Alter des Universums, neu berechnet
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
1. März 2010
Ein internationales Astronomenteam hat jetzt das Alter des Universums neu
berechnet. Sie verwendeten dazu ein vergleichsweise neues Verfahren, bei dem
Helligkeitsschwankungen um eine Gravitationslinse ausgewertet werden. Das so
ermittelte Alter des Weltalls stimmt gut mit dem auf anderem Weg bestimmten
Wert überein. Auch die Krümmung des Raums und den Anteil der dunklen Energie
ermittelte das Team.
Das Gravitationslinsensystem B1608+656,
aufgenommen mit der Advanced Camera for Surveys
an Bord des Weltraumteleskops Hubble. Die Bilder
der Quellgalaxie sind hier mit A-D bezeichnet,
die beiden Linsengalaxien mit G1 und G2.
Bild: NASA / STScI, ESA, S. H. Suyu
(University of Bonn), P. J. Marshall (Stanford
University) [Großansicht] |
Unser Universum ist 13,75 Milliarden Jahre alt - so lautet das -
wenig überraschende - Ergebnis einer neuen Studie die Forscher der
Universität Bonn gemeinsam mit Kollegen der US-Universitäten Stanford
und Kalifornien sowie der Universität im niederländischen Groningen
durchgeführt haben. Die Wissenschaftler werteten dazu Bilder des
Weltraumteleskops Hubble aus und berücksichtigten dabei mehr
Faktoren als frühere Studien. Ihr Wert für das Alter des Universums
kommt, so die Autoren, der Wirklichkeit daher besonders nahe. Die
Ergebnisse werden in Kürze in der Fachzeitschrift Astrophysical
Journal veröffentlicht.
Das Forscherteam hat mit Hilfe sogenannter Gravitationslinsen die
Hubble-Konstante bestimmt. Diese beschreibt, wie schnell sich unser Universum
ausdehnt. Daraus lässt sich ableiten, wie viel Zeit seit dem Urknall vergangen
ist. Bisher galt die Gravitationslinsen-Methode als verhältnismäßig unpräzise.
Dr. Sherry Suyu von der Universität Bonn und ihre Kollegen konnten nun jedoch
die Konstante mit einer Genauigkeit von sieben Prozent bestimmen - auf 69,7
km/s/Mpc. Für das Alter des Kosmos heißt das: "Nach unseren Berechnungen ist das
Universum 13,75 Milliarden Jahre alt", so Suyu, "maximal 170 Millionen Jahre
älter oder 150 Millionen Jahre jünger."
Um die Hubble-Konstante zu ermitteln, müssen die Forscher wissen, wie weit
eine Galaxie von uns entfernt ist und wie schnell sie sich von uns fortbewegt.
Letzteres lässt sich anhand der Rotverschiebung ermitteln: Je schneller sich
eine Galaxie wegbewegt, desto stärker sind die Wellenlängen des Lichts, das von
ihr ausgeht, in den rötlichen Bereich verschoben. Die absolute Entfernung der
Erde zu einer fremden Galaxie zu ermitteln, ist dagegen sehr viel komplizierter.
Das internationale Team benutzte dafür eine noch relativ junge Methode: Sie
betrachteten eine Galaxie - die so genannte Quelle -, die hinter zwei anderen,
nah beieinander liegenden, massereichen Galaxien liegt. Die starke Gravitation
dieser Galaxien krümmt den Raum. Bewegt sich Licht von der Quelle nahe an den
Galaxien vorbei, wird es durch die Schwerkraft ähnlich wie von einer Linse
abgelenkt. Astronomen sprechen daher auch von Gravitationslinsen.
Als Folge sehen wir die Quelle nicht einmal, sondern gleich mehrmals am
Himmel, da das Licht auf unterschiedlichen Wegen um die Linsengalaxien herum zu
uns gelangen kann. "In unserem Fall gab es vier Abbilder der Quelle, die
ringförmig um die Linse herum erschienen", erklärt Suyu. Die Quellgalaxie selbst
veränderte mit der Zeit ihre Helligkeit. Diese Helligkeitsänderung zeigte sich
auch in den vier Bildern - allerdings zu unterschiedlichen Zeiten: "Die Wege,
die das Licht der Quellgalaxie durch die Linse nehmen kann, sind unterschiedlich
lang", sagt Suyu. "Daher hellte zuerst dieses Bild unten links auf. Etwa 30 Tage
später wurde das Abbild oberhalb der Linse heller." Aus dem Zeitunterschied
zwischen den vier Bildern konnten die Astronomen die Entfernung zur Quelle
ermitteln.
Dr. Phil Marshall vom Kavli-Institut für Astroteilchenphysik und Kosmologie
der Universität Stanford in Kalifornien erläutert: "Wenn wir wissen, wie die
Linse beschaffen ist, können wir vorhersagen, wie lange das Licht der vier
Bilder für seinen Weg von der Quelle durch die Linse zu uns jeweils braucht.
Vergleichen wir diese Werte mit dem Zeitunterschied, den wir bei den vier
flackernden Bildern tatsächlich beobachten, wissen wir, wie weit die
Linsengalaxie und die Quelle von uns entfernt sind."
Erstmalig hat das Team in seine Berechnungen auch alle anderen Galaxien mit
einbezogen, die zwischen der Erde und der Quelle liegen. "Ohne diese
zusätzlichen Massen erhält man für die Hubble-Konstante einen zu hohen Wert",
erklärt Dr. Stefan Hilbert, ein Kollege Suyus am Bonner Argelander-Institut. Das
Universum würde dann jünger geschätzt, als es tatsächlich ist.
Forscher vor ihnen haben bei der Berechnung der Hubble-Konstante meist
einfach vorausgesetzt, dass das Universum flach und nicht gekrümmt ist. Suyu und
ihre Kollegen haben jetzt berechnet, dass diese Annahme tatsächlich stimmt. Und
auch über die mysteriöse dunkle Energie, die das Universum immer schneller
expandieren lässt, konnten sie eine Aussage machen: "Unsere Berechnungen haben
ergeben, dass unser Universum zu 72 Prozent aus dunkler Energie besteht, wie
auch immer sie aussehen mag", so Suyu. "Der Rest ist die gewöhnliche Materie,
die wir kennen, und Dunkle Materie, nach der unter anderem Forscher am Genfer
CERN suchen."
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