Im Schnitt ein Erdbeben pro Tag
auf dem Mars
Redaktion
/ Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
24. Februar 2020
Der Planet Mars ist seismisch aktiv. Das zeigen erste wissenschaftliche Analysen von
Daten, die der NASA-Marslander InSight von der Marsoberfläche zur Erde
gefunkt hat. Im Schnitt konnte das Seismometer SEIS jeden Tag ein Erdbeben
registrieren. Von der Auswertung der Aufzeichnungen verspricht sich das Team
wichtige Informationen über das Innere des Mars.

Das Seismometer SEIS von InSight auf dem
Mars.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Am 26. November 2018 setzte der InSight-Landerr NASA in der Region Elysium Planitia erfolgreich auf dem Mars auf. Siebzig Marstage später begann das Seismometer SEIS der Mission, Erschütterungen des Planeten aufzuzeichnen. Ein Team von Forschenden und Ingenieuren der ETH Zürich unter der Leitung von ETH-Professor Domenico Giardini hat die Steuerelektronik für SEIS entwickelt und ist für den
"Marsbebendienst" verantwortlich. Letzterer ist in Zusammenarbeit mit dem
Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich für die tägliche Interpretation
der vom Mars gesendeten Daten zuständig.
Bis Ende September 2019 hatte InSight 174 Ereignisse aufgezeichnet. Zwischenzeitlich wurden die Messungen fortgesetzt und insgesamt über 450 Marsbeben beobachtet, die noch nicht alle detailliert ausgewertet werden konnten. Das entspricht im Durchschnitt etwa einem Ereignis pro Tag. Die Daten ermöglichen den Forschenden festzustellen, wie sich seismische Wellen durch den Planeten ausbreiten. Ähnlich wie Röntgenstrahlen durchdringen sie das Planenteninnere und machen dessen Beschaffenheit sichtbar.
Vor der Landung von InSight hatten Forschende ein breites Spektrum an Modellen entwickelt, die aufzeigen, wie sich die innere Struktur des Planeten möglicherweise entwickelt hat. Die aufgezeichneten Marsbeben erlauben es nun bereits nach wenigen Monaten besser zu verstehen, wie der Planet aufgebaut ist und räumen bisher bestehende Ungewissheiten aus.
Marsbeben ähneln Erdbeben, haben in der Regel aber kleinere Magnituden. Die 174
genauer untersuchten Marsbeben lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Zur
ersten gehören 24, niederfrequente Erschütterungen mit Magnituden zwischen 3 und 4, deren Wellen sich durch den Marsmantel
ausbreiten. Zur zweiten gehören 150 Ereignisse mit vergleichsweise kleineren
Magnituden, geringerer Herdtiefe und Wellen mit höherer Frequenz, die in der
Kruste des Mars gefangen bleiben.
"Marsbeben weisen ähnliche Eigenschaften auf, wie sie bereits während der Apollo-Ära auf dem Mond beobachtet wurden. Sie dauern lange (10 bis 20 Minuten), da ihre Wellen aufgrund von Eigenheiten der Marskruste stark streuen", erläutert Giardini. In der Regel, so Giardini, ist es schwierig, Marsbebendaten zu interpretieren. In den meisten Fällen kann man nur die Entfernung bestimmen, aber nicht die Richtung, aus der die Wellen kommen.
InSight leitete nun eine neue Ära der planetaren Seismologie ein. Die Leistungsfähigkeit des SEIS hat bislang die Erwartungen übertroffen. Insbesondere in Anbetracht der rauen Bedingungen auf dem Mars, die jeden Tag von Temperaturen zwischen minus 80 und 0 Grad Celsius und von starken Winden gekennzeichnet sind. Vor allem tagsüber schütteln diese Winde den
InSight-Lander und seine Instrumente, was zu vielen Störgeräuschen führt. Bei Sonnenuntergang legen sich aber die Winde und ermöglichen es, die bisher leisesten seismischen Daten des gesamten Sonnensystems aufzuzeichnen.
Die von SEIS erkannten Beben haben sich daher vorwiegend in den ruhigen Nach-stunden ereignet. Die schwierigen Bedingungen machen es zudem herausfordernd, seismische Ereignisse von anderen Signalen zu unterscheiden, die von Bewegungen des Landers, von anderen Instrumenten oder von der Atmosphäre stammen.
SEIS erfasst auch das Hämmern der Wärmeflusssonde HP3 (ein weiteres InSight-Experiment)
sowie vorbeiziehende Wirbelwinde (Staubteufel). Dies ermöglicht es, die
physikalischen Eigenschaften der unmittelbar unter SEIS liegenden Bodenschichten abzubilden. Daher ist bekannt, dass SEIS auf einer dünnen, sandigen Schicht von wenigen Metern Tiefe gelandet ist, die in Mitte eines 20 Meter großen alten Einschlagkraters liegt.
In größerer Tiefe weist die Marskruste Eigenschaften auf, die mit den kristallinen Grundgebirgen der Erde vergleichbar sind. Sie scheint aber stärker zerklüftet zu sein. Die Art und Weise wie sich die seismischen Wellen ausbreiten legt zudem nahe, dass der obere Mantel diese im Vergleich zum unteren Mantel stärker dämpft.
Bisher wurden in der Nähe der Station keine Marsbeben aufgezeichnet, was darauf hindeutet, dass
InSight in einer seismisch eher ruhigen Region des Mars gelandet ist.
Die drei größten Ereignisse ereigneten sich in der Region Cerberus Fossae, die etwa 1500
Kilometer entfernt liegt. Dabei handelt es sich um ein tektonisches Grabensystem, das durch das Gewicht des Elysium Mons, des
größten Vulkans in der Elysium-Planitia-Region, verursacht wurde. Es besteht daher die starke Vermutung, dass die seismische Aktivität auf dem Mars nicht nur eine Folge der Abkühlung und damit des Schrumpfens des Planeten ist, sondern auch durch tektonische Spannungen verursacht wird.
Die gesamte auf dem Mars freigesetzte seismische Energie liegt zwischen derjenigen der Erde und derjenigen des Mondes.
In Verbindung mit anderen Messungen sind die mit SEIS gewonnen Daten zudem sehr nützlich, um meteorologische Prozesse auf dem Mars besser zu verstehen. Das Seismometer erfasst nicht nur Winde, sondern reagiert auch auf atmosphärischen Druck, was es erlaubt, die für den Mars charakteristischen meteorologischen Phänomene zu bestimmen. Dazu gehören unter anderem die nachmittäglich am Lander vorbeiziehenden Wirbelwinde.
Diese und weitere Resultate wurden nun in mehreren Artikeln veröffentlicht,
die in der Zeitschrift NatNature Geoscience veröffentlicht wurden.
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