Defekte
Strebe ließ Dragon-Flug scheitern
von Stefan Deiters astronews.com
21. Juli 2015
139 Sekunden nach dem Start am 28. Juni 2015 endete eine von
SpaceX durchgeführte ISS-Versorgungsmission mit dem Auseinanderbrechen
der Rakete über dem Atlantik. Jetzt glaubt das Unternehmen die mögliche Ursache
gefunden zu haben: Offenbar war eine Strebe in der
zweiten Stufe der Rakete defekt. Die Starts will das Unternehmen im Herbst
wieder aufnehmen.
Alles sah am 28. Juni nach einem perfekten
Start aus - bis 139 Sekunden nach dem Abheben der
Rakete vom Typ Falcon 9.
Bild: NASA [Großansicht] |
Die Versorgungsflüge zur Internationalen Raumstation ISS, die das
US-amerikanische Unternehmen SpaceX im Auftrag der amerikanischen Weltraumbehörde
NASA durchführt, waren fast schon Routine: Sechs Mal startete ein
Dragon-Raumfrachter bislang problemlos an Bord einer Trägerrakete vom Typ
Falcon
9 zu einer regulären ISS-Versorgungsmission und erreichte immer einige Tage
später sicher die ISS.
Auch am 28. Juni sah zunächst alles nach einem weiteren problemlosen Start
aus: Die Falcon 9 stieg von Cape Canaveral aus in den blauen Himmel auf
und die meisten dürften bereits von einem problemlosen Start der Mission
SpaceX CRS-7
ausgegangen sein. Doch dann, 139 Sekunden nach dem Zünden der ersten
Raketenstufe, war am Himmel statt der Rakete nur noch eine große Wolke aus weißem Rauch zu
sehen. Anschließend sah man Trümmerteile zur Erde hinunterfallen. Die Rakete war
offenbar im Flug zerbrochen.
Gestern stellte SpaceX nun das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchungen über
die Ursache des Versagens der Falcon 9 vor. 139 Sekunden nach dem
Start, so der Bericht, hätte es ein Überdruckereignis im Tank mit flüssigem Sauerstoff in
der zweiten Raketenstufe gegeben. Die erste Raketenstufe hätte die gesamte Zeit
über problemlos funktioniert - sogar noch für wenige Sekunden nach dem Ereignis.
Auch der Dragon-Raumfrachter wurde durch das Ereignis in der zweiten Raketenstufe
offenbar nicht zerstört, sondern sendete noch so lange weiter Daten, bis er
hinter dem Horizont verschwunden war.
Die Untersuchung, so betonte das Unternehmen, war äußerst schwierig, da
zwischen dem ersten Anzeichen für ein Problem und dem Abbrechen des Kontakts nur
0,893 Sekunden lagen. Man musste also versuchen, aus den unzähligen
empfangenen Telemetriedaten zu rekonstruieren, was genau in diesen 0,893
Sekunden passiert ist.
Das vorläufige Ergebnis: Das Überdruckereignis wurde offenbar durch eine
defekte Strebe ausgelöst, von denen es Hunderte in jeder Falcon 9 gibt. Die
Experten vermuten nun, dass eine Strebe, die eigentlich eine Belastung von 4.500
Kilogramm aushalten soll, bereits bei einer Beanspruchung von rund 900
Kilogramm nachgegeben hat - und zwar 138 Sekunden nach dem Start. Verantwortlich
war offenbar eine Strebe an einem von mehreren Heliumtanks, die sich im Inneren
des Sauerstofftanks der zweiten Stufe befinden. Auf diese Weise wurde im
Sauerstofftank Helium freigesetzt, was sehr schnell zu einem Überdruckereignis
führte wodurch schließlich die Stufe zerstört wurde.
Nach Angaben von SpaceX sind die Ergebnisse noch vorläufig und die
Untersuchungen würden noch weiter andauern. Das Unternehmen plant aber, auf die
Verwendung der Streben gleicher Bauart künftig zu verzichten. Aktuell ist
vorgesehen, die Flüge im Herbst wieder aufzunehmen. Bis Jahresende sollen dann
alle für 2015 vorgesehenen und durch den Unfall verschobenen Missionen
durchgeführt worden sein.
SpaceX ist eines von zwei Unternehmen, das ab 2017 im Auftrag der NASA
Astronauten zur Internationalen Raumstation bringen soll. Auch dabei setzt
SpaceX auf die selbstentwickelte Trägerraketen-Technologie.
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