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PULSARE
Eine fünfte Kraft durch Dunkle Materie?
Redaktion / Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie
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11. Juni 2018

Die Dunkle Materie dürfte einen großen Teil der Masse des Universums ausmachen, allerdings weiß man über diese mysteriöse Substanz bislang kaum etwas. Ungeklärt ist auch die Frage, ob Dunkle Materie tatsächlich nur durch Gravitation wirkt oder zusätzlich noch über eine unbekannte fünfte Kraft. Bisherige Experimente deuten nicht darauf hin. Jetzt haben Astronomen mithilfe eines Pulsars nachgemessen.

Fünfte Kraft

Schematisches Bild eines Pulsars im Gravitationsfeld der Milchstraße. Die beiden Pfeile zeigen die Richtung der Anziehungskräfte, zum einen in Bezug auf normale Materie - Sterne, Gas, etc. (gelber Pfeil), zum anderen in Bezug auf die sphärische Verteilung von Dunkler Materie (grauer Pfeil). Dabei stellt sich die Frage, ob die Dunkle Materie den Pulsar nur durch Gravitation anzieht, oder, zusätzlich zur Gravitation, durch eine bisher unbekannte "fünfte Kraft". Bild: Norbert Wex / R. Hurt (SSC), JPL-Caltech, NASA / NASA  [Großansicht]

Um das Jahr 1600 führten Experimente von Galileo Galilei zu dem Schluss, dass alle Objekte im Gravitationsfeld der Erde unabhängig von ihrer Masse und Zusammensetzung die gleiche Beschleunigung erfahren. Später hat Isaak Newton Pendelexperimente mit unterschiedlichen Materialien durchgeführt und konnte mit einer Genauigkeit von 1:1000 die sogenannte Universalität des freien Falls aufzeigen, dass also alle Körper im freien Fall gleich beschleunigt werden. Erst kürzlich konnte dies mit dem Satellitenexperiment MICROSCOPE sogar mit einer Genauigkeit von 1: 100 Billionen im Gravitationsfeld der Erde bestätigt werden.

Eine solche Art von Experimenten kann allerdings die Universalität des freien Falls nur in Bezug auf normale Materie bestätigen, wie etwa der Erde selbst, deren Zusammensetzung von chemischen Elementen wie Eisen, Sauerstoff, Silizium und Magnesium dominiert wird. Auf größeren Skalen allerdings scheint normale Materie nur einen kleinen Anteil der gesamten Materie und Energie im Universum auszumachen. Es wird angenommen, dass die sogenannte Dunkle Materie rund 80 Prozent der gesamten Materie im Universum ausmacht.

Bis jetzt konnte Dunkle Materie allerdings noch nicht direkt beobachtet werden. Es gibt nur indirekte Hinweise auf ihre Existenz über unterschiedliche astronomischen Beobachtungen wie die Rotation von Galaxien, die Bewegungen in Galaxienhaufen sowie Gravitationslinsen. Die tatsächliche Natur der Dunklen Materie stellt eine der größten Herausforderungen in der modernen Wissenschaft dar. Viele Physiker nehmen dabei an, dass Dunkle Materie sich aus noch unentdeckten subatomaren Teilchen zusammensetzt.

Aus der bisher unbekannten Zusammensetzung der Dunklen Materie erwächst eine weitere wichtige Frage: Stellt die Gravitation die einzige Wechselwirkung mit großer Reichweite zwischen normaler Materie und Dunkler Materie dar? Anders gesagt, wirkt auf normale Materie nur die von der Dunklen Materie verursachte Krümmung der Raumzeit, oder gibt es noch eine weitere Kraft, die normale Materie in Richtung der Dunklen Materie zieht (oder ggf. sogar abstößt und die Gesamtanziehung zwischen normaler Materie und Dunkler Materie verringert)? Dies würde eine Verletzung der Universalität des freien Falls in Bezug auf Dunkle Materie bedeuten.

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Eine solche hypothetische Wechselwirkung wird manchmal auch als "fünfte Kraft" bezeichnet, neben den vier bekannten fundamentalen Wechselwirkungen in der Natur (Gravitation, elektromagnetische und schwache Wechselwirkung, starke Wechselwirkung). Durch eine ganze Reihe von Experimenten gibt es deutliche Einschränkungen für eine solche fünfte Kraft, die durch Dunkle Materie bewirkt wird.

Eines der Schlüsselexperimente dazu nutzt die Bahnbewegung des Mondes um die Erde und überprüft sie in Hinblick auf eine anomale Beschleunigung in Richtung des galaktischen Zentrums, d.h. des Zentrums des sphärischen Halos von Dunkler Materie in unserer Milchstraße. Die extrem hohe Genauigkeit dieses Experiments basiert auf dem sogenannten “Lunar Laser Ranging”, wobei der Abstand zum Mond durch die Reflektion von Lasersignalen an Retroreflektoren, die auf der Mondoberfläche installiert sind, auf Zentimeter genau vermessen wird.

