Das Antarktis-Gewächshaus EDEN ISS ist zurück in Bremen -
nach fünf Jahren auf dem siebten Kontinent in Eis, Kälte und Polarnacht. Es hat
gezeigt, wie auch unter extremen Bedingungen frisches Gemüse angebaut werden
kann. Nun sollen die Erkenntnisse für künftige Missionen zum Mond genutzt
werden: Aus EDEN ISS wird dazu nach einem Umbau EDEN LUNA.
"Das Gewächshaus EDEN ISS hat über die vergangenen Jahre in der Antarktis
demonstriert, wie der zukünftige Pflanzenanbau auf Mond und Mars ohne Erde
unter künstlichem Licht aussehen und funktionieren kann. Aber auch für
klimatisch anspruchsvolle Regionen unseres Planeten zeigte das Projekt, wie
die Versorgung mit frischem Gemüse bei effizientem Ressourceneinsatz
gelingt", sagt Dr. Anke Pagels-Kerp, Bereichsvorständin Raumfahrt beim
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Diese wertvollen
Erfahrungen wollen wir nun gezielt nutzen. Das Gewächshaus EDEN ISS wird
sich in den kommenden Monaten im Zuge des geplanten Umbaus zu EDEN LUNA
wandeln. Zukünftig werden dann direkt Astronautinnen und Astronauten den
Anbau von Gemüse, Salaten und Kräutern sowie die dahinterstehende Technik
und nötige Prozeduren trainieren, integriert in der von DLR und ESA
gemeinsam geplanten Test- und Trainingseinrichtung LUNA in Köln."
Seit Anfang 2018 stand das vom DLR betriebene Gewächshaus EDEN ISS in der
Antarktis nur 400 Meter von der deutschen Antarktisstation Neumayer III
entfernt. Es war die bisher umfangreichste Langzeiterprobung des bisher
größten Testgewächshauses für die anvisierte Nahrungsmittelproduktion auf
Mond und Mars. Ein Testgewächshaus, das als geschlossenes System von Wetter,
Sonne und Jahreszeiten unabhängige Ernten sowie weniger Wasserverbrauch und
den Verzicht auf Pestizide und Insektizide ermöglicht. Dabei konnten die
Forschenden vielfältige Erfahrungen sammeln, insbesondere wie die
hochintegrierten Anzuchtsysteme unter den extremen Bedingungen
funktionieren, wie sich die menschlichen Arbeitsabläufe ideal und
zeitsparend integrieren lassen, wie vorhandene Ressourcen ideal eingesetzt
werden, wie sich die Mikrobiologie bei Anbau und Ernte gestaltet und wie
sich Anbau und Speiseangebot von frischem Gemüse auf das Wohlbefinden der
Isolierten Crew während der Überwinterung auswirken.
"Mit der Gewächshauserprobung in der Antarktis haben wir eine deutliche
Lernkurve verzeichnet. Zum Betriebsbeginn waren noch rund drei Stunden
menschliche Unterstützung pro Tag für Wartung und Pflanzenpflege nötig. Über
die Projektlaufzeit konnten wir verschieden Einsparpotentiale
identifizieren, mit denen zukünftige Astronautinnen und Astronauten 40
Prozent weniger Zeit benötigen, um solch ein Gewächshaus im Betrieb zu
halten. Wertvolle Zeit, die sie dann für andere Aktivitäten zur Verfügung
haben", erläutert Dr. Daniel Schubert vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.
"Zudem zeigte sich auch der positive Effekt auf das Wohlbefinden durch die
Arbeit mit Pflanzen in rauer Umgebung und Isolation. Wir arbeiten bereits an
weiteren Ideen und Konzepten, wie wir die einzigartige Forschungsumgebung
Antarktis mit den Erfahrungen aus EDEN ISS für die Raumfahrtforschung nutzen
können", so Schubert weiter.
Insgesamt gab es bei EDEN ISS vier Anbaumissionen, wobei eine Saison dazu
genutzt wurde, das Gewächshaus zunächst in eine Ruhephase zu versetzen, um
es dann aus der Ferne zu starten und zu betreiben. Über den gesamten
Zeitraum konnten mehr als eine Tonne Gemüse, Salate und Kräuter frisch
geerntet werden. Salate, Kräuter, Gurken und Tomaten wuchsen von der ersten
Mission an erfolgreich im Gewächshaus ebenso Radieschen und Kohlrabi. Eine
besondere Herausforderung stellte Paprika dar. Nach einigen Modifikationen
und einer neuen Sortenwahl gelang in den letzten zwei Gewächshausjahren auch
für diese jeweils eine zufriedenstellende Ernte.
Zuletzt prägte die NASA-Gastwissenschaftlerin Jess Bunchek die Forschung
im Gewächshaus EDEN ISS mit ihrer Überwinterungsmission, von der sie im
Frühjahr 2022 zurückkehrte. Bei ihrer Mission erreichte sie Rekorderträge
für Tomaten (92 Kilogramm) und Gurken (76 Kilogramm). Paprika konnte sie
immerhin 19 Kilogramm ernten. Ebenso wichtig waren die umfangreiche Daten
über die Leistung und Widerstandsfähigkeit des Gewächshausystems, die
Gesundheit und Produktion der Pflanzen, deren Umwelt und Mikrobiologie, zur
Lebensmittelsicherheit, Ernährung und Psychologie der Besatzung sowie über
die benötigten Ressourcen wie Strom und Wasser ebenso wie die benötigte
Arbeitszeit.
