Verschiedene Typen schwer zu unterscheiden
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
17. April 2018
Könnte man durch die Beobachtung von Schwarzen Löchern
feststellen, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie oder vielleicht doch
eine alternative Beschreibung der Gravitation korrekt ist? Diese Frage haben
sich Wissenschaftler gestellt, die gerade versuchen, den Schatten des Schwarzen
Lochs der Milchstraße zu beobachten. Ihre Simulationen zeigen jedoch: Einfach
wird das nicht.
Simulationen der Schattenbilder von
Sagittarius A*, berechnet für ein Schwarzes Loch
des Kerr-Typs (Allgemeine Relativitätstheorie,
oben), und des Dilaton-Typs (alternative
Schwerkrafttheorie, unten). Rechts jeweils die
erwartete Beobachtung.
Bild: Fromm / Younsi / Mizuno / Rezzolla
(Frankfurt) [Großansicht] |
Eine der fundamentalsten Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie ist die Existenz von Schwarzen Löchern. Doch trotz der erst
kürzlich gelungenen Entdeckung der Gravitationswellen binärer Schwarzer Löcher
am LIGO-Experiment steht ein direkter Nachweis mit Radioteleskopen noch aus. Zum
ersten Mal haben nun Astrophysiker der Goethe-Universität Frankfurt, des
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und der Universität Nijmegen im
Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekts BlackHoleCam
realistische Schattenbilder von Sagittarius A* erstellt, dem Kandidaten für ein
supermassereiches Schwarzes Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Sie wollen
damit nicht nur prüfen, ob Schwarze Löcher existieren, sondern auch, ob sich
Schwarze Löcher im Rahmen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie von
denjenigen unterscheiden lassen, die in alternativen Schwerkrafttheorien
auftreten.
Materie, die in den Ereignishorizont am Rande eines Schwarzen Lochs gerät,
wird endgültig verschluckt und ist nicht mehr nachweisbar. Doch einige der
Lichtteilchen, welche die Materie als letzte Signale aussendet, können entkommen
und von fernen Beobachtern registriert werden. Die Größe und Form des dadurch
erzeugten Schattens hängt dabei von den Eigenschaften des Schwarzen Lochs und
der in die Rechnung eingehenden Gravititationstheorie ab.
Da die größten Abweichungen von Einsteins Relativitätstheorie sehr nahe am
Ereignishorizont erwartet werden, und da alternative Gravitationstheorien
unterschiedliche Vorhersagen über die Eigenschaften des Schattens treffen, sind
direkte Beobachtungen von Sagittarius A* ein vielversprechender Ansatz, die
Auswirkung der Gravitation unter den extremsten Bedingungen zu testen. Solche
Bilder vom Schatten eines Schwarzen Lochs zu erzeugen, ist das oberste Ziel der
internationalen Event-Horizon-Telescope-Kollaboration (EHTC), die
Radiodaten von Teleskopen aus der ganzen Welt kombiniert und so ein
Riesenteleskop von nahezu Erddurchmesser simuliert.
Wissenschaftler aus dem BlackHoleCam-Team in Europa, die der
EHT-Kollaboration angehören, sind nun einen Schritt weiter gegangen und haben
untersucht, ob es möglich ist, zwischen verschiedenen Typen von Schwarzen
Löchern zu unterscheiden, die von unterschiedlichen Gravitationstheorien
vorhergesagt werden. In Einsteins Theorie ist das der sogenannte Kerr-Typ,
während der Dilaton-Typ die repräsentative Lösung einer anderen
Gravitationstheorie darstellt.
Die Forscher untersuchten was passiert, wenn Materie auf diese zwei sehr
unterschiedlichen Arten von Schwarzen Löchern fällt und berechneten die
entstehende Strahlung als Grundlage, um die Bilder zu erzeugen. "Zur Erfassung
der Effekte verschiedener Schwarzer Löcher benutzten wir realistische
Simulationen von Akkretionsscheiben mit fast identischen Ausgangsbedingungen.
Diese kostspieligen numerischen Simulationen benötigten hochmoderne Rechencodes
und beanspruchten mehrere Monate Rechenzeit auf dem LOEWE-CSC-Supercomputer
unseres Instituts", sagt Dr. Yosuke Mizuno vom Institut für Theoretische Physik
der Goethe-Universität Frankfurt.
Die erwarteten Radiobilder werden von Natur aus eine begrenzte Auflösung und
Bildgenauigkeit haben. Als die Wissenschaftler ihren Rechnungen realistische
Bildauflösungen zugrunde legten, fanden sie zu ihrem Erstaunen heraus, dass
selbst Schwarze Löcher, die sich in ihren Eigenschaften stark von klassischen
Schwarzen Löchern im Einstein’schen Sinne unterscheiden, sich in den simulierten
Erscheinungsbildern kaum noch voneinander unterscheiden lassen.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass man in manchen Gravitationstheorien,
Schwarze Löcher ähnlich aussehen können, wie die in der Relativitätstheorie.
Vermutlich brauchen wir neue Datenanalysemethoden für das EHT, um diese
auseinander zu halten.", sagt Luciano Rezzolla, Professor der Goethe-Universität
und Leiter des Frankfurter Teams. "Wir müssen offen dafür sein, dass zu Einstein
das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Glücklicherweise werden zukünftige
Beobachtungen und fortgeschrittene Technologien diese Zweifel ausräumen können",
ist seine Schlussfolgerung.
"Tatsächlich werden unabhängige Informationen, beispielsweise von Pulsaren,
die das zentrale Schwarze Loch umlaufen und nach denen wir intensiv suchen, uns
dabei helfen, diese Mehrdeutigkeit zu klären", unterstreicht Michael Kramer,
Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Heino Falcke,
Professor an der niederländischen Radboud-Universität, ist daher optimistisch:
"Es gibt keine Zweifel, dass das EHT letztlich starke Beweise für den Schatten
des Schwarzen Lochs liefern wird. Diese Ergebnisse hier fordern uns heraus, die
Techniken noch weiter zu entwickeln und schärfere Bilder zu erzeugen." Falcke
hat vor fast 20 Jahren als erster vorgeschlagen, Radioteleskope zu benutzen, um
die Schatten von Schwarzen Löchern abzubilden.
BlackHoleCam ist ein vom Europäischen Forschungsrat finanziertes
Synergie-Projekt, um astrophysikalische Schwarze Löcher vermessen und verstehen
zu können. Die Projektleiter Falcke, Kramer und Rezzolla testen die
grundlegenden Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Die
Teammitglieder des BlackHoleCam-Projekts sind aktive Partner der globalen
Event Horizon Telescope Collaboration (EHTC). Die Goethe-Universität ist
als Anteilshalter im Vorstand der EHTC vertreten.
Die Ergebnisse der jüngsten Untersuchung wurden online auf der Website von
Nature Astronomy veröffentlicht.
|