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ALMA
Massereiche Sterne entstehen als Vielfachsysteme
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
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17. Januar 2024

Seit Langem geht man davon aus, dass massereiche Sterne als Zwillinge, Drillinge oder noch höhere Vielfachsysteme geboren werden. Jetzt konnte diese wichtige Rolle von Mehrlingssterngeburten erstmals durch systematische Beobachtungen mit dem Radioteleskopverbund ALMA bestätigt werden. Zahlreiche weitere ALMA-Daten warten zudem noch auf ihre Auswertung.

G333.23–0.06

Falschfarbenbild der massereichen Sternentstehungsregion G333.23–0.06 aus Beobachtungsdaten des ALMA-Observatoriums. Die kleineren Bilder zeigen Regionen, in denen das Team um Li Mehrfachsysteme von Protosternen nachweisen konnten. Die Sternsymbole zeigen die Orte jedes der neu entstehenden Sterne an. Das Bild zeigt eine Region mit einer Größe von 0.62 mal 0.78 Lichtjahren. Am Himmel entspricht das 7.5 mal 9.5 Bogensekunden. Bild: S. Li, MPIA / J. Neidel, MPIA Grafikabteilung / Daten: ALMA Observatory [Großansicht]

 Bei menschlichen Neugeborenen sind Mehrlinge selten. Weniger als zwei Prozent aller Geburten sind Mehrlinge, meist Zwillinge. Bei massereichen Sternen hingegen gilt die Mehrlingsgeburt seit Langem als die Norm. Das haben insbesondere Simulationen gezeigt, die den Kollaps riesiger Gas- und Staubwolken von den Anfängen bis zur Bildung einzelner Sterne im Wolkeninneren nachzeichneten: ein hierarchischer Prozess, bei dem sich größere Wolkenteile zu dichteren Kernregionen ("cores") zusammenziehen, in deren Inneren anschließend Sterne entstehen: massereiche Sterne, aber auch zahlreiche weniger massereiche Sterne. Auch unsere Sonne hat sich als massearmer Protostern in einem solchen massereichen Sternhaufen gebildet.

 Massereiche Sterne, die mehr als das Achtfache der Masse unserer Sonne aufweisen, sind für die Astronomen aus mehreren Gründen besonders interessant: Aus ihnen entstehen Neutronensterne und Schwarze Löcher, einschließlich der Schwarzen Löcher, die verschmelzen und große Mengen an Gravitationswellen aussenden. Außerdem sind massereiche Sterne sehr hell, bis zu einer Million Mal heller als unsere Sonne. Das sind die Sterne, die wir noch über große Entfernungen sehen, eine Reihe davon sogar in anderen Galaxien. Bisher gab es zwar ein gutes theoretisches Verständnis der Sternentstehung unter diesen Umständen, aber es fehlte die systematische Bestätigung durch Beobachtungen: Es ist sehr schwierig, in Sternentstehungsgebieten so kleine Details zu beobachten, dass sich Mehrfachsterne ausmachen lassen. Bisherige Beobachtungen konnten daher bisher nur einige wenige Kandidaten für isolierte Mehrfachsterne in massereichen Sternhaufen zeigen, aber nichts, was mit der von den Simulationen vorhergesagten wimmelnden Menge von Mehrfachsternen vergleichbar wäre.

Um die aktuellen Modelle für die Entstehung massereicher Sterne auf die Probe stellen zu können, waren genauere Beobachtungen erforderlich. Die Möglichkeit dazu wurde geschaffen, als in den 2010er Jahren das ALMA-Observatorium in Chile den Beobachtungsbetrieb aufnahm. In seiner jetzigen Form kombiniert ALMA bis zu 66 Radioantennen zu einem einzigen gigantischen Radioteleskop und ermöglicht so Radiobeobachtungen, die außergewöhnlich kleine Details zeigen. Unter der Leitung von Patricio Sanhueza vom japanischen Nationalobservatorium NAOJ und der Graduate University for Advanced Studies in Tokio und unter Beteiligung mehrerer Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg konnte eine Gruppe von Astronominnen und Astronomen mit ALMA zwischen 2016 und 2019 dreißig vielversprechende massereiche Sternentstehungsregionen beobachten.