Bis heute hat allerdings niemand die Existenz einer solchen fünften Kraft mithilfe so exotischer Objekte wie Neutronensternen getestet. "Es gibt gleich zwei Gründe dafür, dass Pulsare in Doppelsternsystemen uns einen völlig neuen Weg zeigen, die Existenz einer solchen fünften Kraft in der Wechselwirkung zwischen normaler Materie und Dunkler Materie zu testen", sagt Lijing Shao vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). "Zum einen besteht ein Neutronenstern aus Materie, die nicht im Labor erzeugt werden kann, viele Male dichter als ein Atomkern und nahezu komplett aus Neutronen aufgebaut. Und zum anderen ist es das gewaltige Gravitationsfeld im Inneren des Neutronensterns, Milliarden mal stärker als das der Sonne, das prinzipiell eine deutliche Verstärkung der Wechselwirkung mit der Dunklen Materie bewirken könnte."

Die Umlaufbahn eines Binärpulsars kann über die Messung der Ankunftszeit der Pulsarsignale mit Radioteleskopen mit extrem hoher Genauigkeit vermessen werden. Für einige Pulsare wird dabei eine Genauigkeit von unter 100 Nanosekunden erreicht; das entspricht einer Bestimmung der Pulsarumlaufbahn mit einer Genauigkeit von unter 30 Metern.

Um die Universalität des freien Falls in Bezug auf Dunkle Materie zu überprüfen, hat das Forscherteam einen hervorragend geeigneten Pulsar in einem Doppelsternsystem herausgesucht, der die Katalogbezeichnung PSR J1713+0747 trägt und rund 3800 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Es handelt sich dabei um einen Millisekundenpulsar mit einer Rotationsperiode von nur 4,6 Millisekunden, dazu mit einer der am stabilsten eingehaltenen Rotationsperioden unter allen bisher bekannten Pulsaren. Der Pulsar befindet sich in einer nahezu kreisförmigen Umlaufbahn von 68 Tagen Dauer mit einem Weißen Zwerg als Begleiter.

Während Pulsarastronomen normalerweise an sehr kompakten Doppelsternsystemen mit schneller Orbitalbewegung interessiert sind, um damit den Gültigkeitsbereich der allgemeinen Relativitätstheorie zu testen, haben die Forscher im vorliegenden Fall genau nach dem Gegenteil, nämlich einem sich langsam bewegenden Millisekundenpulsar in einer weiten Umlaufbahn, gesucht. Je größer die Umlaufbahn, desto empfindlicher reagiert das System auf eine Verletzung der Universalität des freien Falls.

Wenn der Pulsar im Vergleich zum Weißen Zwerg im gemeinsamen Orbit eine unterschiedliche Beschleunigung im Hinblick auf Dunkle Materie erfährt, sollte sich mit der Zeit eine Deformation in der Umlaufbahn und damit eine Änderung der Exzentrizität ergeben. "Wir haben über 20 Jahre hochpräziser Timingbeobachtungen für dieses System, sowohl mit Effelsberg und anderen Radioteleskopen im 'European Pulsar Timing Array' wie auch mit dem nordamerikanischen NANOGrav-Pulsar-Timing-Projekt und sie zeigen mit hoher Genauigkeit, dass es keine Änderung in der Exzentrizität der Umlaufbahn gibt", erklärt Norbert Wex, ebenfalls vom MPIfR. "Wir sehen also mit großer Deutlichkeit, dass der Neutronenstern die gleiche Art von Anziehung in Bezug auf Dunkle Materie spürt wie in Bezug auf normale Materie."

"Um diese Tests noch zu verbessern, sind wir weiterhin auf der Suche nach geeigneten Pulsaren in Bereichen, in denen wir große Ansammlungen von Dunkler Materie erwarten", sagt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik". "Der ideale Ort dafür ist das Zentrum unserer Milchstraße, wo wir Beobachtungen mit dem 100-Meter-Teleskop und weiteren Radioteleskopen der Welt im Rahmen unseres BlackHoleCam-Projekts durchführen. Mit dem zukünftigen 'Square Kilometre-Array-Teleskop' sollten schließlich superpräzise Tests möglich werden".

Über ihre Untersuchung berichten die Forscher in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

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siehe auch
Schwarze Löcher: Verschiedene Typen schwer zu unterscheiden - 17. April 2018
Schwarze Löcher: Ereignishorizont im Visier - 18. Dezember 2013
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Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
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