Die Strahlenbelastung auf dem Mond
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Kiel astronews.com
28. September 2020
Anfang des vergangenen Jahres landete die Sonde
Chang’e-4 auf der erdabgewandten Seite des Mondes. Mit an Bord war auch ein
in Deutschland entwickeltes Instrument zur Strahlenmessung auf dem Erdtrabanten.
Nun wurde die Daten vorgestellt: Die Strahlenbelastung liegt für Besucherinnen
und Besucher des Mondes deutlich über der auf einem Transatlantikflug.
Die Chang’e-4 Mondlandesonde aufgenommen vom
Rover Yutu-2. Das Kieler Messgerät befindet sich
links hinter der Antenne.
Bild: CNSA/CLEP [Großansicht] |
In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wollen verschiedene Nationen den Mond
erforschen und planen, zu diesem Zweck wieder Astronautinnen und Astronauten auf
den Mond zu schicken. Auf unserem unwirtlichen Trabanten ist die
Weltraumstrahlung aber ein erhebliches Risiko. Die Apollo-Astronauten
trugen deshalb sogenannte Dosimeter mit sich, welche die Strahlenbelastung
rudimentär maßen. Jetzt berichten chinesische und deutsche Wissenschaftler über
die ersten zeitlich aufgelösten Messungen der Strahlung auf dem Mond.
Das Lunar Lander Neutron and Dosimetry (LND), dem diese Daten zu
verdanken sind, ist im Auftrag des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelt und gebaut
worden. Die Messungen des LND erlauben die Berechnung der sogenannten
Äquivalentdosis. Diese ist wichtig, um die biologischen Effekte der
Weltraumstrahlung auf den Menschen abzuschätzen.
"Die von uns gemessene Strahlenbelastung ist ein gutes Maß für die Strahlung
innerhalb eines Astronautenanzuges", meint Thomas Berger vom Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt in Köln. Die Messungen ergeben eine
Äquivalentdosisleistung von etwa 60 mikro-Sievert pro Stunde. Zum Vergleich: Auf
einem Langstreckenflug von Frankfurt nach New York ist sie etwa 5- bis 10-mal
kleiner, am Erdboden gut 200-mal kleiner.
Weil Astronautinnen und Astronauten deutlich länger auf dem Mond wären als
Passagiere nach New York hin und zurückfliegen, ist dies eine erhebliche
Belastung für den Menschen, sagt Robert Wimmer-Schweingruber von der Kieler
Universität, dessen Team das Instrument entwickelt und gebaut hat. "Wir Menschen
sind eben nicht wirklich gemacht für die Weltraumstrahlung. Allerdings können
und sollten sich Astronauten bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond
möglichst vor ihr abschirmen, zum Beispiel indem sie ihre Behausung mit einer
dicken Schicht Mondgestein bedecken", erklärt der Wimmer-Schweingruber. "Bei
Langzeitaufenthalten auf dem Mond könnte das Risiko der Astronauten für Krebs
und andere Erkrankungen gesenkt werden", ergänzt Mitautorin Christine Hellweg
vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Die Messungen wurden an Bord der chinesischen Mondlandesonde Chang’e-4
gemacht, die am 3. Januar 2019 auf der Rückseite des Mondes gelandet ist. Das
Kieler Gerät misst jeweils "tagsüber" und bleibt, wie alle anderen
wissenschaftlichen Geräte, während der sehr kalten und fast zwei Wochen
dauernden Mondnacht ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Gerät und Lander
sollten mindestens ein Jahr lang messen und haben dieses Ziel nun bereits
übertroffen. Die Daten des Gerätes und des Landers werden über den
Relaissatelliten Queqiao, der sich hinter dem Mond befindet, zur Erde
übertragen.
Auch hinsichtlich zukünftiger interplanetarer Missionen besitzen die gewonnen
Daten einige Relevanz. Da der Mond weder ein schützendes Magnetfeld noch eine
Atmosphäre besitzt, ist das Strahlungsfeld auf der Mondoberfläche dem im
interplanetaren Raum ähnlich, abgesehen von der Abschirmung durch den Mond
selbst. "Deshalb werden die Messungen des LND auch verwendet, um Modelle zu
überprüfen und weiterzuentwickeln, die für zukünftige Missionen eingesetzt
werden können. Wenn zum Beispiel eine bemannte Mission gen Mars aufbricht, kann
durch die neuen Erkenntnisse vorab die erwartete Strahlenexposition
verlässlicher abgeschätzt werden. Dabei ist es wichtig, dass der Detektor auch
gewisse Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Strahlungsfeldes zulässt", so
Wimmer-Schweingruber.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Science Advances
erschienen ist.
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