Wassereis auf der Oberfläche von 67P
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. Januar 2016
Kometen werden gern als schmutzige Schneebälle bezeichnet
und sollten zu einem großen Teil aus Wassereis bestehen. Doch auf den Bildern,
die die ESA-Raumsonde Rosetta von der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
zur Erde funkt, ist praktisch kein Eis zu sehen. Jetzt haben Wissenschaftler
jedoch an zwei Stellen Wassereis nachweisen können.

Das Übersichtsbild der Navigationskamera auf
Rosetta zeigt die Stellen, an denen das
Spektrometer VIRTIS Wassereisvorkommen an
Hangrutschungen am Rand der Imhotep-Region
nachgewiesen hat.
Bild:
ESA/Rosetta/NavCam – CC BY-SA IGO 3.0 [Großansicht
mit weiteren Details] |
Kometen bestehen zu einem großen Teil aus Wassereis und in ihrer Atmosphäre,
also der sich in Sonnennähe bildenden Koma, überwiegt Wasserdampf. Auf der
eigentlichen Kometenoberfläche allerdings ist von Wassereis in der Regel nichts
zu sehen. Jetzt aber haben Wissenschaftler mit dem Instrument VIRTIS auf der
Kometensonde Rosetta an zwei Stellen auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
die Existenz von Wassereis auf der Oberfläche nachgewiesen.
"Wir konnten in den Spektrometerdaten vom September und November 2014
erkennen, dass in der Region Imhotep zwei metergroße helle Flecken tatsächlich
aus Eis bestanden", erklärt Dr. Gabriele Arnold vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR). Die Berliner Planetenforscherin leitet die deutschen
wissenschaftlichen Beiträge zum Instrument VIRTIS.
Für die Kometenforscher ist dies eine wichtige Entdeckung. "Obwohl
Wasserdampf das Hauptgas ist, das vom Kometen in seiner aktiven Phase in
Sonnennähe abgegeben wird und die Koma bildet und auch das Innere des Kometen
reich an Wassereis sein dürfte, ist seine Oberfläche an Eis verarmt", erläutert
Arnold. Offensichtlich verdampft Eis relativ rasch, sobald es an der Oberfläche
dem All ausgesetzt ist und zurück bleibt eine Kometenkruste, die wasserarm und
dunkel ist und vorwiegend aus komplexen Kohlenstoffverbindungen und Mineralen
besteht. "Das ist das, was wir auf den Bildern der Rosetta-Kameras OSIRIS und
den Navigationskameras sehen - aber eben kein Eis!"
Infrarotuntersuchungen hingegen erlauben es, die stoffliche Zusammensetzung
der Kometenoberfläche zu studieren. Auf Rosetta ist für diese
Untersuchungen das Spektrometer VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging
Spectrometer) vorgesehen, das in Wellenlängen des sichtbaren Lichts und des
nahen Infrarot operiert. Die für die Studie verwendeten VIRTIS-Untersuchungen
stammen aus den Monaten September bis November 2014, wurden also zu einem
Zeitpunkt gemacht, als der Komet noch etwa 450 Millionen Kilometer weit von der
Sonne entfernt, noch kaum aktiv war und Rosetta sehr nah an den Kometen
heran fliegen konnte.
Die Messungen zeigen zwei metergroße Stellen im Gebiet Imhotep - helle
Flecke, die schon aufgrund ihres Kontrasts zur schwarzgrauen Umgebung im
sichtbaren Licht zu beobachten sind und deren Untersuchung mit VIRTIS nun
gezeigt hat, dass sie tatsächlich aus Eis bestehen. Das Eis tritt an kleinen
Steilhängen auf und wird mit Hangrutschungen in Verbindung gebracht, durch die
es an die Oberfläche geriet. Die Temperatur betrug dort zum Zeitpunkt der
Untersuchungen minus 120 Grad Celsius. Reines Eis nimmt dabei nur etwa vier
Prozent der Fläche ein, die von einem VIRTIS-Beobachtungspixel abgebildet wird.
