechnet, die sich beobachten lässt, wenn sie sich aufeinander zubewegen und von ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt werden. Das Team setzt damit neue Maßstäbe für die Modellierung dieser extremsten Ereignisse in unserem Universum. Die Berechnungen, die in Zusammenarbeit mit einem internationalen interdisziplinären Team und mithilfe von Hochleistungsrechnern durchgeführt wurden, ermöglichen eine weltweit beispiellose Präzision in der Vorhersage, die für das Verständnis von Gravitationswellen entscheidend sind.

"Obwohl der physikalische Prozess der Wechselwirkung und Streuung zweier Schwarzer Löcher durch Gravitation konzeptionell einfach ist, erfordert die mathematische Beschreibung eine enorme Präzision", erklärt Plefka, Leiter der Arbeitsgruppe Quantenfeld- und Stringtheorie am Institut für Physik der HU. Unter Anwendung modernster, von der Quantenfeldtheorie inspirierter, Techniken berechnete das Team beobachtbare Größen wie Streuwinkel und abgestrahlte Energie.

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Ein bahnbrechender Aspekt dieser Arbeit ist, dass bei der Berechnung der abgestrahlten Energie geometrische Strukturen, sogenannte Calabi-Yau-Räume, auftraten. Diese sechsdimensionalen geometrischen Strukturen werden unter anderem genutzt, um die Stringtheorie zu beschreiben. Nun zeigt sich, dass diese mathematischen Konzepte nicht nur Abstraktionen, sondern auch relevant für die Beschreibung realer astrophysikalischer Phänomene sind.

"Dies könnte die grundlegende Relevanz dieser Calabi-Yau-Räume in der Physik etablieren", sagt Dr. Gustav Uhre Jakobsen, Mitarbeiter in der der HU-Arbeitsgruppe. "Indem wir ihre physikalische Relevanz nachweisen, können wir uns auf spezifische Beispiele konzentrieren, die echte Prozesse in der Natur beleuchten." Benjamin Sauer, Doktorand in der Arbeitsgruppe, ergänzt: "Das unerwartete Auftreten von Calabi-Yau-Geometrien vertieft unser Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Mathematik und Physik. Diese Erkenntnisse werden die Zukunft der Gravitationswellenastronomie mitgestalten, indem sie die Vorlagen verbessern, die wir zur Interpretation von Beobachtungsdaten verwenden."

Die beispiellos präzisen Modellierungen der Forschungsgruppe um Plefka kommen zur richtigen Zeit, um den steigenden Bedarf an hochpräzisen theoretischen Vorhersagen zu decken. Denn Observatorien wie LIGO werden in Kürze eine neue Sensitivitätsstufe bei der Messung von Gravitationswellen erreichen. Das gilt erst recht für die nächste Generationen von Detektoren wie das europäische Einstein-Teleskop, das als unterirdisches Observatorium entstehen soll, oder die ambitionierte Laser Interferometer Space Antenna, LISA, die im Rahmen einer internationalen Kooperation im All aufgebaut werden soll und die erstmals solche Streuprozesse messen könnte.

Die hohe Präzision der Vorhersagen ist besonders wichtig für die Erfassung von Signalen, die von Schwarzen Löchern stammen, die sich auf sehr exzentrischen Umlaufbahnen, das heißt, sehr langen und flachen Ellipsen bewegen. Diese erzeugen Streuungsereignisse mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit und damit in einem Bereich, in dem traditionelle Annahmen über langsam bewegte Schwarze Löcher nicht mehr zutreffen.

Dieser Durchbruch bei der präzisen Beschreibung wurde durch internationale Zusammenarbeit und den Einsatz fortschrittlicher mathematischer und rechnergestützter Methoden ermöglicht. Das Projekt nutzte Hochleistungsrechner (über 300.000 Kernstunden) am Zuse-Institut Berlin, um die Gleichungen zu lösen, die die Wechselwirkungen von Schwarzen Löchern bestimmen. "Die schnelle Verfügbarkeit dieser Rechenressourcen war der Schlüssel zum Erfolg des Projekts", unterstreicht Mathias Driesse, der als Doktorand die Computerberechnungen leitete. Die Grundlage für die Studie wurde im Rahmen des Graduiertenkollegs "Rethinking Quantum Field Theory" und eines Advanced Grant (European Research Council) in der Arbeitsgruppe von Plefka gelegt, wo in Zusammenarbeit mit Dr. Gustav Mogull – damals an der Humboldt-Universität und am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut), heute forscht er an der Queen Mary University London – der Worldline-Quantenfeldtheorie-Formalismus entwickelt wurde.

Im Laufe der Zeit erweiterte sich die Forschungsgruppe um den weltweit führenden Spezialisten Dr. Johann Usovitsch, der das Software-Werkzeug für die Integral Berechnungen (KIRA) entwickelt hat und mittlerweile der HU-Arbeitsgruppe angehört, sowie um die mathematischen Physiker Dr. Christoph Nega, Technische Universität München, und Prof. Dr. Albrecht Klemm, Universität Bonn, – beide führende Experten für Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten. "Von der mathematischen Theorie bis zur praktischen Berechnung demonstriert diese Forschung die Synergie, die erforderlich ist, um die Grenzen unseres Wissens zu erweitern", so Plefka.

Die Ergebnisse des Teams wurden nun in einem Fachartikel veröffentlicht, der in der Zeitschrift Nature erschienen ist.

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siehe auch
Gravitationswellen: Bessere Modelle für empfindlichere Detektoren - 7. November 2024
Gravitationswellen: Präzises Modell für aufeinandertreffende Schwarze Löcher - 28. Juni 2024
Links im WWW

Driesse, M. et al. (2025): Emergence of Calabi–Yau manifolds in high-precision black-hole scattering, Nature, 641, 603
Humboldt-Universität zu Berlin
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