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Die Auswertung der Daten war eine große Herausforderung und dauerte letztlich mehrere Jahre. Jede einzelne Beobachtung liefert rund 800 GB an Daten, und die Rekonstruktion der Bilder aus den Beiträgen der verschiedenen beteiligten Antennen ist bereits für sich genommen ein komplexer Prozess. Das jetzt veröffentlichte Ergebnis basiert auf der Analyse einer der beobachteten Sternentstehungsregionen; sie trägt die Katalognummer G333.23-0.06. Die Analyse wurde von Shanghuo Li vom MPIA geleitet. Die rekonstruierten Bilder sind bemerkenswert: Sie zeigen Details bis hinunter zu etwa zweihundert Astronomischen Einheiten (dem 200-fachen der Entfernung zwischen Erde und Sonne) für eine große Region mit einem Durchmesser von rund 200.000 Astronomischen Einheiten.

Die Ergebnisse sind eine gute Nachricht für unser derzeitiges Verständnis der Entstehung massereicher Sterne. In G333.23-0.06 fanden Li und seine Kollegen nämlich ganze vier Doppelsternsysteme, dazu ein Dreifach-, ein Vierfach- und ein Fünffachsystem – in Übereinstimmung mit den Erwartungen. Die Details der Bilder begünstigen dabei sogar eines der Sternentstehungsmodelle gegenüber den anderen: Sie liefern Anzeichen für eine hierarchische Sternentstehung, bei der die Gaswolke zunächst in "Kerne" ("cores") mit erhöhter Gasdichte zerfällt und in jedem dieser Kerne später ein Mehrfach-Proto-Sternsystem entsteht.

 "Endlich konnten wir die Vielfalt an Mehrfach-Sternsystemen in einer massereichen Sternentstehungsregion direkt beobachten!", freut sich Henrik Beuther, Leiter der Sternentstehungsgruppe in der Abteilung Planeten- und Sternentstehung am MPIA. "Besonders spannend ist, dass die Daten sogar Unterstützung für ein spezifisches Szenario für die Entstehung massereicher Sterne liefen." Und sein Kollege Li ergänzt: "Unsere Beobachtungen scheinen darauf hinzudeuten, dass sich die Mehrfachsysteme beim Kollaps der Molekülwolke recht früh bilden. Aber ist das wirklich der Fall? Um das beantworten zu können, schauen wir uns jetzt weitere Sternentstehungsgebiete an, von denen einige noch jünger sind als G333.23-0.06."

Konkret arbeiten die Astronomen derzeit an einer ähnlichen Analyse für die weiteren 29 massereichen Sternentstehungsgebiete, die sie beobachtet hatten. Bald sollen noch Daten zu weiteren 20 Systeme hinzukommen, aus neuen ALMA-Beobachtungen unter der Leitung von Li. Sind all diese Auswertungen fertig, lassen sich zum einen statistische Aussagen über die Mehrfachsysteme treffen – ein weiterer Test der Modelle der Sternentstehung. Auch die Details der zeitlichen Entwicklung sollten sich klären lassen. Aber bereits mit den jetzt veröffentlichten Ergebnissen ist die Rolle von Mehrlingsgeburten bei der Bildung massereicher Sterne nun fest in der Beobachtung verankert.

Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

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siehe auch
LHA 120-N 150: Die Entstehung massereicher Sterne - 27. März 2020
Massereiche Sterne: Wachstum durch schnelle Gasströme - 10. Oktober 2017
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Massereiche Sterne: Ähnlich entstanden wie unsere Sonne? - 15. Februar 2010
Sterne: Riesensterne brauchen Geburtshelfer - 28. Februar 2008
Sternentstehung: Wie große Sterne entstehen - 28. September 2006
VLT: Massereiche Sterne entstehen überall - 26. August 2002
NTT: Geburt massereicher Sterne im Omega-Nebel - 15. September 2000
Links im WWW
Li, S. et al. (2024): Observations of high-order multiplicity in a high-mass stellar protocluster,  Nat Astron, https://doi.org/10.1038/s41550-023-02181-9
Max-Planck-Institut für Astronomie
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