Leben und sterben im Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt astronews.com
22. Mai 2013
Die russische Bion-M1-Kapsel ist am Sonntag wieder
zur Erde zurückgekehrt. Mit an Bord war auch das deutsche Mini-Ökosystem
Omegahab, in dem sich Fische, Schnecken, Krebse, Algen und Pflanzen
gegenseitig versorgen sollten. Allerdings haben wegen einer technischen Panne
nicht alle Bewohner den einmonatigen Aufenthalt im All überlebt.
Ausbau der Omegahab-Anlage aus der
Bion-Kapsel durch das russische Bergungsteam.
Foto: DLR |
Nach 30 Tagen im All ist am 19. Mai 2013 um 9.12 Uhr Ortszeit, also um 12.12
Uhr MESZ, die unbemannte russische Bion-M1-Rückkehrkapsel mitten in
einem Sonnenblumenfeld in Südrussland gelandet. Damit ging für die deutschen
Wissenschaftler das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
geförderte Mini-Ökosystem-Projekt Omegahab mit einem lachenden und
einem weinenden Auge zu Ende: Noch nie haben Tiere eine längere Zeitspanne
alleine in einem höheren Orbit verbracht. Doch in 575 Kilometern Höhe gab es
allerdings auch Verluste: Einige Bewohner des Mini-Aquariums haben die
Weltraum-Reise leider nicht überlebt.
Nicht größer und schwerer als ein Getränkekasten: Im Mini-Ökosystem des
Omegahab-Projekts wurden einzellige Algen Euglena gracilis, auch
Augentierchen genannt, die Wasserpflanze Hornblatt (Ceratophyllum demersum), 55
Buntbarsch-Larven (Oreochromis mossambicus), mexikanische Bachflohkrebse (Hyalella
azteca) und einige Posthornschnecken (Biomphalaria glabrata) auf ihre Reise ins
All geschickt. Biologen und Zoologen der Universitäten Erlangen und Hohenheim
haben das aus zwei Kammern bestehende, künstliche Mini-Ökosystem mit eigenem
Nährstoff- und Gasaustausch entwickelt.
In Schwerelosigkeit sollte dies als bioregeneratives Lebenserhaltungssystem
funktionieren. Die Algen und das Hornblatt produzierten dabei den Sauerstoff für
die Fische, Krebse und Schnecken. Das von den Tieren freigesetzte Kohlendioxid
wiederum haben die Pflanzen in ihrer Photosynthese verwertet - ein geschlossener
Kreislauf des Lebens in 575 Kilometern über der Erde. "Damit dieser Kreislauf
funktioniert, brauchen die Pflanzen Licht. Das gesamte System scheint bis zum
zehnten Tag gut funktioniert zu haben. Dann fiel allerdings die LED-Beleuchtung
aus. Dadurch gab es kein Licht im Aquarium mehr und somit auch keinen Sauerstoff
für die Buntbarsche, Krebse und Schnecken", erklärt Markus Braun, Omegahab-Projektleiter
im DLR Raumfahrtmanagement.
Vom Tod der tierischen Omegahab-Bewohner haben die Algen im
Mini-Ökosystem profitiert. Nach dem Ausfall der tierischen Lebensformen haben
sich die Euglenen stark vermehrt und ihre Lebensweise umgestellt. Sie haben von
photoautotroph auf heterotroph umgeschaltet: Als das Ökosystem noch gut
funktioniert hat, haben sich die Algen selbst ernährt. Sie haben ihre Biomasse
unter Ausnutzung des Lichtes ausschließlich aus anorganischen Stoffen aufgebaut.
Nach dem Ausfall der Beleuchtung dienten dann die von den verendeten Fischlarven
freigesetzten Nährstoffe den Algen als Nahrungsgrundlage.
"Das sind spannende Ergebnisse für die deutschen Forscher. Außerdem stehen
uns Videos von den Fischen und Algen zur Auswertung der Bewegungsmuster in
Schwerelosigkeit zur Verfügung. Deswegen werten wir Omegahab nicht als
Misserfolg. 30 Tage Weltraumaufenthalt für ein solch komplexes Mini-Ökosystem
ist nun einmal eine sportliche Herausforderung. Immerhin haben wir für
mindestens zehn Tage eine sehr gute Leistung der Anlage dokumentiert. Dass
danach eine LED-Platine ausfällt, ist einfach Pech", so Braun.
Die Forscher haben direkt nach der Landung der Raumkapsel ihre Proben für die
physiologischen und molekularen Auswertungen entnommen. Das für die
BION-Missionen zuständige Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) der
Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau hat zum ersten Mal bei einer
solchen Mission ein Zelt am Landeort aufgebaut, in dem die Wissenschaftler die
Proben vor Ort entnehmen konnten. Bereits um 10.35 Uhr Ortszeit hatten die
deutschen Forscher Omegahab wieder zurück.
Insgesamt verlief die BION-M1-Mission durchaus positiv: Die überwiegende
Mehrzahl der Experimente ist erfolgreich verlaufen. Wegen seiner Sonnensegel,
die die internen Batterien wieder aufluden, kann der auf biologische Experimente
in Schwerelosigkeit spezialisierte Satellit länger und in einer größeren Höhe im
Orbit bleiben als seine BION-Vorgänger, die zwischen 1973 und 1996 als
Forschungsplattformen im All dienten.
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