Jahrhundertereignis am frühen Morgen
von
Stefan Deiters astronews.com
5. Juni 2012
Am frühen Mittwochmorgen ist am Himmel ein äußerst seltenes
Schauspiel zu beobachten: Unser Nachbarplanet Venus wandert - von der Erde aus
gesehen - direkt vor der Sonnenscheibe entlang und ist als kleiner dunkler Punkt
vor dem gleißend hellen Feuerball zu erkennen. Von Mitteleuropa aus lässt sich
allerdings nur die
Endphase dieses Venustransits verfolgen.
Der Verlauf des Venustransits in der kommenden Nacht und in
den frühen Morgenstunden. Von Mitteleuropa aus sind etwa die
letzten zwei Stunden des Transits zu beobachten.
Bild: DLR [Großansicht] |
Wer es nicht weiß, der dürfte es auch kaum bemerken: So spektakulär nämlich wie eine
Sonnenfinsternis ist ein Venustransit nicht. Dabei schiebt sich auch hierbei
ein Himmelskörper vor den anderen - in diesem Fall unser Nachbarplanet Venus
vor die Scheibe der Sonne. Da wir aber deutlich weiter von der Venus entfernt
sind als vom Mond, schafft es die Venus nicht, unsere Sonne merklich zu
verdunkeln - sie ist lediglich als winziger schwarzer Punkt vor der gleißend
hellen Sonne auszumachen.
Alle Planeten des Sonnensystems bewegen sich in etwa in der gleichen Ebene um
unsere Sonne. So sollte es eigentlich öfter vorkommen, dass die beiden inneren
Planeten - von der Erde aus gesehen - vor der Scheibe der Sonne vorüberziehen.
Allerdings liegen die Bahnen der Planeten eben doch nicht exakt in einer Ebene,
sondern sind leicht gegeneinander geneigt. So hat beispielsweise die Bahn der
Venus zur Erdbahn einen Winkel von 3,4 Grad. Dies führt dazu, dass die Venus in
der Regel - wieder von der Erde aus gesehen - oberhalb oder unterhalb der Sonne
vorüberzieht und eben nicht genau vor der Sonnenscheibe entlangläuft.
So gehören Venustransits zu den astronomischen Ereignissen, die so
selten sind, dass manche Menschen gar keine Chance haben, sie einmal in ihrem
Leben zu beobachten. Zwar liegt der letzte Venustransit gerade einmal acht Jahre
zurück (er ereignete sich, wie berichtet, im Jahr 2004), im gesamten
20. Jahrhundert allerdings war kein Venustransit zu sehen. Zwischen den
einzelnen Transits liegen Abstände von 105,5, acht, 121,5 und noch einmal acht
Jahren, dann wiederholt sich dieser 243-jährige Zyklus.
Der Zyklus von 243 Jahren erklärt sich durch den Umstand, dass nach 243
Umläufen der Erde um die Sonne auch die Venus nahezu exakt 395 Umrundungen
der Sonne abgeschlossen hat, die Planeten also wieder die gleiche Stellung
zueinander haben. Auch das in der Regel paarweise Auftreten der Transits in
einem Abstand von rund acht Jahren (wie beispielsweise 2004 und 2012) lässt sich
so verstehen: Acht irdische Jahre entsprechen in etwa der
Zeit, die die Venus für 13 Umrundungen der Sonne benötigt.
In früheren Jahrhunderten spielten die Venustransits eine wichtige Rolle in der
astronomischen Forschung: Nachdem man den grundsätzlichen Aufbau unseres
Sonnensystems und die grundlegenden Prinzipen der Himmelsmechanik verstanden
hatte, wusste man zwar wie sich die Planeten um die Sonne bewegen und welchen
relativen Abstand sie haben, kannte aber nicht ihre tatsächlichen Entfernungen.
Der berühmte Astronom Edmund Halley kam schließlich auf die Idee, dass sich durch die
Beobachtung eines Venustransits von verschiedenen Orten der Erde aus, der
tatsächliche Abstand berechnen lassen müsste. So machten sich in den 1760er
Jahren mehrere Expeditionen auf den Weg, um das Ereignis aus damals noch sehr
abgelegenen Regionen zu verfolgen. Der Entdecker James Cook beispielsweise,
sollte einen der zwei Transits von Tahiti aus beobachten. Manche Historiker haben
den Aufwand, der damals betrieben wurde, sogar mit dem für das Apollo-Mondprogramm im
20. Jahrhundert verglichen.
Dieser Aufwand stand allerdings in keinem wirklichen Verhältnis zum Erfolg:
Schlechtes Wetter, relativ primitive Teleskope und Uhren sowie andere Probleme
führten dazu, dass die Astronomen nicht die präzisen Daten erhielten, die sie
sich erhofft hatten. Dies gelang, auch dank der Erfindung der Fotografie, dann
erst während der Transits ein Jahrhundert später. Die Entfernung von der Erde
zur Sonne, die man auf diese Weise ermittelte, wich dann auch nur rund zwei
Prozent vom heutigen Wert ab.
In der kommenden Nacht findet nun der zweite und letzte Venustransit dieses
Jahrhunderts statt. Die nächsten Transits ereignen sich dann erst wieder in den
Jahren 2117 und 2125. Der Transit beginnt um 0.09 Uhr MESZ und dauert knapp
sieben Stunden. Die Venus bewegt sich dabei mit einer Geschwindigkeit von vier
Bogenminuten pro Stunde über die Sonnenscheibe. Um 6.37 Uhr MESZ hat die Venus
wieder den Sonnenrand erreicht und ist bis 6.55 Uhr MESZ ganz von der
Sonnenscheibe verschwunden.
Die Zeiten machen deutlich, dass von Mitteleuropa aus nur die letzten Phase
des Venustransits zu beobachten sein wird - nämlich ab dem Zeitpunkt, zu dem am
jeweiligen Ort die Sonne aufgeht. Dies ist ungefähr gegen 5 Uhr MESZ der Fall -
im Norden etwa früher, im Süden etwas später. Zur Beobachtung gelten die gleichen
Sicherheitshinweise wie bei einer Sonnenfinsternis: Nie mit ungeschützten Augen
in die Sonne blicken, dies kann zu schweren Augenschäden oder sogar zur
Erblindung führen. Geeignet für die Beobachtung sind beispielsweise Sonnenfinsternisbrillen. Die Venus ist zwar winzig, doch immer noch groß genug,
um ohne zusätzliche Instrumente als kleiner schwarzer Punkt erkannt werden zu können.
Wer den gesamten Transit verfolgen will, hat im Internet Gelegenheit dazu.
Die NASA überträgt beispielsweise den Transit über NASA TV. Und auch wem das
Wetter ein Strich durch die Rechnung macht, wird auf diese Weise dieses Jahrhundertereignis
am Bildschirm live verfolgen können. Verschiedene Weltraumteleskope und Observatorien
auf der Erde werden sich darüber hinaus an den Beobachtungen beteiligen.
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