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GRAVITATIONSWELLEN
Noch keine Chance für Mini-Detektoren
Redaktion / idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf
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17. Dezember 2018

Der Nachweis von Gravitationswellen erfordert bislang einiges an Aufwand: So benötigt man riesige Detektoren mit kilometerlangen Messeinrichtungen. Forscher suchen daher nach Verfahren, die sich auch in kleinerem Maßstab einsetzen lassen. Eine Methode mit Bose-Einstein-Kondensaten dürfte dazu allerdings bis auf Weiteres nicht infrage kommen.

Gravitationswellen

Die Illustration zeigt, wie zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen, was zur Entstehung von Gravitationswellen führt. Bild: LIGO / T. Pyle [Großansicht]

Die von Schwarzen Löchern in den Tiefen des Weltraums ausgelösten Gravitationswellen erreichen zwar durchaus die Erde. Ihre Wirkungen sind aber so gering, dass sie bisher nur mit kilometerlangen Mess-Einrichtungen beobachtet werden konnten. Physiker diskutieren daher, ob nicht auch superkalte und winzig kleine Bose-Einstein-Kondensate mit ihren geordneten Quanteneigenschaften diese Wellen aufspüren könnten. Prof. Ralf Schützhold vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden hat diese Vorschläge jetzt genau betrachtet und ernüchtert festgestellt: Ein solcher Nachweis ist weit außerhalb der Reichweite der derzeitigen Methoden.

Schon im Juni 1916 reichte Albert Einstein einen Artikel bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften ein, in dem er zeigte, dass sich bewegende Massen, wie einander umkreisende Riesensterne, eine Delle in Raum und Zeit hinterlassen, die sich mit der Geschwindigkeit des Lichts ausbreitet. Diese sogenannten Gravitationswellen sollten sich demnach genauso wie Radiowellen, Licht und andere elektromagnetische Wellen bewegen. Allerdings seien die Auswirkungen der Gravitationswellen normalerweise so schwach, dass man sie wohl kaum jemals messen könne, war der weltberühmte Physiker überzeugt.

Der Grund für diese Skepsis: Die Leistung dieser Gravitationswellen ist recht schwach. So erzeugt selbst die recht große Masse der Erde, die in jeder Sekunde auf ihrem Weg um die vielfach größere Sonne fast 30 Kilometer zurücklegt, Gravitationswellen mit einer Leistung von gerade einmal 300 Watt. Das aber würde nicht einmal reichen, um einen handelsüblichen Staubsauger mit Energiespar-Label zu betreiben. Einen Einfluss dieser Gravitationswellen auf die Bahn der Erde kann man daher kaum messen.

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Ein wenig besser sieht die Situation dagegen aus, wenn erheblich größere Massen beteiligt sind. Als 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt zwei riesige Schwarze Löcher miteinander verschmolzen, von denen eines ungefähr die Masse von 36 Sonnen und das andere eine Masse von rund 29 Sonnen hatte, erzitterten Weltraum und Zeit. Bei diesem Verschmelzen verwandelte sich die dreifache Masse unserer Sonne in eine gigantische Gravitationswelle, deren Ausläufer 1,3 Milliarden Jahre später am 14. September 2015 um 11.51 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit die Erde erreichten.

Da sich die Wellen aber in alle Himmelsrichtungen über so riesige Entfernungen im Weltraum ausgebreitet hatten, verteilten sie sich auf einen unvorstellbar großen Raum und ihre Leistung verringerte sich enorm. Auf der Erde kam daher nur noch ein extrem schwaches Signal an, das von zwei vier Kilometer langen Mess-Kreuzen in den USA registriert wurde. Zwischen den Endpunkten dieses Kreuzes schießen spezielle Laser Lichtstrahlen hin und her. Aus der Zeit, die ein Lichtstrahl von einem zum anderen Ende der Strecke braucht, können die Forscher sehr exakt die Entfernung zwischen beiden Punkten berechnen.

