Radiodaten verraten Sternentstehungsrate
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
22. Februar 2017
Durch die Beobachtung von insgesamt 52 Galaxien in mehreren
Wellenlängen mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg ist es Astronomen
gelungen, eine verlässliche Methode abzuleiten, mit der sich die
Sternentstehungsrate in einer Galaxie allein aus Radiobeobachtungen bestimmen
lässt. Bislang musste man noch Resultate aus anderen Spektralbereichen
hinzuziehen.

Die Spiralgalaxie NGC 4725. Die Konturlinien
zeigen Radiokontinuumsstrahlung bei einer
Frequenz von 8,5 GHz, gemessen mit dem
100-Meter-Radioteleskop Effelsberg, überlagert
auf eine optische Aufnahme der Galaxie.
Bild: Ancor Damas-Segovia (Radiokarte &
kombiniertes Bild), Martin Pugh /
martinpughastrophotography.id.au (optisches Bild) [Großansicht] |
Fast alles Licht, das wir im Universum erblicken können, stammt von Sternen, die
im Inneren von dichten Gaswolken im sogenannten interstellaren Medium von
Galaxien geboren wurden. Die Häufigkeit ihrer Entstehung wird als
Sternentstehungsrate bezeichnet. Sie hängt ab vom Gasvorrat in der Galaxie
selbst, sowie von physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Temperatur und Stärke
des Magnetfelds. Die Sternentstehungsrate stellt dabei eine Schlüsselgröße dar
zum besseren Verständnis, wie Sternentstehung funktioniert.
Zur Bestimmung von Sternentstehungsraten kamen bis jetzt eine Reihe von
Beobachtungen in ganz unterschiedlichen Wellenlängenbereichen zum Zuge, jeweils
mit individuellen Vor- und Nachteilen. Licht im sichtbaren oder ultravioletten
Spektralbereich kann zu einem erheblichen Teil durch interstellaren Staub
absorbiert werden. Das führte zum Einsatz von hybriden Bestimmungsmethoden, die
zwei oder mehr unterschiedliche Wellenlängenbereiche miteinander verknüpfen,
darunter der Infrarotbereich, mit dessen Hilfe der Einfluss der Staubabsorption
korrigiert werden kann.
Dabei können aber wiederum andere Emissionsprozesse hineinspielen, die nicht mit
der Entstehung von massereichen Sternen verknüpft sind und zu einer Konfusion
der Ergebnisse führen können. Ein internationales Forscherteam hat jetzt eine
detaillierte Analyse der spektralen Energieverteilung einer systematischen
Stichprobe von Galaxien durchgeführt, die zuvor mit dem Infrarotweltraumteleskop
Herschel beobachtet worden waren.
Die Astronomen konnten zum ersten Mal die abgestrahlte Energie dieser Galaxien
im Radiofrequenzbereich bestimmen, aus der unmittelbar die Sternentstehungsraten
folgen. "Wir haben dafür die gemessene Radiostrahlung in einem mittleren
Frequenzbereich zwischen ein und zehn GHz verwendet, da in früheren
Untersuchungen eine eindeutige Korrelation zwischen Radio- und Infrarotstrahlung
entdeckt wurde", erläutert Fatemeh Tabatabaei vom Instituto de Astrofisica
de Canarias in La Laguna auf der Kanareninsel Teneriffa, die die Studie
leitete.
Es wurden detaillierte Untersuchungen durchgeführt, um die Energiequellen und
die Prozesse in diesen Galaxien zu verstehen. "Wir haben uns deshalb
entschieden, systematische Radiobeobachtungen der Galaxien der
KINGFISH-Stichprobe bei einer ganzen Reihe von Wellenlängen durchzuführen", so
Eva Schinnerer vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie, eine der
beteiligten Forscherinnen. Das KINGFISH-Projekt ("Key Insights on Nearby
Galaxies: a Far-Infrared Survey with Herschel") ist eine systematische Studie
von insgesamt 61 Galaxien im nahen Universum mit dem
ESA-Infrarotweltraumteleskop Herschel.
"Als Einzelteleskop mit hoher Empfindlichkeit ist unser 100-Meter-Radioteleskop
in Effelsberg das ideale Instrument, um verlässliche Radioflusswerte auch für
schwache ausgedehnte Objekte wie diese Galaxien bestimmen zu können", ergänzt
Marita Krause vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die für die
Radiomessungen der Galaxien mit dem 100-m-Teleskop verantwortlich war.
Das Team konnte zeigen, dass die Radiostrahlung im beobachteten
Wellenlängenbereich aus mehreren Gründen eine ideale Kenngröße zur Berechnung
von Sternentstehungsraten der untersuchten Galaxien darstellt. Erstens findet
keine Abschwächung der Strahlung durch Absorption im dazwischenliegenden
interstellaren Staub statt. Zweitens wird Radiostrahlung bei massereichen
Sternen in mehreren Phasen ihrer Entstehung abgestrahlt, von jungen stellaren
Objekten über HII-Regionen (Gebiete mit ionisiertem Gas) bis hin zu
Supernova-Überresten. Schließlich ist es auch nicht notwendig, die gefundene
Messgröße mit Ergebnissen aus anderen Wellenlängenbereichen zu korrigieren.
Aus all diesen Gründen, so die beteiligten Forscherinnen und Forscher, würden
Messungen im untersuchten Radiowellenlängenbereich einen eindeutigeren Weg zur
Bestimmung der Sternentstehungsrate von Galaxien darstellen, als viele der
bislang benutzten Methoden. "Wir können jetzt daran gehen, mit Hilfe von
Messungen am Radioteleskop Effelsberg diese Methode auf eine ganze Reihe
weiterer Galaxien anzuwenden", so Teammitglied Rainer Beck vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Über ihre Untersuchungen berichten Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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