Entstehung von Leben auf der Erde durch Staub aus dem All?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
5. März 2024
Staub aus dem All, der sich in Schmelzlöchern von Eisschilden angesammelt hat,
könnte in der Frühzeit der Erde die präbiotische Chemie in Gang gesetzt und am
Laufen gehalten haben. Diese Theorie haben jetzt Forschende der ETH Zürich und
der Universität Cambridge mithilfe von Computermodellen überprüft. Unumstritten
ist die Idee allerdings nicht.
Ein Asteroid zerbricht und produziert dabei
Staub, der auch auf die Erde gelangt.
Bild: NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Bevor es Leben auf der Erde gab, brauchte es die Chemie, welche aus den
chemischen Elementen Stickstoff, Schwefel, Kohlenstoff und Phosphor organische
Moleküle bildete. Damit die entsprechenden chemischen Reaktionen starten und
aufrechterhalten werden konnten, waren diese Elemente im Überfluss nötig – und
ein ständiger Nachschub davon. Auf der Erde selbst waren und sind diese jedoch
Mangelware. Tatsächlich waren die elementaren Bausteine des Lebens so selten,
dass chemische Reaktionen sich schnell erschöpft hätten, wenn sie denn überhaupt
in Gang gekommen wären. Auch geologische Prozesse wie Erosion und Verwitterung
des irdischen Ausgangsgesteins konnten nicht für ausreichenden Nachschub sorgen,
da die Erdkruste schlicht zu wenig dieser Elemente enthielt. Dennoch entwickelte
sich in den ersten 500 Millionen Jahren der Erdgeschichte eine präbiotische
Chemie, die organische Moleküle wie die RNA, DNA, Fettsäuren oder Proteine
hervorbrachte, auf denen alles Leben beruht.
Woher kamen
Schwefel, Phosphor, Stick- und Kohlenstoff in der benötigten Menge? Der
Forscher Craig Walton von der ETH Zürich ist davon überzeugt, dass diese Elemente vor allem
durch kosmischen Staub auf die Erde gelangt sind. Dieser Staub entsteht im
Weltraum, zum Beispiel, wenn Asteroiden miteinander kollidieren. Auch heute noch
fallen rund 30.000 Tonnen Staub aus dem All pro Jahr auf die Erde. In der Frühzeit der
Erde dagegen war der Staubregen mit jährlichen Millionen Tonnen viel größer.
Vor allem aber enthalten die Staubteilchen viel Stickstoff, Kohlenstoff,
Schwefel und Phosphor. Sie hätten also das Potenzial dazu, eine chemische
Kaskade in Gang zu setzen. Dagegen spricht jedoch, dass der Staub weit verstreut
niedergeht und lokal in sehr kleinen Mengen vorhanden ist. "Wenn man aber
Transportprozesse einbezieht, sieht die Sache anders aus", sagt Walton. Wind,
Regen oder Flüsse sammeln den kosmischen Staub großräumig ein und lagern ihn
konzentriert an bestimmten Orten ab.
Um
herauszufinden, ob kosmischer Staub eine mögliche Starthilfe und Quelle für
präbiotische Chemie(-reaktionen) sein könnte, hat Walton zusammen mit Kollegen
der Universität Cambridge in England ein Modell entwickelt. Damit simulierten
die Forschenden, wie viel kosmischer Staub in den ersten 500 Millionen Jahren
der Erdgeschichte auf die Erde niederging und an welchen Orten er sich auf der
Erdoberfläche angesammelt haben könnte. Das Modell entstand in
Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten au Cambridge, die auf die Simulation von
Planeten- und Asteroidensystemen spezialisiert sind. Die Simulationen zeigen, dass
es auf der frühen Erde Orte mit einer extrem hohen Konzentration an kosmischem
Staub gegeben haben könnte - und dass ständig Nachschub aus dem All kam. Allerdings nahm der Staubregen nach der Entstehung der Erde schnell und stark
ab: Nach 500 Millionen Jahren war der Staubfluss um eine Größenordnung kleiner
als im Jahr Null. Gelegentliche Ausschläge nach oben führen die Forschenden auf
Asteroiden zurück, die auseinanderbrachen und einen Staubschweif zur Erde
schickten.
Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Erde Millionen
von Jahren von einem Magmaozean bedeckt war, was Transport und Ablagerung von
kosmischem Staub für lange Zeit verhindert hätte. "Neuere Forschung hat jedoch
Hinweise darauf gefunden, dass sich die Erdoberfläche sehr rasch abgekühlt und
verfestigt hat und sich große Eisschilde gebildet haben", sagt Walton. Diese
Eisschilde könnten den Simulationen zufolge die beste Umgebung für die
Ansammlung von kosmischem Staub gewesen sein. In sogenannten Kryokonit-Löchern
– Schmelzlöchern auf der Gletscheroberfläche – sammelten sich nicht nur
Sedimente, sondern auch die Staubkörner aus dem All.
Aus den Staubpartikeln
lösten sich mit der Zeit die entsprechenden Elemente heraus. Sobald deren
Konzentration im Gletscherwasser einen kritischen Schwellenwert erreichte,
setzten von selbst chemische Reaktionen ein, die zur Bildung der organischen
Moleküle am Ursprung des Lebens führten. Dass auch bei eisigen Temperaturen, wie
sie in den Schmelzlöchern herrschen, chemische Prozesse in Gang kommen, ist
durchaus möglich: "Kälte schadet der organischen Chemie nicht, im Gegenteil.
Reaktionen laufen bei niedrigen Temperaturen selektiver und spezifischer ab als
bei hohen", sagt Walton.
Andere Forscher haben im Labor gezeigt, dass sich in
solchen Schmelzwasser-Ursuppen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt
spontan einfache ringförmige Ribonukleinsäuren (RNA) bilden, die sich selbst
vervielfältigen. Ein Schwachpunkt in der Argumentation könnte sein, dass sich
bei tiefen Temperaturen, die zum Aufbau der organischen Moleküle benötigten
Elemente nur sehr langsam aus den Staubteilchen lösen.
Die Theorie, die Walton vertritt, ist in der
Wissenschaft nicht unumstritten. "Diese Studie wird sicherlich eine kontroverse
wissenschaftliche Debatte auslösen", ist der Forscher überzeugt. "Und sie wird neue
Ideen über den Ursprung des Lebens hervorbringen." Schon im 18. und 19.
Jahrhundert waren Wissenschaftler davon überzeugt, dass Meteoriten die "Elemente
des Lebens", wie Walton sie nennt, auf die Erde gebracht haben. Denn schon
damals fanden Forscher in Gesteinsbrocken aus dem All diese Elemente des Lebens
in großen Mengen, nicht aber in den Grundgesteinen der Erde. "Seither hat sich
aber kaum jemand mit der Idee auseinandergesetzt, dass eine präbiotische Chemie
vor allem durch den Eintrag von Meteoriten in Gang gekommen ist", sagt der
Geologe.
"Die Meteoriten-Idee klingt interessant, hat aber einen Haken",
erklärt Walton. Ein einzelner Meteorit liefere diese Stoffe nur in einem
begrenzten Umfeld, und wo er aufschlage, sei zufällig und der weitere Nachschub
sei nicht gewährleistet. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Ursprung
des Lebens von ein paar weit und zufällig verstreuten Gesteinsbrocken abhängt",
sagt er. "Angereicherter kosmischer Staub hingegen halte ich für eine plausible
Quelle."
In einem nächsten Schritt will er seine Theorie experimentell
überprüfen. Im Labor wird er in großen Reaktionsgefässen die Bedingungen
nachstellen, die in den urzeitlichen Schmelzlöchern geherrscht haben könnten. Er
wird dabei die Anfangsbedingungen so einstellen, wie sie vor vier Milliarden
Jahren in einem Kryokonit-Loch vermutlich vorkamen – und dann abwarten, ob sich
chemische Reaktionen entwickeln, die biologisch relevante Moleküle
hervorbringen.
Die Studie des Teams wurde jetzt in der Fachzeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht.
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