"Als die Gravitationswellen auf der Erde eintrafen, verkürzten sie bei beiden Einrichtungen eine der beiden Mess-Strecken um einen winzigen Bruchteil eines Billionstel Millimeters, während die im rechten Winkel dazu liegende Strecke ähnlich stark verlängert wurde“, erklärt HZDR-Forscher Ralf Schützhold das Ergebnis seiner Kollegen. Am 11. Februar 2016 stand nach einer genauen Analyse der Daten daher fest, dass die Forscher zum ersten Mal die von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen direkt nachgewiesen hatten. Prompt wurden drei der beteiligten Forscher 2017 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.

Astrophysiker können mit diesen Wellen jetzt also gewaltige Ereignisse im Weltraum beobachten, bei denen zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen oder riesige Sterne explodieren. Nur fragen sich Physiker, ob das nicht auch mit deutlich handlicheren Einrichtungen als vier Kilometer langen Messkreuzen funktioniert. Eine Möglichkeit könnten sogenannte Bose-Einstein-Kondensate sein, die Satyendranath Bose und Albert Einstein bereits 1924 vorhergesagt hatten.

"Solche Kondensate kann man sich als stark verdünnten Dampf von einzelnen Atomen vorstellen, die extrem stark abgekühlt werden und dabei kondensieren“, erläutert Schützhold. Das gelang drei Forschern in den USA erst 1995. Bei extrem tiefen Temperaturen, die nur sehr wenig über dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius liegen, befinden sich die allermeisten Atome von Metallen wie Rubidium im gleichen Quantenzustand, während sie als Dampf bei höheren Temperaturen ein wildes Durcheinander bilden.

"Ähnlich wie die Lichtteilchen in einem Laser bewegen sich die Atome dieser Bose-Einstein-Kondensate sozusagen im Gleichschritt“, erklärt Schützhold. Gravitationswellen aber können bei diesen Atom-Kondensaten im Gleichschritt Schall-Teilchen oder Schall-Quanten verändern, die Physiker als Phononen bezeichnen. "Das ähnelt ein wenig einem großen Bottich mit Wasser, in dem die Wellen eines Erdbebens die vorhandenen Wasserwellen verändern", beschreibt Schützhold diesen Vorgang.

Als der Leiter der Abteilung "Theoretische Physik" am HZDR sich allerdings die Grundlagen dieses Phänomens genauer anschaute, stellte sich heraus, dass solche Bose-Einstein-Kondensate um etliche Größenordnungen größer sein müssten, als sie derzeit möglich sind, um Gravitationswellen aufzuspüren, die von verschmelzenden Schwarzen Löchern ausgehen: "Heute erhält man mit großem Aufwand Bose-Einstein-Kondensate mit zum Beispiel einer Million Rubidium-Atomen, man bräuchte aber weit mehr als die Millionen-fache Menge dieser Atome, um Gravitationswellen nachzuweisen."

Zwar gibt es durchaus eine Alternative, bei der im Bose-Einstein-Kondensat eine Art Wirbel entstehen, in denen Gravitationswellen Phononen direkt erzeugen, die sich leichter beobachten lassen. "Aber auch bei solchen inhomogenen Bose-Einstein-Kondensaten sind wir noch um Größenordnungen vom Nachweis von Gravitationswellen entfernt", bedauert der Physiker. Der HZDR-Forscher liefert allerdings einen Hinweis auf einen möglichen Nachweis: Kühlt man das Edelgas Helium auf Temperaturen ab, die weniger als zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt liegen, entsteht eine superfluide Flüssigkeit, die zwar kein reines Bose-Einstein-Kondensat ist, aber immerhin knapp zehn Prozent solcher Helium-Atome im Gleichschritt enthält.

Weil man viel größere Mengen dieses superfluiden Heliums herstellen kann, erhält man damit um viele Größenordnungen mehr Bose-Einstein-Kondensat-Atome als mit der direkten Herstellung. "Ob superfluides Helium aber wirklich ein Weg ist, um Gravitationswellen nachzuweisen, könnten nur extrem komplizierte Berechnungen zeigen", fasst Schützhold zusammen. Die Mini-Detektoren für Gravitationswellen liegen daher noch einige Zeit in der Zukunft.

Über seine Untersuchung berichtete Schützhold in der Fachzeitschrift Physical Review D.

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