Eine der von ihr durchgeführten Studien befasste sich mit der
psychologischen Wirkung von frischem Obst und Gemüse und der Möglichkeit,
Pflanzen anschauen und anfassen zu können. "In meiner Zeit in der Antarktis
hat sich vielfältig gezeigt, wie die Überwinterungscrew es genießt, im Grün
der Pflanzen zu arbeiten und nach langen anstrengenden Tagen erfrischende
Mahlzeiten aus dem Gewächshaus zu essen, die zudem gesund, sehr schmackhaft,
und lebensmittelecht ohne Krankheitsrisiken sind. Das lässt sich auch direkt
in der Raumfahrt bei Astronautencrews mit ähnlichen noch kleineren
Experimenten beobachten", erklärt Bunchek. "Für die Zukunft heißt das: Crews
auf abgelegenen Missionen sollten die Möglichkeit haben, ihre eigenen
Pflanzen anzubauen, um ihre psychische und körperliche Gesundheit zu
stärken."
Im Laufe ihrer Überwinterungsmission hatte Bunchek auch Erfolg beim Anbau
verschiedener Pflanzen und Früchte, von denen einige auch schon auf der
Internationalen Raumstation ISS gezüchtet wurden, darunter verschieden
Senfsorten und Salate. Die "Española Improved"-Chili-Paprika sorgte im
Rahmen von Buncheks Mission in der Antarktis für Würze und Vitamin C auf dem
Speiseplan. Bunchek baute neben den besonders ertragreichen Tomaten und
Gurken auch Bohnen, Erbsen, Blattgemüse, Brunnenkresse, Rucola, Brokkoli
sowie Blumenkohl, Mangold, Spinat, Kohlrabi, Pak Choi und Radieschen an.
Außerdem züchtete sie verschiedene Kräutersorten, darunter Minze, Basilikum,
Petersilie, Schnittlauch, Rosmarin, Thymian und Oregano. Nach ihrer Zeit in
der Antarktis widmete Sie sich intensiv der Auswertung ihrer Experimente.
Mittlerweile ist sie als Mitarbeiterin am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme
in Bremen tätig.
Vier Jahre lang lieferte das EDEN ISS Gewächshaus frisches Gemüse für die
wechselnden Überwinterungscrews und Sommergäste der Neumayer-Station III.
Mit einer kleinen Überwinterungsbesatzung und einer langen Isolationszeit
ist Neumayer III ein großartiges Analog-Umfeld zum Weltraum für diese Art
von Studien. Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des
Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
(AWI) erläutert: "Die Antarktis ist der dunkelste, kälteste und windigste
Kontinent unseres Planeten. Das ist besonders bei der Überwinterung eine
große Herausforderung für die dort arbeitenden und lebenden Menschen. Das
Gewächshaus hat neben den durch frisches Gemüse und Kräuter angereicherten
Mahlzeiten auch Farbe in das Leben unserer Überwinterungsteams gebracht. Die
Forschung daran zeigt: Pflanzliches Leben tut Menschen gut und Innovationen
zum Gemüseanbau in extremen Lebensräumen sind zukunftsrelevant. Die
Antarktis ist dafür ein ideales Testgebiet. Wir werden auch künftig mit dem
DLR an Projekten forschen, die der Raumfahrt, Tiefsee- und der
Polarforschung nutzen und damit der Gesellschaft."
Für den Rücktransport aus der Antarktis war das EDEN ISS Gewächshaus
zwischenzeitlich in seine zwei Teilcontainer und rund 1000 einzelne Bauteile
des Gewächshauskreislaufs und der hydroponischen Pflanzenzucht zerlegt. Das
Gewächshaus wird nun am DLR-Standort in Bremen generalüberholt, mit neuer
Technik ausgestattet und so für das Training zukünftiger Mondastronauten
vorbereitet. Mitte der 2020er Jahre soll das Gewächshaus am DLR-Standort
Köln in die dann neu errichtete LUNA-Halle integriert werden. "Das
Gewächshaus EDEN LUNA soll mit dem Umbau zukünftig noch digitaler,
vernetzter und ressourcensparender werden", erklärt Schubert. "Zukünftig
soll ein robotischer Arm im Gewächshaus die trainierenden Astronauten bei
ihrer Arbeit unterstützen und entlasten. Zusätzliche Kameras und ein KI
gesteuertes Gewächshausmanagement werden die Überwachung der Pflanzen und
ihre Versorgung optimieren. Zudem wird die Aufbereitung von Urin als
Nährstofflösung in den Gewächshauskreislauf integriert", so Schubert weiter.
Astronautinnen und Astronauten, die zum Mond fliegen, sollen zukünftig in
Köln in der Test- und Trainingseinrichtung LUNA auf dem Gelände des DLR in
Köln ausgebildet werden. Bau und Inbetriebnahme sind bis zur Mitte des
Jahrzehnts geplant. Das dann umgebaute Gewächshaus EDEN LUNA wird sich in
diese Forschungseinrichtung einfügen. Die Test- und Trainingseinrichtung
LUNA ist ein Gemeinschaftsprojekt des DLR und der Europäischen
Weltraumorganisation ESA, die in Köln das Europäische Astronautenzentrum
(EAC) betreibt. Am Gewächshausprojekt EDEN LUNA sind die DLR-Institute für
Raumfahrtsysteme, für Datenwissenschaften, für Robotik und Mechatronik sowie
für Luft- und Raumfahrtmedizin mit verschiedenen Beiträgen beteiligt.