Kosmische Strahlung bleibt rätselhaft
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschens Elektronen-Synchrotron (DESY) astronews.com
19. April 2012
Die Erde ist einem ständigen Bombardement von energiereichen Teilchen
aus dem All ausgesetzt. Wo diese allerdings so beschleunigt werden, dass
sie weit energiereicher sind als die Teilchen in den stärksten irdischen
Beschleunigern, wissen die Physiker bislang nicht. Beobachtungen mit
einem Neutrino-Teleskop in der Antarktis haben nun gezeigt, dass ein
Verdächtiger offenbar nicht infrage kommt: Gamma-ray Bursts.
Illustration der
empfindlichen optischen Sensoren von IceCube, von
denen mehr als 5.000 bis zu 2,5 Kilometer tief im
ewigen Eis der Antarktis eingeschmolzen sind.
Bild: IceCube / DESY / idw |
Die vor 100 Jahren entdeckte Kosmische Strahlung sorgt für einen
beständigen Teilchenhagel aus dem All. Manche Wasserstoff-Atomkerne
(Protonen) darin haben so viel Energie wie ein schnell geschlagener
Tennisball - und dies, obwohl der Durchmesser eines Tennisballs 40
Billionen Mal größer ist. "Wir wissen, dass es diese hochenergetische
Kosmische Strahlung gibt, aber wir wissen nicht, woher sie kommt",
erklärt DESY-Forscher Prof. Alexander Kappes, der mit dem
Neutrino-Teleskop IceCube in der Antarktis dem Ursprung der Kosmischen
Strahlung auf der Spur ist.
Die Teilchen der Kosmischen Strahlung sind elektrisch geladen und werden
auf ihrem Weg durchs All von zahlreichen Magnetfeldern abgelenkt. Daher
lässt sich aus der Richtung, aus der sie die Erde treffen, nicht mehr
auf ihre Quelle schließen. Aussichtsreiche Kandidaten für die Quellen
der höchstenergetischen Teilchen sind supermassereiche Schwarze Löcher
im Zentrum aktiver Galaxien und sogenannte Gamma-ray Bursts (GRB).
"Gamma-ray Bursts sind - nach dem Urknall - die gewaltigsten
Explosionen, die wir im Kosmos kennen", so Kappes. Sie überstrahlen für
einige Sekunden das gesamte restliche Universum im Bereich der
Gammastrahlung. Man nimmt an, dass es sich bei langen Gamma-ray Bursts,
die mehr als zwei Sekunden lang aufflackern, um den Kernkollaps eines
massereichen Sterns in einer fernen Galaxie handelt, bei dem schließlich
ein Schwarzes Loch entsteht.
Dieser Prozess würde genug Energie freisetzen, um die subatomaren
Teilchen der Kosmischen Strahlung auf die beobachteten Energien zu
beschleunigen. Allerdings sollten mit den energiereichen Atomkernen auch
Neutrinos entstehen. Diese geisterhaften Elementarteilchen sind
ultraleichte Cousins des Elektrons, die durch fast alles ungehindert
hindurchfliegen. Um sie trotzdem nachzuweisen zu können, muss man
riesige Detektoren einsetzen.
Das Neutrino-Teleskop IceCube benutzt das ewige Eis des Südpols
als Teil des Detektors. IceCube späht unter der Eisdecke mit mehr als
5000 einzelnen optischen Sensoren, sogenannte Photomultiplier, in rund
einem Kubikkilometer antarktischem Eis nach den extrem seltenen
Zusammenstößen eines Neutrinos mit einem Atomkern. Mit diesem weltweit
empfindlichsten Neutrino-Teleskop hat das internationale IceCube-Forscherteam
rund 300 Gamma-ray Bursts aus den Jahren 2008 bis 2010 untersucht.
Wenn Gamma-ray Bursts die Quelle der höchstenergetischen kosmischen
Teilchenstrahlung sind, sollten von den Ausbrüchen nicht nur
Gammastrahlen, sondern auch Neutrinos auf direktem Weg die Erde
erreichen. Denn Neutrinos sind elektrisch neutral und werden daher nicht
von Magnetfeldern abgelenkt. "Erstmals haben wir ein ausreichend
empfindliches Instrument, das einen neuen Blick auf die Erzeugung der
Kosmischen Strahlung und auf die inneren Prozesse von Gamma-ray Bursts
eröffnet", unterstreicht IceCube-Sprecher Prof. Greg Sullivan
von der Universität im US-Bundesstaat Maryland.
Doch IceCube fand in den zwei Jahren Beobachtungszeit
überraschenderweise kein einziges Neutrino, das zu einem der
untersuchten rund 300 Ausbrüche passt. "Aus der Beobachtung folgen zwei
Möglichkeiten", urteilt Kappes. "Entweder ist unsere Vorstellung, dass
Gamma-ray Bursts eine Hauptquelle der extrem energiereichen Kosmischen
Strahlung sind, falsch. Oder unsere Rechenmodelle von den Vorgängen in
einem Gamma-ray Burst beruhen auf falschen oder zu stark vereinfachten
Annahmen." In jedem Fall müssen die gegenwärtigen Modelle zur Produktion
von kosmischer Strahlung und Neutrinos in Gamma-ray Bursts überarbeitet
werden.
"Obwohl wir nicht herausgefunden haben, woher die Kosmische Strahlung
kommt, haben wir einen wichtigen Schritt zum Ausschluss einer der
bevorzugten Vorhersagen erreicht", urteilt auch IceCube-Projektleiter
Prof. Francis Halzen von der University of Wisconsin. Mit der
vollen Ausbaustufe und mit zunehmender Messzeit wird IceCube in
den kommenden Jahren weitere wichtige Informationen zur Klärung dieser
Frage liefern.
IceCube ist ein Teleskop für energiereiche Neutrinos am
geographischen Südpol. 5.160 Photomultiplier, die bis in 2,5 Kilometer
Tiefe ins ewige Eis eingelassen sind, spähen nach den Signalen seltener
Neutrino-Kollisionen im Eis. Die gesamte Anlage hat ein Volumen von
einem Kubikkilometer. Das weltweit größte und empfindlichste
Neutrinoteleskop wird von einer Kooperation von rund 250 Physikern aus
den USA, Deutschland, Schweden, Belgien, der Schweiz, Japan, Kanada,
Neuseeland, Australien und Barbados betrieben.
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