Der Rest besteht aus dem dunklen Material.
Aus den VIRTIS-Daten lässt sich auch herauslesen, welche Größe die
Eiskörnchen haben. "Da haben wir eine interessante Beobachtung gemacht: Das Eis
hat dort zwei ganz unterschiedliche Körnungen", erläutert Arnold. Die Forscher
entdeckten zum einen ganz feine Eiskörnchen von nur einigen Zehner-Mikrometer
Durchmesser, und eine zweite Klasse von Körnchen mit etwa zwei Millimeter Größe
- ein hundert mal größerer Durchmesser. "Das deutet auf verschiedene
Entstehungsmechanismen und auf unterschiedliche zeitliche Abläufe der Entstehung
hin."
Die größeren Körner "verhalten" sich dabei ganz anders als die
mikrometergroßen Eisteilchen, die in der Hapi-Region auf 67P/Churyumov-Gerasimenko
entdeckt wurden: Diese werden als Frost oder Raureif interpretiert, der durch
den zwölfstündigen Tag- und Nachtzyklus und als Ergebnis einer raschen
Kondensation entsteht. Im Unterschied hierzu dürften die Eiskörner in der
Imhotep-Region eine komplexere Entstehungsgeschichte haben. Sie formten sich
wahrscheinlich langsam und wurden erst durch kometare Aktivität und den daraus
folgenden Erosionsvorgängen freigelegt.
Zunächst konnten dabei die winzigen Eiskörner entstehen, die dann zu größeren
sekundären Partikeln anwuchsen. Eine Möglichkeit für solche Prozesse bietet eine
Art Sintern, ein "Zusammenbacken" oder eine zunehmende Verfestigung der porösen
Altstruktur. Durch den Verlust flüchtiger Bestandteile beim Verdampfen von
Wassereis, der Sublimation, und dem anschließenden Ausfrieren des Wasserdampfs
(der Rekondensation) werden Hohlräume und die "Kanäle" zwischen den Hohlräumen
nach und nach geschlossen und die Eispartikel verdichtet: Die Sonnenstrahlung
dringt in die Kometenoberfläche ein und löst die Sublimation des Untergrundeises
aus - während ein Teil des sublimierten Eises als Wasserdampf die Koma speist,
rekondensiert ein anderer Teil bereits wieder in den Eisschichten.
Solche Sinterungsvorgänge in den obersten Schichten des Kometen haben auch an
der Stelle, wo seit dem 12. November 2014 der Rosetta-Kometenlander
Philae steht, zu einer so starken Verfestigung des Kometeneises geführt, so
dass der Bohrer des MUPUS-Experiments nicht tief in die von lockerem Staub
bedeckte Oberfläche des Kometen eindringen konnte.
Neben dem Sonnenlicht könnte die Umwandlung von amorphem in kristallines
Wasser eine weitere Energiequelle für die Sublimation von Untergrundeis sein.
Das Anwachsen der Eiskörner könnte Schicht um Schicht erfolgen und deshalb
Auswirkungen auf die globale Struktur des Kometen haben. Dünne Eisschichten, die
freigelegt werden, könnten dann Resultate der kometaren Veränderung sein. Unter
den Wissenschaftlern wird seit der Ankunft an 67P/Churyumov-Gerasimenko intensiv
diskutiert, wie die Evolution des Kometen verlief. Die neuen Ergebnisse könnten
zeigen, dass eine Schichtstruktur nicht zwingend schon in der Frühgeschichte des
Kometen vorhanden gewesen sein musste.
Verstünde man besser, wann welche dieser Strukturen während der Entwicklung
des Kometen entstanden sind, und welche die Überbleibsel seiner Frühgeschichte
sind, würde das einen neuen Einblick in die Entstehung dieser Körper geben.
Gegenwärtig untersuchen die VIRTIS-Wissenschaftler, ob und wie sich die
Eisvorkommen an der Kometenoberfläche während der Annäherung an die Sonne im
Jahre 2015 verändert haben.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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