Drei Detektoren belauschten ein Ereignis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
28. September 2017
Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, die
Gravitationswellen eines entfernten Ereignisses mit drei verschiedenen
Detektoren nachzuweisen: Im August registrierten die zwei LIGO-Detektoren in den
USA sowie der Virgo-Detektor in Italien die Kräuselungen in der Raumzeit, die
durch die Verschmelzung zweier Schwarzen Löcher in 1,8 Milliarden Lichtjahren
Entfernung entstanden.
![GW170814](../../../bilder/2017/1709-021.jpg)
Die Abbildung zeigt die Verschmelzung von
zwei einander umkreisenden Schwarzen Löchern, wie
sie am 14. August 2017 von den Advanced LIGO- und
Advanced Virgo-Observatorien gemessen wurde. Die
Stärke der Gravitationswelle wird sowohl durch
die Höhe als auch durch die Farbe dargestellt.
Dabei steht Dunkelgrün für schwache Felder und
helles Violett für starke Felder.
Bild: S. Ossokine, A. Buonanno
(Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik),
Simulating eXtreme Spacetimes project
(Numerisch-relativistische Simulation); T.
Dietrich (Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik), R. Haas
(NCSA)(Visualisierung) [Großansicht] |
Vom 1. bis zum 25. August nahm der Advanced-Virgo-Gravitationswellendetektor
in Italien gemeinsam mit den beiden US-amerikanischen Advanced-LIGO-Observatorien
und dem kleineren deutsch-britischen GEO600-Instrument Daten auf. Am 14. August
2017 beobachtete das LIGO-Virgo-Netzwerk eine Gravitationswelle von einem Paar
verschmelzender Schwarzer Löcher. Die dreifache gemeinsame Messung verbesserte
signifikant die Genauigkeit, mit der sich Himmelsposition und Entfernung der
Schwarzen Löcher bestimmen ließen.
Detaillierte Untersuchungen zeigten, dass die Gravitationswelle beim
Ineinanderfallen und Verschmelzen von zwei relativ schweren Schwarzen Löchern
mit ca. 31 beziehungsweise 25 Sonnenmassen entstand, vergleichbar mit der Quelle
der ersten gemessenen Gravitationswelle. Die Verschmelzung ereignete sich in
einer Entfernung von rund 1,8 Milliarden Lichtjahren. GW170814 erreichte den
LIGO-Livingston-Detektor ca. acht Millisekunden vor dem LIGO-Hanford-Detektor
und etwa 14 Millisekunden vor dem Virgo-Detektor. Aus der Kombination dieser
Laufzeitunterschiede lässt sich die Richtung zur Quelle der Gravitationswelle
berechnen.
GW170814 ließ sich auf einen Bereich von 60 Quadratgrad (300-mal die
scheinbare Größe des Vollmonds) am Südhimmel zwischen den Sternbildern Eridanus
und Pendeluhr lokalisieren. Aus dem Vergleich der gemessenen Wellenform mit
Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie wiederum bestimmten die
Forschenden die Entfernung zu den Schwarzen Löchern.
"Die Gravitationswellenastronomie entwickelt sich rasant. Mit einem dritten
großen Detektor können wir die Position und die Entfernung der Quellen von
Gravitationswellen sehr viel genauer bestimmen. In der Zusammenarbeit mit
Astronomen und Astronominnen können wir so effizienter nach elektromagnetischen
und Partikel-Signalen der Quellen suchen und so gemeinsam das neue Zeitalter der
Multi-Messenger-Astronomie vorantreiben", sagen Bruce Allen und Alessandra
Buonanno vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Karsten Danzmann,
der zusätzlich noch am Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität
Hannover forscht.
Im Fall von GW170814 suchten insgesamt 25 Observatorien nach
elektromagnetischer Strahlung im Bereich von Gamma- und Röntgenstrahlung,
sichtbarem Licht, Infrarotstrahlung und Radiowellen, ebenso nach
Neutrinoemissionen; keines der Instrumente fand ein Signal – das entspricht den
Erwartungen für stellare Schwarze Löcher.
In der GEO-Kollaboration, einem Team von Forschenden der
Max-Planck-Gesellschaft, der Leibniz Universität und aus Großbritannien betreibt
Danzmann seit Mitte der 1990er Jahre den Gravitationswellen-Detektor GEO600
südlich von Hannover. GEO600 ist ein Entwicklungszentrum für neuartige und
fortschrittliche Technologien in der internationalen
Gravitationswellenforscher-Gemeinschaft. Viele Schlüsseltechnologien, die die
nie zuvor erreichte Empfindlichkeit der LIGO-Observatorien und die
bahnbrechenden Entdeckungen ermöglichen, wurden bei GEO600 entwickelt und
getestet.
Zusammen mit dem Laser Zentrum Hannover e.V. entwickelten, bauten und
installierten AEI-Forschende die Hochleistungslaser im Herzen der LIGO- und
Virgo-Instrumente. Entscheidende Verbesserungen im optischen Messprinzip wie
Leistungs- und Signalüberhöhung wurden zuerst bei GEO600 in einem großen
Gravitationswellen-Detektor demonstriert. GEO600 ist darüber hinaus derzeit der
einzige Gravitationswellen-Detektor weltweit, der sogenanntes Quetschlicht
einsetzt, das zukünftig alle Gravitationswellen-Detektoren auf der Erde
verwenden werden, um ihre Empfindlichkeit weiter zu steigern.
Mitglieder der Abteilung "Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie" am
AEI Hannover analysierten die Virgo-Daten, um die Wahrscheinlichkeit
abzuschätzen, dass zufällige Rauschschwankungen das schwache Virgo-Signal
verursachten. Sie fanden heraus, dass das Signal mit mehr als 99%iger
Wahrscheinlichkeit echt ist. Sie haben außerdem Methoden entwickelt, um
instrumentelle Artefakte in den LIGO-Daten zu beheben und so die
LIGO-Empfindlichkeit signifikant zu erhöhen.
Die Wissenschaftler aus Hannover entwickelten und implementierten zudem viele
der Algorithmen für die Software, die für die Analyse der LIGO-Daten genutzt
werden. Diese Untersuchungen wurden beispielsweise verwendet, um die
statistische Signifikanz von GW170814 und dessen Parameter zu bestimmen.
Außerdem trug der Großrechner Atlas, den die Abteilung betreibt, rund 40% der
Rechenleistung für die derzeit laufende Datenanalyse des zweiten
Beobachtungslaufs "O2" bei.
Wie bei vorherigen wegweisenden Gravitationswellen-Beobachtungen hatte die
Abteilung "Astrophysikalische und Kosmologische Relativität" am AEI in Potsdam
eine entscheidende Rolle bei der Beobachtung und Interpretation von GW170814.
Ein signifikanter Beitrag war die Entwicklung und Nutzung der präzisesten
Wellenformmodelle, die die Quelle von GW170814 sowohl aufspürten als auch
charakterisierten.
Mehr als 1200 Forschende aus aller Welt sind durch die LIGO Scientific
Collaboration, die die GEO-Kollaboration beinhaltet, an den Beobachtungen
beteiligt. Die Virgo-Kollaboration besteht aus mehr als 280 Mitgliedern aus 20
verschiedenen europäischen Forschungsgruppen. Über die Beobachtung berichten die
Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Physical Review
Letters veröffentlicht wird.
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