Detaillierter Blick auf den Jet von Quasar 3C 279
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
14. April 2020
Nach den beeindruckenden Aufnahmen des Zentralbereichs der
Radiogalaxie Messier 87 hat die Event-Horizon-Teleskop-Kollaboration jetzt ein
neues spektakuläres Bild vorgestellt: Es zeigt den sich schnell verändernden Jet
der Quasars 3C 279. Eine neue Beobachtungskampagne mit dem Verbund aus
Radioteleskopen wurde wegen der Covid-19-Pandemie erst einmal verschoben.

Jetstruktur im Zentralbereich des Quasars 3C
279.
Bild: J.Y. Kim (MPIfR), Boston University
Blazar Program, und Event-Horizon-Teleskop-Kollaboration [Weitere
Bilder und Großansicht] |
Vor einem Jahr, am 10. April 2019, präsentierte die Event-Horizon-Teleskop-
(EHT) Kollaboration das erste "Bild" eines Schwarzen Lochs in der benachbarten
Radiogalaxie M 87. Nun gelang es der Kollaboration, den Jet eines Schwarzen
Lochs mit bislang nicht erreichter Bildschärfe zu abzubilden. Die Abbildungen
zeigen, wie ein Strahl aus ionisiertem Gas nahezu mit Lichtgeschwindigkeit von
einem supermassereichen Schwarzen Loch ausgestoßen wird. Es handelt sich um ein
Schwarzes Loch in dem fernen Quasar 3C 279.
Das internationale Forschungsteam unter Leitung des Wissenschaftlers
Jae-Young Kim vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie untersuchte
auch die Gestalt des Plasmastrahls nahe seiner Basis. Dort wird vermutlich
hochenergetische und variable Gammastrahlung erzeugt.
Vor einem Jahr, am 10. April 2019, präsentierte die Event-Horizon-Teleskop-
(EHT) Kollaboration das erste Bild eines Schwarzen Lochs in der benachbarten
Radiogalaxie M 87. Im Rahmen der damaligen Beobachtungen nahm sie auch einige
andere Objekte ins Visier. Dazu gehört 3C 279, eine Galaxie in ca. fünf
Milliarden Lichtjahren Entfernung im Sternbild Jungfrau. Wissenschaftler
klassifizierten 3C 279 als Quasar ("quasi-stellar object") mit einer extrem
kompakt und lichtstark erscheinenden Zentralquelle. Auch im Falle von 3C 279
vermutet man, dass diese Zentralquelle ein Schwarzes Loch mit dem
Milliardenfachen der Sonnenmasse ist.
Ein Teil des hineinfallenden Materials wird dabei in Form zweier stark
gebündelter Plasmastrahlen, den sogenannten Jets, mit nahezu
Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert. Solche Jets konnte man schon seit
längerem beobachten. Besonders die Very Long Baseline Interferometry,
VLBI, an deren Weiterentwicklung das Max-Planck-Institut für Radioastronomie
maßgeblich beteiligt war, lieferte dabei Bilder mit höchster Detailschärfe.
Die nun im Rahmen des EHT-Projekts verbundenen Teleskope konnten die bisher
erreichte Bildschärfe noch deutlich übertreffen und zeigen Details, die kleiner
als ein halbes Lichtjahr sind. Damit wird es möglich, den Jet bis heran an die
erwartete Akkretionsscheibe zu verfolgen und die Wechselwirkung zwischen Scheibe
und Jet zu beobachten. Es zeigt sich, dass der normalerweise gerade verlaufende
Jet an seiner Basis verdrillt erscheint, und zum ersten Mal überhaupt werden
Strukturen quer zur Jetrichtung sichtbar, die vermutlich Teile der
Akkretionsscheibe sind.
Vergleicht man Bilder, die an aufeinanderfolgenden Tagen aufgenommen wurden,
sieht man, dass sich die Struktur verändert, vielleicht durch Einfall und
Zerkleinerung von Materie auf eine rotierende Akkretionsscheibe nebst Ausstoß
von Material in Form eines Jets. Ein solches Szenario kannte man bisher nur von
Simulationsrechnungen. Der Nachwuchswissenschaftler Jae-Young Kim vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), der das Forschungsprojekts
leitete, ist begeistert, gleichzeitig aber auch etwas verwundert: "Jedes Mal,
wenn ein neues Fenster zur Erforschung des Universums geöffnet wird, kommt etwas
Neues dabei heraus. Wir haben nur erwartet, mit unserer superscharfen Aufnahme
den Bereich abzubilden, in dem der Jet geformt wird. Was wir zusätzlich
beobachten konnten, ist die senkrechte Struktur. Das ist, wie wenn man eine
Matroschka-Puppe nach der anderen öffnet. Man glaubt zu wissen, was in der
nächsten ist, und in der kleinsten findet sich eine Überraschung".
