Sonnenflecken geben Rätsel auf
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
14. Juli 2016
Durch das Aufsteigen von Bündeln magnetischer Feldlinien aus
dem Inneren der Sonne entstehen aktive Regionen auf der Oberfläche, die sich als
Sonnenflecken zeigen. Beobachtungen und Computersimulationen ergaben jetzt, dass
sich diese Bündel mit einer sehr viel geringeren Geschwindigkeit bewegen, als es
aktuelle Theorien vorhersagen.

Aktive Region auf der Sonne, aufgenommen mit
dem Instrument HMI an Bord der NASA-Raumsonde
SDO. Ein einmontiertes Bild der Erde dient als
Größenvergleich.
Bild: MPS [Großansicht] |
Aktive Gebiete der Sonne bestehen aus stark magnetischen Sonnenflecken und
aus umgebenden Regionen, die ein diffuseres Magnetfeld aufweisen. Diese Gebiete
sind der Ursprung der solaren Aktivität und unter anderem auch für das
Weltraumwetter verantwortlich, das zu beeindruckenden Naturerscheinungen wie
Nordlichtern, aber auch zu Schäden an Satelliten und am Stromnetz führen kann.
Aktive Regionen entstehen, wenn magnetische Flusskonzentrationen, also Bündel
magnetischer Feldlinien, aus dem Inneren der Sonne aufsteigen und die Oberfläche
durchbrechen. Ein Team aus Forschers vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, der Universität Göttingen, der
North West Research Associates und vom High Altitude Observatory of the
National Center for Atmospheric Research hat jetzt zeigen können, dass
diese magnetischen Flusskonzentrationen sich mit maximal 150 Metern pro Sekunde
durch das Sonneninnere nach oben bewegen. Das ist deutlich langsamer als vom
derzeit vorherrschenden Modell vorhergesagt. Für ihre Studie kombinierten die
Forscher Satellitenbeobachtungen und Computersimulationen.
Ein klares Anzeichen dafür, dass eine magnetische Flusskonzentration die
Sonnenoberfläche durchdringt und eine aktive Region bildet, sind Gebiete mit
Magnetfeldern entgegengesetzter Polarität. Diese sind auf Magnetfeldkarten, wie
sie der Helioseismic and Magnetic Imager (HMI) an Bord des
NASA-Satelliten Solar Dynamics Observatory (SDO) liefert, deutlich zu
erkennen.
Anhand dieser Bilder identifizierten die Forscher aktive Regionen und
bestimmten den Moment ihres Auftretens. Seit seinem Start im Jahr 2010 stellt
SDO einen fast ununterbrochenen Strom an Daten zur Verfügung. "Für unsere Studie
benötigten wir Messungen von einer statistisch signifikanten Anzahl aktiver
Regionen", erklärt Aaron Birch vom MPS. "HMI ist für unsere Zwecke ideal, da es
hochaufgelöste Bilder der gesamten sichtbaren Sonnenscheibe liefert, und das
beinahe ohne Unterbrechung."
Wegen des solaren Aktivitätsminimums im Jahr 2010, das zu einem deutlich
selteneren Auftreten von aktiven Regionen führte, musste das Team über mehrere
Jahre hinweg Daten sammeln. Zusätzlich zu den Magnetfeldkarten, anhand derer die
Forscher aktive Regionen identifizieren konnten, liefert HMI auch Bilder im
sichtbaren Licht. Diese waren essentiell für die Bestimmung der horizontalen
Strömungsgeschwindigkeit des Plasmas rund um die identifizierten aktiven
Regionen.
Um diese Plasmaströmungen zu messen, verwendeten die Forscher zwei
verschiedene Methoden: Einerseits verfolgten sie die Bewegungen kleiner
Helligkeitsmuster, und andererseits untersuchten sie die
Ausbreitungsgeschwindigkeit von Druckwellen. Gleichzeitig berechnete Mathias
Rempel vom High Altitude Observatory in Boulder mithilfe von
Computersimulationen auf den Supercomputern der NASA, wie die aufsteigenden
magnetischen Flusskonzentrationen mit der Konvektion – also den turbulenten
Bewegungen des Plasmas - unter der Oberfläche interagieren. Diese Art der
Berechnung verlangt einen großen Rechenaufwand und ist erst seit Kurzem
durchführbar.
Die Simulationen zeigten, dass die Stärke der Strömungen an der Oberfläche
mit der nach oben gerichteten Geschwindigkeit der Flusskonzentrationen zunimmt:
Durch ihr Aufsteigen wird das Material zur Seite geschoben. Indem die Forscher
diese Computersimulationen mit der beobachteten Strömung an der Sonnenoberfläche
verglichen, konnten sie zeigen, dass die magnetischen Flusskonzentrationen sich
nicht schneller aufwärts bewegen können als die Konvektion unter der Oberfläche.
Diese bewegt sich in einer Tiefe von 20.000 Kilometern mit etwa 150 Metern pro
Sekunde.
Dieses Ergebnis steht in deutlichem Kontrast zu den Vorhersagen des derzeit
besten Modells für das Aufsteigen der Flusskonzentrationen, denn dieses sagte in
derselben Tiefe eine Geschwindigkeit von 500 Metern pro Sekunde voraus. "Das
Ergebnis zeigt uns, dass das Bild, das die vorherrschende Theorie uns zeigt,
erst noch angepasst werden muss, um den Effekt der Konvektion zu
berücksichtigen", folgert Birch.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler jetzt in der
Zeitschrift Science Advances.
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