Das Rohmaterial für neue Sterne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
23. September 2016
Astronomen haben mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA
untersucht, welches Rohmaterial zur Sternentstehung in den Galaxien im Verlauf
der Geschichte des Universums zur Verfügung stand. Sie nahmen dazu eine der am
besten erforschten Himmelsregionen überhaupt ins Visier: das Hubble Ultra
Deep Field. Das Licht mancher Galaxien in diesem Bereich war rund elf
Milliarden Jahre zu uns unterwegs.

Das Hubble Ultra Deep Field zeigte sich ALMA
als Fundgrube von Galaxien, die reich an
Kohlenmonoxid sind (orange) und damit Potenzial
für Sternentstehung haben.
Bild: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF);
ALMA (ESO/NAOJ/NRAO); NASA/ESA Hubble [Großansicht] |
Schon kurz nach dem Urknall haben Galaxien in unserem Kosmos neue Sterne
gebildet. Allerdings hat sich die Gesamt-Sternentstehungsrate über die
Milliarden Jahre durchaus verändert, und in einigen Epochen war unser Kosmos
ungleich produktiver als in anderen. Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für
Astronomie und seine Kollegen haben mithilfe des Radioteleskopverbunds
Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) versucht
herauszufinden, wie viel an Rohmaterial für die Sternentstehung - also wie viel
molekularer Wasserstoff - den Galaxien zu unterschiedlichen Epochen zur
Verfügung stand.
Die Astronomen haben dazu eine der am besten untersuchten Himmelsregionen
überhaupt beobachtet: das Hubble Ultra Deep Field (HUDF). Dort haben
sie unter anderem nach dem charakteristischen Licht gesucht, das die Anwesenheit
von Kohlenstoffmonoxid verrät. Aus der Menge an Kohlenstoffmonoxid kann man dann
auf die Menge an molekularem Wasserstoff schließen .
Da Sterne entstehen, wenn dichte Wolken aus molekularem Wasserstoff kollabieren,
hängt die Sternentstehungsrate direkt mit der Verfügbarkeit von molekularem
Wasserstoff, dem Rohmaterial für die Sternentstehung, zusammen. Bislang haben
"Sternen-Historiker" allerdings nicht das Rohmaterial, sondern andere
Indikatoren ausgewertet, um Sternentstehungsraten zu bestimmen - insbesondere
Licht bei charakteristischen Frequenzen, das ausgestrahlt wird, wenn
Molekülwolken kollabieren, sich dabei aufheizen, und die Hitze in Form ganz
bestimmter Spektrallinien abstrahlen.
Derartige Studien zeigen interessante Trends bei der Sternentstehung. In der
Vergangenheit haben Galaxien insgesamt deutlich mehr Sterne produziert als
heutzutage. Tatsächlich geht die Sternentstehungsrate, als Maß für diese
Produktivität, seit einer Blütezeit rund drei bis sechs Milliarden Jahre nach
dem Urknall stetig zurück. Während der Phase maximaler Produktivität wurde pro
Jahr rund zehn Mal mehr Wasserstoff zu Sternen als zur Jetztzeit. Die
Hintergründe dieser Langzeitentwicklung sind derzeit noch unklar.
Die neuen Beobachtungen können unserem Wissen über die Geschichte der
Sternentstehung ein wichtiges Puzzleteil hinzufügen: Die Menge an molekularem
Wasserstoff, die zu gegebener Zeit in Galaxien für die Sternentstehung zur
Verfügung steht. "Unsere neuen ALMA-Ergebnisse legen nahe: Je weiter wir in die
Vergangenheit zurückblicken, umso mehr Gas finden wir in den Galaxien, die wir
sehen" sagt Manuel Aravena, Astronom an der Universidad Diego Portales
in Santiago in Chile und der Ko-Leiter des Astronomenteams. "Diese Zunahme an
Gasgehalt dürfte der Grund für die beachtliche Zunahme der Sternentstehungsraten
sein, die während des Höhepunkts der Galaxienentstehung vor rund zehn Milliarden
Jahre einsetzte."
"Die kohlenstoffmonoxid-reichen Galaxien, die wir gefunden haben, leisten einen
beachtlichen Beitrag zur gesamten Sternentstehungsgeschichte unseres Kosmos",
sagt Roberto Decarli, Astronom am Max-Planck-Institut für Astronomie in
Heidelberg und Mitglied des Forscherteams. "Mit ALMA steht uns jetzt ein neuer
Weg offen, die frühe Entstehung und Entwicklung von Galaxien im Hubble Ultra
Deep Field zu untersuchen."
Die Fragen danach, wie all dies im Detail funktioniert und welche Faktoren die
Verfügbarkeit oder das Fehlen von molekularem Wasserstoff beeinflussen, sind
Leitfragen des großangelegten Beobachtungsprogramms mit ALMA, das Walter und
seine Kollegen gerade bewilligt bekommen haben. Bei der Bewilligung haben auch
die jetzt veröffentlichten Resultate eine Rolle gespielt.
"Die genauen Hintergründe der Geschichte der kosmischen Sternentstehung müssen
wir erst noch verstehen", so Walter. "Unser jetzt bewilligtes ALMA Large
Program wird die fehlenden Informationen über das Rohmaterial der
Sternentstehung für Galaxien im berühmten Hubble Ultra Deep Field
liefern. Das sind wichtige weitere Puzzlestücke für das Rätsel der
Sternentstehung in unserem Universum."
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in mehreren Artikeln, die in der
Fachzeitschrift Astrophysical Journal erschienen sind.
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