Erfolgreicher Test von Mini-Sensoren
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. März 2015
Wie hoch ist die Temperatur auf der Internationalen
Raumstation ISS, welchen Wert haben Luftdruck und Luftfeuchtigkeit, treten
eventuell giftige Gase aus? Solche Fragen können empfindliche Sensoren
beantworten. Sie sind damit ein wichtiger Baustein für die Sicherheit im
Erdorbit. Mit dem WirelessSensor-NETwork wurden nun neue
Prototypen auf der ISS getestet.

Die vier kleinen WiSe-Net-Sensoren sind
überall im europäischen Columbus-Modul auf der
Internationalen Raumstation ISS verteilt. Sie
messen dort Temperatur, Luftfeuchtigkeit, -dichte
und -druck sowie Lichtintensität ganz genau. Um
Werte auch aus anderen Teilen des Moduls zu
bekommen, verteilen die Astronauten die Sensoren
von Zeit zu Zeit neu.
Foto: DLR [Großansicht] |
An Bord der Internationalen Raumstation ISS herrschen geregelte
Umgebungsbedingungen: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und -druck sowie
Lichtintensität sind nur sehr geringen Schwankungen unterworfen. Auch die
Luftzusammensetzung ist sehr stabil. Wenn hier Veränderungen auftreten, müssen
die "Stationsbewohner" sofort Bescheid wissen.
Um zuverlässige Miniatursensoren zu entwickeln, die die Umgebung der ISS
genauestens erfassen und die Raumstation in Zukunft noch sicherer machen, hat
das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das
WirelessSensor-NETwork (WiSe-Net)-Experiment auf die ISS gebracht. Nun ging
die erste Messkampagne des gemeinsam mit Airbus Defence & Space (ADS)
entwickelten Experiments erfolgreicher zu Ende als ursprünglich erhofft.
Eigentlich sollte das kleine Sensoren-Netzwerk nämlich nur sechs Wochen lang
auf der Raumstation in Betrieb gehen. So hatten Volker Schmid,
ISS-Fachgruppenleiter im DLR Raumfahrtmanagement, und die Entwickler von ADS um
Projektleiter Dr. Hans-Jörg Beestermöller die Akkulaufzeit kalkuliert.
Stattdessen lief die erste Messkampagne des Experiments nun fast zehn Wochen
lang im europäischen Columbus-Modul der ISS - vom Silvesterabend 2014
bis zum 12. März 2015.
WiSe-Net nutzt dabei die Infrastruktur des DLR-Magnetfeldexperiments
Magvector/MFX. Beide wurden im Juli 2014 mit dem Raumfrachter ATV-5 im Rahmen
der Blue-Dot-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst zur ISS
transportiert. "Abgesehen von einer kleinen Unterbrechung haben die vier
Sensoren rund um die Uhr Daten gesammelt. Dank WiSe-Net kennen wir die
Umgebungsbedingungen im Columbus-Labor nun ganz genau", freut sich
Volker Schmid, der das Projekt seitens des DLR mit betreut.
Hinter WiSe-Net verbirgt sich ein Netzwerk von vier MP3-Player-großen
Sensoren, das Messwerte zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und sowie
Lichtintensität sammelt und per Funk an eine Basisstation überträgt. Die
Sensoren sind im Columbus-Modul verteilt. Neben den Daten wird auch
eine Statistik über die Qualität des Funknetzes erhoben. In regelmäßigen
Abständen werden Datenpakete zusammengestellt und über die ISS-Kommunikation zum
Boden übertragen.
Lässt sich daraus nun ein Muster für die ISS ableiten? "Die Auswertung über
den langen Zeitraum von zehn Wochen zeigt ein klares Muster - und das heißt
Normalität. Die Temperatur liegt ziemlich genau bei 24 Grad Celsius, die
Luftfeuchtigkeit bei 45 Prozent und der Luftdruck bei 1002 Hektopascal - alles
normale Werte", fasst ADS-Projektleiter Hans-Jörg Beestermöller die Ergebnisse
zusammen. "Nur am 3. Januar 2015 haben wir eine Schwankung in allen dieser drei
Parameter. Die Luftfeuchtigkeit und der Luftdruck stiegen sprunghaft an und die
Temperatur fiel ab. Wir müssen aber noch herausfinden, warum das so war".
Doch nicht nur diese drei Umgebungsbedingungen werden von den drahtlosen
Sensoren aufgezeichnet. Auch die Lichtintensität auf der ISS wird gemessen. "Wir
können so zeigen, wann im Columbus-Modul wie intensiv gearbeitet wurde.
Über die Lichtintensität lässt sich ein Arbeitstag und somit der Rhythmus der
Crew auf der ISS ganz einfach nachvollziehen. Da die Sensoren sehr empfindlich
sind, merken wir, welcher Sensor besonders stark ausschlägt - und wir wissen, wo
die Hauptaktivität an diesem Tag ablief", erklärt Beestermöller. Die WiSe-Net-Sensoren
können also die Crew vor möglichen Bedrohungen warnen und schützen.
Eine weitere Gefahrenquelle auf der Raumstation stellen Gaslecks dar. So
schreckte am 14. Januar ein Alarm die Raumfahrer und Flugkontrolleure auf.
Hochgiftiges Ammoniak sollte im amerikanisch-europäischen Teil der Station
ausgetreten sein - ein Computer-Fehlalarm, wie sich im Nachhinein herausstellte.
Dennoch musste ein Astronaut, ausgestattet mit einer Gasmaske, "per Hand" die
Werte vor Ort messen. Denn die Raumstation verfügt momentan über keine
Messinstrumente, um solche potenziellen Lecks aufzuspüren.
"WiSe-Net könnte hier Abhilfe schaffen. Die nächste Sensorgeneration wollen
wir um ein Gasmesssystem erweitern. Wenn die Sensoren die Werte dann messen und
jeder Sensor die genaue Konzentration in seinem Umfeld bestimmt, können wir den
Ort eines möglichen Lecks präzise feststellen. Kein Astronaut muss dann mit
Gasmaske den Gefahrenherd untersuchen", schauen Schmid und Beestermöller in die
Zukunft.
Und es gibt noch eine weitere Idee: Die neue Generation der
WiSe-Net-2-Sensoren soll verlorene Energie "ernten" und damit ihre Akkus
aufladen oder diese sogar komplett überflüssig machen. Denn überschüssige
Energie wird normalerweise in Wärme umgewandelt und so freigesetzt - sie
verpufft und kann eigentlich nicht mehr zurückgewonnen werden. Gleiches gilt
auch für die Nutzung des vorhandenen Lichts.
"Das sogenannte Energy Harvesting ist ein vielversprechendes
Technologieforschungsgebiet. Auch auf der ISS wäre es sinnvoll, wenn man diese
verlorene Energie nutzen könnte. Genau das wollen wir im Nachfolgeprojekt
WiSe-Net-2 umsetzen", erklären Beestermöller und Schmid.
Während der "Blue Dot"-Mission kamen zum ersten Mal zwei
Industrie-Experimente auf die ISS, deren Hardware ohne öffentliche Mittel
finanziert wurde. WiSe-Net ist eines davon. "Den Anteil dieser industriell
motivierten Experimente würden wir gerne steigern", erläutert
ISS-Fachgruppenleiter Volker Schmid.
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