Darüber hinaus hat es die Forscher auch erstaunt, dass die Bilder sich auf so
kurzer Zeitskala ändern und zwar nicht nur entlang des Jets sondern auch quer
dazu. "3C 279 war die erste bekannte astronomische Quelle, für deren Jet eine
Bewegung mit scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit nachgewiesen wurde. Und sie
ist fast 50 Jahre später immer noch für Überraschungen gut", sagt Thomas
Krichbaum, ebenfalls vom MPIfR, der die Beobachtungen von 3C 279 als
Projektleiter konzipiert hat. "Denn querverlaufende scheinbare Bewegungen mit
fast 20-facher Lichtgeschwindigkeit können nur sehr schwer erklärt werden,
vielleicht mit wandernden Stoßfronten oder aber Instabilitäten in einem
gekrümmten und vielleicht rotierenden Jet", fügt er hinzu.
Die an der Beobachtung im Jahr 2017 beteiligten Radioteleskope waren ALMA,
APEX (beide Chile, letzteres gemeinsam betrieben von MPIfR, ESO und dem
schwedischen Onsala-Observatorium), das IRAM-30m-Teleskop in Spanien, das
James-Clerk-Maxwell-Teleskop (JCMT) und das Submillimeter-Array (beide Hawaii),
das Large-Millimeter-Teleskop (Mexiko), das Submillimeter-Teleskop (früher
Heinrich-Hertz-Teleskop, Arizona), und das Südpol-Teleskop.
Die Teleskope wurden mit einer speziellen Technik miteinander verbunden, der
sogenannten "Very Long Baseline Interferometrie" (VLBI). Dadurch werden über die
ganze Welt verteilte Einzelteleskope miteinander verbunden und zusätzlich die
Rotation der Erde genutzt, um ein riesiges virtuelles Radioteleskop von der
Größe der Erde zu bilden. Mit der Winkelauflösung dieses vernetzten Teleskops
wäre es für einen Astronauten auf dem Mond quasi möglich, eine einzelne
Apfelsine auf der Erde zu identifizieren.
Die Datenanalyse, mit der die Rohdaten von den beteiligten Teleskopen zu
einem Bild verbunden werden, erfordert spezielle Computer (sogenannte
Korrelatoren). Die hierfür eingesetzten Korrelatoren befinden sich am MPIfR in
Bonn und am MIT-Haystack-Observatorium in den USA. J. Anton Zensus, Direktor am
MPIfR und Vorsitzender des EHT-Kollaborationsrats, unterstreicht, dass dieses
Ergebnis nur durch eine globale gemeinsame Anstrengung möglich war: "Im
vergangenen Jahr konnten wir der Welt das erste Bild vom Schatten eines
Schwarzen Lochs vorstellen. Nun sehen wir unerwartete Veränderungen in der Form
des Jets von 3C 279, und wir sind noch längst nicht am Ziel angekommen. Wir
arbeiten weiterhin an den Daten von Sagittarius A*, der Zentralquelle unserer
Milchstraße. Wie wir im letzten Jahr schon betont haben: das ist erst der
Anfang!"
Die für März/April 2020 vorgesehene EHT-Beobachtungskampagne musste aufgrund
des globalen CoViD-19-Ausbruchs abgesagt werden. Die EHT-Kollaboration legt im
Moment die nächsten Schritte sowohl in Hinsicht auf neue Beobachtungen als auch
auf die Analyse der bereits aufgenommenen Daten fest. Michael Hecht, Astronom am
MIT/Haystack-Observatorium und Vize-Direktor für das EHT-Projekt, stellt
abschließend fest: "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Veröffentlichung der
Daten von 2017 und starten mit der Analyse der Daten, die wir mit einem Teleskop
mehr im Folgejahr 2018 aufgenommen haben. Dazu blicken wir voraus auf die
nächste Kampagne im März 2021, dann mit einem auf elf Observatorien vergrößerten
EHT-Netzwerk."
Die Ergebnisse wurden in der vergangenen Woche in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlicht.
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